1.22.4 (wir2p): Außerhalb der Tagesordnung: Vertagung des Reichstags.

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Außerhalb der Tagesordnung: Vertagung des Reichstags.

Der Vizekanzler macht von einem Schreiben des Herrn Reichskanzlers aus Genua Mitteilung, wonach der Herr Reichskanzler darum ersucht, der Reichstag[742] möge nicht am 2. Mai zusammentreten, sondern zunächst abwarten, wie die Verhandlungen sich in Genua gestalten5. Der Vizekanzler ist persönlich der Auffassung, daß große Bedenken gegen ein Zusammentreten des Reichstags am 2. Mai nicht bestünden; immerhin könnten gewisse Parteien vielleicht dazu neigen, Interpellationen betreffend Genua einzubringen. Es sei dann aber der Regierung möglich, die Beantwortungsfrist von 14 Tagen in Anspruch zu nehmen. An den Staatssekretär von Haniel habe sich schon zweimal der Abgeordnete Stresemann mit der Bitte um Informierung über Genua gewandt. Auch Exzellenz Spahn habe in einem Schreiben darum gebeten, der Reichskanzler möge die Parteiführer noch vor Zusammentritt des Reichstags über die politische Lage informieren. Er glaube, es sei für den Reichstag genügend Stoff zu Verhandlungen, vor allem in etatsrechtlicher Beziehung, vorhanden, so daß die nächsten 10 bis 14 Tage damit ausgefüllt werden könnten. Inzwischen werde ja wohl die Konferenz von Genua ihrem Ende entgegengehen. Jedenfalls halte er persönlich es nicht für opportun, daß die Vertreter der Regierung noch längere Zeit, etwa den ganzen Monat Mai hindurch, in Genua verblieben.

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Am 27.4.22 hatte Hemmer an die Rkei telegraphiert: „Reichskanzler bittet in Anbetracht dessen, daß hochpolitische Fragen hier zur Entscheidung kommen, die seine Anwesenheit hier in Genua noch erfordern, Reichstagspräsidenten Löbe zu bitten, im Ältestenrat von sich aus für eine Verschiebung des Reichstagsbeginnes auf solange zu plädieren, bis hier Lage geklärt ist. Reichskanzler besorgt, daß Tagung Reichstags neben Genueser Konferenz zu unerwünschten Auseinandersetzungen führen könnte. Bitte auch Vizekanzler von dem Wunsch des Reichskanzlers in Kenntnis zu setzen und eventuell Inhalt dieses Telegrammes an Reichstagspräsident telegraphieren.“ (R 43 I /1009 , Bl. 18; dazu auch Fernschreibergespräche in R 43 I /471 , Bl. 75, 73 f., 76 f.). Siehe Dok. Nr. 258 Anm. 1.

Minister Giesberts ist auch der Auffassung, daß der Reichstag sich zunächst mit den Etats beschäftigen könnte und eine Vertagung daher nicht erforderlich sei.

Gesandter Rauscher tritt entschieden für Vertagung des Reichstags ein. Er betont, daß sonst die Gefahr bestünde, daß unkontrollierbare Gerüchte in den Wandelgängen kolportiert würden und dann den Weg in die Presse fänden.

Ministerialdirektor Denhard spricht sich vom Standpunkt des Reichsfinanzministeriums gegen eine Vertagung des Reichstags aus.

Minister Köster glaubt, daß das Kabinett dem Wunsche des Reichskanzlers schon aus dem Grunde entgegenkommen müsse, weil der Reichskanzler und die in Genua anwesenden Minister durch gleichzeitige Tagung des Reichstags übermäßig in Anspruch genommen würden.

VizekanzlerBauer stellt sodann fest, daß das Kabinett der Auffassung ist, daß versucht werden soll, in den morgigen Sitzungen des Ältestenausschusses des Reichstags eine Vertagung des Reichstags um zunächst etwa eine Woche zu erreichen6. Er bittet noch Staatssekretär von Haniel, an der Sitzung des Ältesten-Ausschusses teilzunehmen.

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Das in Anmerkung 5 zitierte Telegramm ist am 28.4.22 an den RTPräs. weitergeleitet worden; am 29. 4. konnte der Beschluß des Ältestenrates bereits nach Genua telegrafiert werden: „Ältestenausschuß hat Vertagung des Reichstags zugestimmt und will Ende der nächsten Woche zur Festsetzung neuen Termins wieder zusammentreten. Unverbindlich ist neunter Mai in Aussicht genommen.“ Der RT tritt am 10. Mai zusammen, nachdem die Rkei am 5. Mai folgendes Telegramm des RK an den RTPräs. weitergegeben hatte: „Der Herr Reichskanzler dankt Ihnen, Herr Präsident für Ihr Schreiben vom 29. April. Er ist der Auffassung, daß der Reichstagsbeginn sich wohl nicht mehr länger hinausschieben lassen wird. Er bittet Sie, Vorsorge zu treffen, daß der Reichstag sich bis auf weiteres nur mit neutralem Etat und Gesetzesfrage beschäftigt, politische Fragen aber und insbesondere Fragen betreffend Genua nicht behandelt. Nach der Besprechung mit Lloyd George erscheint die Anwesenheit des Herrn Reichskanzlers in Genua zunächst dringend erforderlich. Es ist möglich, daß der Herr Reichskanzler zwischendurch einige Tage nach Berlin kommt, um die Parteiführer zu informieren.“ (R 43 I /1009 , Bl. 21 f.).

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