1.78.2 (wir2p): 2. Reparationsfrage.

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2. Reparationsfrage.

Staatssekretär von Simson berichtet über seine Reise nach London2. Er habe dort den Eindruck gewonnen, daß die Engländer glauben, Deutschland könne jetzt mit Aussicht auf Erfolg an die Repko das Ersuchen richten, die Goldzahlungen zu stunden. Der Plan Blacketts in dieser Beziehung sei der folgende: die für 1922 noch geschuldeten Goldzahlungen im Betrag von 320 Millionen Goldmark3 sollten über die Jahre 1923 und 1924 verteilt werden, also im ganzen auf etwa 30 Monate, so daß hierfür etwa monatlich 10 Millionen zu zahlen seien. Er, Simson, habe darauf erklärt, die Ausgleichs- und Schiedsgerichtszahlungen müßten hierbei gleich mitgeregelt werden. Blackett meinte,[940] für die Ausgleichszahlungen sollten gleichfalls etwa 10 Millionen monatlich gezahlt werden4.

2

Der Zweck dieser Reise wird in einem telegraphischen Bericht v. Simsons und Sthamers vom 1.7.22 deutlich: „Heutige anderthalbstündige Besprechung Blacketts mit Dufour und mir verlief wie folgt: Ich habe größten Nachdruck darauf gelegt, daß das Moratorium für uns nur in Frage kommt, wenn Barzahlungen für gemischte Schiedsgerichte in dieser Zeit ganz fortfallen und Zahlungen für Clearing auf etwa eine halbe Million Pfund herabgesetzt werden, also Gesamtbelastung einschließlich Markabkommen etwa 23 Millionen monatlich. Blackett hatte für beides Verständnis und keine Bedenken, daß wir entsprechenden Antrag stellen. Sachlieferungen müßten als window dressing mindestens in voller Canner Höhe angeboten werden. Absolute Verpflichtung, Budget während Moratoriums zu balancieren, habe als unmöglich bezeichnet, was Blackett einsah. Er regte an, daß wir statt dessen Zusage machten, während Moratoriums Umlauf der Zahlungsmittel nicht über ein bestimmtes Maximum hinaus zu erhöhen, ähnlich wie dies im ersten Londoner Agrément 1921 vorgesehen war. Vorschlag scheint mir beachtlich. Blackett möchte durch derartige Zusage schärfere Finanzkontrolle vermeiden. Moratoriumsgesuch müßte möglichst bald an die Reparationskommission nach vorheriger Fühlungnahme mit Bradbury und Delacroix gehen und gleichzeitig Gesuch an Hauptmächte einschließlich Belgiens wegen Erleichterungen Schiedsgerichts und Clearing. Habe mit Blackett besprochen, daß Berlin eventuell Entwurf aufgestellt, mit Kemball Cook besprochen und dann hier Blackett gezeigt wird.“ (R 43 I /29 , Bl. 243 f.).

3

Nach der Note der Repko an die RReg. vom 21.3.22 waren als Raten vom 15. 7. bis 15.12.22 noch 320 Mio Goldmark zu zahlen (RT-Drucks. Nr. 4140 , S. 161, Bd. 372).

4

Das Abkommen über die Bezahlung der Monatssalden im Ausgleichsverfahren vom 10.6.1921, das auf Grund des Artikels 296, Anlage § 11 des VV abgeschlossen worden war, sah praktisch eine deutsche monatliche Zahlung von 2 Mio Pfund vor (RT-Drucks. Nr. 5304 , S. 7, Bd. 375).

Am schwersten werde es sein, die Zustimmung Belgiens zu einem solchen Abkommen zu erlangen. Hier spiele das belgische Markabkommen mit hinein5. Er habe im Auftrage des Reichskanzlers England über das geplante Markabkommen informiert, wobei Blackett ihm mitgeteilt habe, daß England und Frankreich sich Belgien gegenüber verpflichtet hätten, dem Markabkommen in der Repko keine Schwierigkeiten zu machen. Blackett halte den Gedanken für gut, das Markabkommen mit dem neuen Moratorium zu verbinden. Für das Markabkommen würden monatlich etwa 3 Millionen Goldmark zu zahlen sein, so daß sich also mit den vorher erwähnten Leistungen eine Gesamtverpflichtung von 23 Millionen Goldmark monatlich für Deutschland ergeben würde6.

5

Siehe Dok. Nr. 87, Anm. 13–15 und Dok. Nr. 180 P. 1.

6

Zusatz am Rand: „bis Ende 1924“.

Weiter habe er den Minister Schanzer aufgesucht und ihn gebeten, dafür zu sorgen, daß das italienische Repkomitglied für das Moratorium eintrete. Schanzer habe geantwortet, man würde nach Möglichkeit Deutschlands Interessen berücksichtigen.

Für das Entgegenkommen in der Moratoriumsfrage würden Gegenleistungen verlangt, die das Abkommen für Poincaré erträglich machen sollten.

1. Sollten die Sachlieferungen, wie sie in Cannes vorgesehen seien, nicht herabgesetzt werden, so daß also 1922 für 1450 Millionen, 1923 und 1924 für je 1750 Millionen Goldmark geliefert werden müsse. Blackett habe sogar erklärt, daß diese Beträge möglicherweise noch heraufgesetzt werden müßten.

Er, Simson, halte dies nicht für gefährlich, da mindestens für 1922 erheblich weniger geliefert werde, als vorgesehen sei. In dem Moratoriumsgesuch würde er die Sachlieferungen überhaupt nicht erwähnen.

2. Forderung der Finanzgebahrung. Es würde die Zusage gefordert werden, daß während der Geltung des Moratoriums das deutsche Budget balanciert würde. Er, Simson, habe hierauf erwidert, daß zunächst die Mark stabilisiert werden müsse. Weiter werde gefordert werden, daß die schwebende Schuld eine gewisse Höhe nicht überschreite, etwa in der Art, wie dies in der Note vom 28. Mai ausgeführt sei.

Die ganze Angelegenheit müsse sehr eilig behandelt werden. Er würde auch empfehlen, die am 15. Juli fällige Rate in dem Moratoriumsgesuch irgendwie zu erwähnen7. Mit den Mitgliedern der Repko müsse in den nächsten Tagen Fühlung genommen werden.

7

In einer Chefbesprechung am 30. 6. über die Reparationsfrage hatte Wirth über die am 15. 7. fällige Rate gesagt: „Houghton hätte ihm gesagt, daß wir nach Ansicht Logans die Augustrate nicht mehr zahlen könnten, aber die Julirate müsse mindestens teilweise gezahlt werden. Er, der Reichskanzler, meine, daß wir mit den Zahlungen schon jetzt abbauen und als Argument den Marksturz verwenden sollten. Das Finanzministerium müsse hierüber mit Logan heute sprechen.“ (R 43 I /29 , Bl. 241 f.). Vgl. auch Dok. Nr. 291.

[941] Der Reichskanzler Die Sache müsse binnen 2 Tagen erledigt werden. Ihm scheine es zweckmäßig, dem hier anwesenden Garantiekomitee von der Absicht des Moratoriumsersuchens Mitteilung zu machen und es gleichzeitig an die Repko zu schicken.

Staatssekretär Fischer: Er sei seit einer Woche aus Paris fort, wo er zuletzt mit Bradbury nur über die Juli-Rate gesprochen habe. Wie inzwischen die englische Politik gelaufen sei, entziehe sich seiner Kenntnis.

Staatssekretär Dr. Schroeder: Die Juli-Rate würden wir nicht verweigern können, da der Entente bekannt sei, daß wir im Besitz der erforderlichen Devisen seien.

Die Verhandlungen mit dem Garantiekomitee ständen vor dem Abschluß, die über die Finanzkontrolle liefen erträglich. Die Befürchtungen Helfferichs über die Bedeutung des „s’entendre“ seien unberechtigt. Die Verständigung mit dem Garantiekomitee würde einen günstigen Boden für das Moratoriumsgesuch schaffen. Für Frankreich würde natürlich die Finanzkontrolle die Fassade bilden.

Auch in der Frage der Kapitalflucht werde man zu einer Einigung kommen.

Es sei vielleicht empfehlenswert, im Juli nur 37 Millionen zu zahlen, wobei dann 13 Millionen für die Transportkosten der Kohle abgezogen seien.

VizekanzlerBauer: Auch er halte es für empfehlenswert, mit dem Moratoriumsgesuch zu warten, bis eine Einigung mit dem Garantiekomitee erfolgt sei.

Er müsse aber der Befürchtung Ausdruck geben, daß auch die erwähnten 23 Millionen monatlich für Deutschland nicht erträglich seien.

Staatssekretär von Simson: Es sei unmöglich, weniger anzubieten. Wir könnten in der gesamten Frage nur in Etappen arbeiten. Nötigenfalls müsse später eine weitere Herabsetzung erfolgen.

Staatssekretär Dr. Schroeder: Man müsse seines Erachtens erklären, daß das Ganze nur eine Regelung bis zur Gewährung der großen Anleihe sei.

Staatssekretär von Haniel spricht sich für den Simson’schen Plan aus. – Minister Schmidt desgleichen.

Staatssekretär von Simson: Er glaube sich zu erinnern, daß der Kanzler dem Auswärtigen Ausschuß zugesagt habe, ihm das belgische Markabkommen vor Annahme durch die Regierung vorzulegen. Man werde also wohl mit den Parteiführern Fühlung nehmen müssen.

Der Reichskanzler Spreche man mit diesem über das belgische Markabkommen, so sei es unerläßlich, auch über das beabsichtigte Moratoriumsgesuch zu reden.

Der Entwurf des Schreibens an die Repko werde morgen in einer Chefbesprechung erörtert, dann werde man mit den Parteien Fühlung nehmen.

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