1.116.1 (ma12p): [Regierungsumbildung.]

Zum Text. Zur Fußnote (erste von 2). Zu den Funktionen. Zum Navigationsmenü. Zum Navigationsbaum

 

Bandbilder:

Die Kabinette Marx I und II, Band 2 Wilhelm Marx Bild 146-1973-011-02Reichskanzler Marx vor seinem Wahllokal Bild 102-00392Hochverratsprozeß gegen die Teilnehmer am PutschDawes und Young Bild 102-00258

Extras:

 

Text

RTF

[Regierungsumbildung.]

Der Reichskanzler erläutert die Lage, wie sie sich nach den Beschlüssen der drei Regierungsparteien darstellt1. Es sei die Frage, was die Demokraten nun tun würden. Sei ein weiterer Beschluß der demokratischen Fraktion nötig, oder könnten ihre Führer bereits jetzt eine bindende Erklärung abgeben?

1

Die RT-Fraktion des Zentrums gab am 14. 10. mittags zunächst folgenden Beschluß bekannt: „Nachdem die Erweiterung der Koalition nach rechts und links leider gescheitert ist, ist die Zentrumsfraktion einmütig der Auffassung, daß mit Rücksicht auf die gegenwärtige politische Lage die bestehende Regierung beizubehalten ist.“ (DAZ Nr. 485 vom 14. 10.).

Die DDP-Fraktion beschloß am 14. 10. einstimmig: „Die dt. demokratische RT-Fraktion ersucht den RK, weitere aussichtslose Verhandlungen über eine Änderung der Regierung nicht mehr zu führen und vom RT zu verlangen, daß er der Regierung ermöglicht, die Außenpolitik fortzusetzen und zum Ziele zu führen, die sie zur Befreiung dt. Landes und zur Aufrichtung der dt. Wirtschaft in die Wege geleitet hat.“ (DAZ Nr. 486 vom 15. 10.).

Hierzu veröffentlichte die DVP-Fraktion am 14. 10. abends folgende Entschließung: „Die RT-Fraktion der DVP hat in ihrer Sitzung vom 14. 10. von den Beschlüssen des Zentrums und der DDP Kenntnis genommen. Sie kann diese nur als eine Ablehnung der Zustimmung zu einer Rechtserweiterung der RReg. auffassen. Die DVP ist nach Prüfung der hierdurch geschaffenen Lage einstimmig zu dem Ergebnis gelangt, an ihrer bisherigen Stellungnahme festzuhalten. Die Voraussetzungen, die gemeinsam mit dem Zentrum und der DDP für die Zuziehung der DNVP nach den Maiwahlen aufgestellt wurden, sind erfüllt. Die vorbehaltlose Annahme der Richtlinien der RReg. als geeignete Grundlage für die Regierungserweiterung durch die Verhandlungsführer der DNVP, die Beibehaltung der Kanzlerschaft und des Auswärtigen Amtes durch bewährte Führer sind Bürgschaften zur Fortführung der bisherigen Außenpolitik auch bei Zuziehung der DNVP. Diese Zuziehung ist zugleich eine Notwendigkeit staatlicher Konsolidierung und parlamentarischer Gesundung. Die Koalition der Mitte ist infolge ihrer numerischen Schwäche von einer parlamentarischen Krise in die andere geraten. Ihre Fortführung bietet keine Gewähr für Vermeidung weiterer Krisen. […] Die DVP hält infolgedessen die Fortführung der bisherigen Koalitionsregierung praktisch für unmöglich.“ (DAZ Nr. 486 vom 15. 10.).

Daraufhin faßte die Zentrumsfraktion am 14. 10. spät abends einen neuen Beschluß: „Nachdem die Beibehaltung der gegenwärtigen Regierung, die das Zentrum einmütig gewünscht hat, abgelehnt wurde, erklärt die Zentrumsfraktion ihre Bereitschaft, einer Erweiterung der Regierung nach rechts auf dem Boden der vom RK aufgestellten Richtlinien zuzustimmen, falls die Demokraten auch in der Regierung verbleiben.“ (DAZ Nr. 486 vom 15. 10). Vgl. auch Schultheß 1924, S. 96.

Gegebenenfalls müßten dann Verhandlungen mit den Deutschnationalen über die Richtlinien und die Ministersitze geführt werden. Bisher hätten die[1111] Deutschnationalen die Richtlinien uneingeschränkt angenommen2. Jedenfalls müsse die Regierung jetzt auf Abschluß drängen.

2

Vgl. Dok. Nr. 325.

Abg. Koch: Seine Fraktion hätte sich mehrfach mit der Erweiterung nach rechts beschäftigt und sie immer für unerträglich gehalten. Er könne sich nicht denken, daß die Fraktion jetzt nach dem letzten Beschluß des Zentrums ihren Standpunkt ändere. Die Fraktion müsse heute tagen und endgültig beschließen.

Der Reichskanzler Dieser Beschluß sei also abzuwarten. Vielleicht könne man sich aber jetzt schon über die verschiedenen Eventualitäten unterhalten. Wie würden sich die Parteien stellen, wenn die Demokraten ein Zusammengehen mit der Rechten ablehnten? Er betone nochmals, daß die Dinge jetzt zum Ende kommen müßten. Evtl. müsse die Regierung ihre Demission beschließen oder andere entschiedene Schritte tun.

Abg. Scholz: Beschleunigung sei dringend nötig. Die Deutsche Volkspartei hätte ihre Haltung nicht geändert und habe zur Verzögerung nicht mitgewirkt. Zunächst müsse jetzt der Beschluß der Demokraten abgewartet werden.

Abg. Fehrenbach schließt sich diesem letzteren an.

Es wird beschlossen, die Parteiführer zusammenzurufen, sobald die Demokratische Partei Beschluß gefaßt hätte.

Abg. Erkelenz: Eine etwaige Auflösung müsse vor versammeltem Plenum erfolgen; die Sozialdemokraten hätten die gleiche Forderung gestellt. Das erfordere die Würde des Reichstags.

Abg. Zapf: Würdevoll würde ein solcher Akt sicher nicht werden. Es würde großen Skandal geben.

Der Reichskanzler ist hierüber der Ansicht des Abgeordneten Zapf.

Abg. Erkelenz betont demgegenüber, daß die Regierung in offener Feldschlacht fallen müsse.

Abg. Fehrenbach: Über diese Frage müsse man den Ältestenrat hören.

Der Reichskanzler Andere Herren seien der Ansicht, daß hierüber die Regierung beschließen müsse.

Hierauf wurde die Sitzung geschlossen.

Extras (Fußzeile):