1.111.1 (ma32p): 1. Schreiben der Reichsbahn wegen der Besoldungsreform.

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1. Schreiben der Reichsbahn wegen der Besoldungsreform1.

1

Am 10.11.27 hatte der Präs. des Verwaltungsrats der RB-Gesellschaft v. Siemens an den RK geschrieben: Der RFM habe in seiner RT-Rede vom 21. 10. und in dem Memorandum an den Generalagenten (vom 5. 11.) zum Ausdruck gebracht, daß durch die vorgesehene Neuregelung der Beamtenbesoldung eine Erhöhung der Eisenbahntarife nicht notwendig werde. Diese Feststellung stehe nicht im Einklang mit den Ausführungen, die seitens der RB-Gesellschaft schriftlich und mündlich dem RFM, dem Kabinett und dem RK gemacht worden seien. So habe Generaldirektor Dorpmüller in Besprechungen mit dem Kabinett darauf hingewiesen, daß sich eine Tariferhöhung unter den gegebenen Umständen nicht umgehen lassen werde; seine Zahlenangaben seien vom RVMin. geprüft und als richtig bestätigt worden (R 43 I /2570 , Bl. 103–104). In einem ergänzenden, eigenhändigen Brief v. Siemens’ an den RK vom 10. 11. heißt es u. a. „Es darf doch nicht außer acht gelassen werden, daß in der Reichsbahn der Kommissar Leverve mit einem Stab von Fachleuten sitzt, der die Verhältnisse der Gesellschaft genau verfolgt und dem – auch wenn man wollte – nichts verheimlicht werden kann. Er war öfters beim Generaldirektor und bei mir und hat sich bestätigen lassen, daß die Regierung genügend über die Wirkung der Besoldungserhöhung informiert ist. Durch ihn weiß der Generalagent sicher genau Bescheid.“ (R 43 I /2570 , Bl. 108–109).

Dazu erklärte RFM Köhler in einem Brief an den RK vom 15.11.27: v. Siemens gehe von nicht ganz zutreffenden Voraussetzungen aus. Es sei nicht richtig, daß die Organe der RB den Regierungsstellen mit voller Klarheit seit längerer Zeit gesagt hätten, daß die Besoldungserhöhung bei der RB zu Tariferhöhungen führen werde. Vielmehr sei von der RB lediglich wiederholt darauf hingewiesen worden, daß jedes Überschreiten des geplanten Ausmaßes der Besoldungserhöhung für die RB die Frage der alsbaldigen Tariferhöhung nach sich ziehen würde. Offenbar seien die Bedenken der RB erst nachträglich bei der Prüfung des Etats für 1928 entstanden. Die Etatschwierigkeiten seien aber nicht eine Folge der Besoldungserhöhung, sondern sie ergäben sich daraus, daß es der RB infolge des Widerspruchs des Generalagenten nicht gelungen sei, sich durch den Verkauf von Vorzugsaktien das notwendige Kapital zu beschaffen. Dorpmüller habe sich mit dieser Argumentation auch einverstanden erklärt und hinzugefügt, daß eine Tariferhöhung selbst bei fortdauernder Unmöglichkeit, Kapital aufzunehmen, keinesfalls vor Mai 1928 akut werden würde. „Es wird aber unsere Aufgabe sein, völlig klar zu stellen, daß die Ursache der ganzen Schwierigkeit keinesfalls die Besoldungserhöhung ist, sondern die auf die Dauer unhaltbare Abschnürung der Reichsbahngesellschaft vom Kapitalmarkt.“ Er, der RFM, werde hierüber mit dem Generalagenten sprechen (R 43 I /2570 , Bl. 110–111).

Staatssekretär Gutbrod führte folgendes aus: Die Reichsbahn habe die Überschüsse der Geschäftsjahre 1926 und 1927 zur Deckung von Ausgaben auf Kapitalkonto verwenden müssen, weil sie habe keine Anleihe aufnehmen können. Um diese Beträge, rund 300 Millionen Reichsmark, nachträglich auf die Vermögensrechnung umbuchen zu können, müsse die Reichsbahn den gleichen Betrag an Vorzugsaktien auf den Anleihemarkt bringen.

Wenn die Reichsbahn ihr Bauprogramm für 1928, 555 Millionen Reichsmark, durch Abstriche auf 440 Millionen reduziert, müßten weitere rund 400 Millionen Vorzugsaktien, zusammen also 700 Millionen, begeben werden.

[1107] Dagegen habe Leverve Bedenken geäußert. Er verlange die Erhöhung der Tarife zum Ausgleich der Bilanz. Dabei weise er auch auf die Mehrausgaben hin, die durch die Besoldungserhöhung entstehen würden.

Dieser Standpunkt sei nicht berechtigt. Der Generaldirektor der Reichsbahn habe stets erklärt, die Besoldungserhöhung würde keinen Anlaß zur Heraufsetzung der Tarife geben, wenn sie ein bestimmtes Maß nicht überschreite und wenn sich die Wirtschaftslage nicht ungewöhnlich verschlechtere, zumal wenn seiner Forderung entsprechend die Zuschläge im besetzten Gebiete beseitigt würden.

Die vom Generaldirektor der Reichsbahn befürchtete Unterbilanz von 300 Millionen Reichsmark zeige, daß er nun den Ausgleich nicht finden könne, auch wenn eine Erhöhung der Besoldungen nicht einträte, denn diese mache nur rund 200 Millionen Reichsmark aus.

Der Reichsminister der Finanzen erklärte, Leverve halte nach einer Erklärung des Reparationsagenten die deutschen Bahntarife im Verhältnis zu den ausländischen für zu niedrig. Reichskanzler a. D. Luther halte eine Entscheidung erst nach etwa ½ Jahre für möglich. Bis dahin müsse sich der Verwaltungsrat einer Tariferhöhung entschieden widersetzen.

Der Reparationsagent halte vorläufig seine Bedenken gegen die Unterbringung der Vorzugsaktien aufrecht2. Er glaube aber, daß erst im Februar oder März 1928 weitere Entscheidungen getroffen werden könnten. Vielleicht käme dann auch die Unterbringung eines Teiles der Vorzugsaktien auf dem deutschen Geldmarkte in Frage.

2

Siehe dazu Dok. Nr. 309, Anm. 4.

In den nächsten Monaten könne die Reichsbahn jedenfalls ohne Tariferhöhungen auskommen.

Der Tendenz des Haushaltsausschusses, die Gehälter der Bahn über den Entwurf hinaus zu erhöhen, müsse entschieden entgegengetreten werden.

Der Reichspostminister hielt keinesfalls für berechtigt, daß Tariferhöhungswünsche mit der neuen Besoldungsordnung begründet würden. Die Einnahmen der Reichsbahn seien jetzt wesentlich höher als im Durchschnitt der letzten 3 Geschäftsjahre, der der Berechnung zugrunde gelegt sei. Die Eisenbahntarife betrügen allgemein etwa 150% der Vorkriegssätze.

Das Ausland wolle durch diesen Vorstoß erreichen, daß ihm aus der Reichsbahn höhere Erträge zuflössen als bisher, inländische Kreise suchten durch den Vorstoß die Reichsregierung zu veranlassen, die Besoldungsordnung zurückzustellen oder die Erhöhungen herabzumindern.

Der Reichspostminister wies weiter auf die Gefahr hin, die eine Tariferhöhung bei der Reichsbahn für das allgemeine Preisniveau mit sich bringen würde und hielt es allgemein für angezeigt, in vorsichtiger Weise die Beamtenorganisationen auf die Möglichkeit der Selbsthilfe gegen Preistreibereien hinzuweisen.

Der Reichskanzler stellte fest, daß nach Ansicht des Reichsministeriums Tariferhöhungen der Reichsbahn vermieden werden müssen. Das Reichsverkehrsministerium[1108] solle im Benehmen mit den zuständigen Ressorts in diesem Sinne an die Hauptverwaltung der Reichsbahn schreiben3.

3

Die Stellungnahme der RReg. wurde v. Siemens durch Schreiben des RK vom 8.12.27 mitgeteilt (R 43 I /2570 , Bl. 121–124); dieses Schreiben stützt sich weitgehend auf die Ausführungen des RFM in dessen Brief an den RK vom 15. 11. (siehe oben Anm. 1, Abs. 2).

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