1.225.4 (ma32p): 4. Mitteilungen über Auslandsanleihen.

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4. Mitteilungen über Auslandsanleihen.

Der Reichsminister der Finanzen berichtete folgendes12:

12

Nach einer Aufzeichnung des LegR Vallette vom 9.5.28 hatte wegen der geplanten Auslandsanleihen „in den vergangenen 14 Tagen eine Reihe wichtiger Besprechungen mit dem Generalagenten [Gilbert] bzw. seinem hiesigen Stellvertreter, Morgan, stattgefunden. Die Verhandlungen sind zum Teil zwischen dem Reichsfinanzminister – der sich zu diesem Zwecke nach Baden-Baden begeben hatte – und dem Generalagenten, zum Teil zwischen dem Reichsfinanzminister und Morgan geführt worden. […] Es handelte sich bei diesen Besprechungen um 1. die kommunalen Anleihen, 2. die Landwirtschaftsanleihe, 3. die Siedlungsanleihe.“ (Pol. Arch. des AA, Sonderreferat W.Rep., 2 A, Frage der Aufnahme deutscher Kredite im Auslande, Bd. 3).

1) Gegen die Garantieleistung für die Anleihe für Flüchtlingssiedler (Gesetz vom 16. Juli 1927) in Höhe von 70 Mill. Reichsmark durch das Reich13 habe der Reparationsagent die schwersten Bedenken. Die Übernahme der Bürgschaft des Reichs nicht gegenüber den ausländischen Gläubigern, sondern gegenüber der Rentenbank-Kreditanstalt halte er für eine erzwungene Konstruktion, zumal in den Verträgen tatsächlich die Bürgschaft des Reichs den Ausländern gegenüber enthalten sei. Übrigens würden die Ausländer ohne diese Bürgschaft die Anleihe nicht geben.

13

Siehe Dok. Nr. 263, P. 4, Anm. 10 und 11.

Es sei nicht möglich gewesen, die Bedenken des Reparationsagenten aus Art. 248 des Versailler Vertrages zu zerstreuen14. Er habe sich gegebenenfalls alle Schritte vorbehalten.

14

Vgl. dazu Dok. Nr. 457, Anm. 46.

2) Die Umschuldungsaktion für die Landwirtschaft scheine dem Reparationsagenten nötig und möglich. Es sei gelungen, ihn davon zu überzeugen, daß das Reich den ausländischen Gläubigern für diese Kredite keine Garantie leiste15, obwohl die „Frankfurter Zeitung“ es behauptet habe.

15

Vgl. dazu Dok. Nr. 457, Anm. 48; ADAP, Serie B, Bd. VIII, Dok. Nr. 241, dort S. 507. – In der Aufzeichnung Vallettes vom 9.5.28 (oben Anm. 12) heißt es zur geplanten Auslandsanleihe für die landwirtschaftliche Umschuldung: „Hier macht Gilbert noch sehr erhebliche Schwierigkeiten. Er ist der Auffassung, daß es sich bei dieser Anleihe, wenn auch die Länderbanken dazwischengeschoben werden, letzten Endes um eine Anleihe der Länder handelt. Sie diene im Endergebnis nur dem Zweck, die Budgets des Reichs und der Länder von Verpflichtungen zu entlasten, die ihnen ohne diese Anleihe obliegen würden. Grundsätzlich ist Gilbert gegen die Politik der Garantie-Übernahme durch Reich oder Länder eingestellt. […] Aus den Besprechungen mit Morgan ergab sich jedoch der Eindruck, daß Gilbert diese Anleihe zur Not passieren lassen werde, wenn bei der Begebung dieser Anleihe und bei der gesamten Anleihe-Politik von unserer Seite Maß gehalten und seinen wiederholt geäußerten Wünschen Rechnung getragen wird. […] Es soll versucht werden, diese Anleihe möglichst noch vor dem Erscheinen des Juni-Berichts [des Reparationsagenten] herauszubringen.“

Wie aus einer Denkschrift des REM über das landwirtschaftliche Notprogramm vom 28.6.28 hervorgeht, konnte die Landesbankenzentrale eine landwirtschaftliche Umschuldungsanleihe von 25 Mio Dollar = 105 Mio RM bei einem amerik. Bankhaus aufnehmen (RT-Bd. 430 , Drucks. Nr. 218 , S. 11 f.).

[1449] 3) Auch über die Sammelanleihe für die Kommunen sei eine Verständigung erzielt. Die Anforderungen seien von 840 auf 360 Millionen Mark zusammengestrichen. Der Reparationsagent vertraue auf die zugesagte Publizität der Finanzpolitik bei Ländern und Gemeinden, die Sperrfrist, die nach der Aufnahme der Anleihe eingehalten werden soll und die monatlichen Nachweisungen über die Haushaltsführung.

Neben der Sammelanleihe sollen nur noch einige wenige große Städte Anleihen aufnehmen dürfen.

Die Aufnahme soll in Teilen entsprechend der Gesamtlage erfolgen16.

16

Vgl. dazu Dok. Nr. 457, Anm. 37; ADAP, Serie B, Bd. VIII, Dok. Nr. 108, S. 229 ff. und Dok. Nr. 241, S. 507 f. – In der Aufzeichnung Vallettes (oben Anm. 12) heißt es zu den geplanten kommunalen Auslandsanleihen: „Die Beratungsstelle [für Auslandskredite] hat die Anleiheanträge der Gemeinden, die sich auf etwa 800 Millionen Mark beliefen, stark zusammengestrichen. Insgesamt sind 360 Millionen Mark genehmigt worden. Hiervon sollen alsbald 150 Millionen Mark aufgelegt werden, während der Rest von 210 Millionen Mark im Herbst begeben werden soll. Die Anleihen sollen zum Teil als Sammel-Anleihen, zum Teil – für die 6 großen Städte – als Einzel-Anleihen herausgehen. Der Generalagent hat offenbar den Eindruck gewonnen, daß die Beratungsstelle zuverlässige Arbeit geleistet hat. Er hat daher gegen die vorgesehenen kommunalen Anleihen in diesem Stadium keine Einwendungen erhoben.“

Am 9.5.28 wurde durch WTB mitgeteilt: Die Beratungsstelle für Auslandskredite habe in ihrer Sitzung vom 8. 5. den Antrag des Dt. Sparkassen- und Giroverbandes befürwortet, im Laufe der nächsten Zeit eine Sammelanleihe dt. Städte in Höhe von ungefähr 17½ Mio Dollar an den Auslandsmarkt zu bringen. Außerdem habe die Beratungsstelle die baldige Ausgabe von Auslandsanleihen der Städte Berlin und Frankfurt a.M. befürwortet. Für den Herbst sei die Ausgabe eines zweiten Teils der Sammelanleihe und von weiteren Einzelanleihen großer Städte vorgesehen.

Über diese Abmachungen hinaus dürften die Länder und Gemeinden nicht mehr an den Auslandsmarkt herangehen, auch nicht, soweit sie Aktien-Gesellschaften gegründet hätten, bei denen sie Bürgschaft übernehmen.

Der Reichsminister der Finanzen der Reichsarbeitsminister der Reichsminister des Auswärtigen und der Reichsbankpräsident erklärten übereinstimmend, daß Schwierigkeiten mit dem Reparationsagenten wegen der Flüchtlingssiedler-Anleihe unbedingt vermieden werden müßten.

Der Reichsbankpräsident wies dabei darauf hin, daß die Verhandlungen über die Fixierung der Endsumme der Reparationsverpflichtungen, die der Reparationsagent eingeleitet und wirksam gefördert habe17, noch erhebliche Schwierigkeiten machen werde, bei denen die Hilfe des Reparationsagenten erforderlich sei. Es müsse versucht werden, die Siedlungsanleihe auf dem Inlandsmarkte aufzubringen, gegebenenfalls unter Beteiligung des Auslandes, oder den Betrag mit den Sparkassen und Girozentralen hereinzuholen.

17

Siehe dazu die in Dok. Nr. 457, Anm. 35 und 36 angeführten Dokumente.

Der Reichsarbeitsminister betonte die Notwendigkeit, den etwa 3 500 Siedlern zu helfen. Seine Anregung, die Aktion als Umschuldung zu betrachten und mit der Umschuldungsaktion für die Landwirtschaft zu verbinden, wurde vom Reichsminister der Finanzen als nicht durchführbar bezeichnet, zumal da die den Flüchtlingssiedlern zugesagte Zinssenkung bei den Landwirten nicht in Frage käme.

[1450] Der Stellvertreter des Reichskanzlers stellte im Benehmen mit dem Reichsminister der Finanzen fest, daß dieser den Gesamtkomplex der Auslandsanleihefragen erneut mit dem Reparationsagenten besprechen wird. Ist dessen Widerstand gegen die Flüchtlingsanleihe nicht zu überwinden, so soll auf ihre Aufnahme im Auslande verzichtet und ihre Aufbringung auf dem Inlandsmarkt versucht werden. Den Etat mit der Summe zu belasten, sei zu vermeiden. Die Verhandlungen des Bankenkonsortiums mit dem Auslande über die Flüchtlingsanleihe müßten sofort abgebrochen werden, da alle Schwierigkeiten mit dem Reparationsagenten wegen der Flüchtlingsanleihe zu vermeiden seien18.

18

Das Kabinett befaßte sich mit der Sanierung der Flüchtlingssiedler in der Ministerbesprechung vom 24.5.28; siehe Dok. Nr. 471, P. 4.

Im übrigen nahm das Kabinett von dem Stande der Verhandlungen über die Umschuldungsaktion für die Landwirtschaft Kenntnis. Die Richtlinien für die Umschuldungsanleihe sollen alsbald veröffentlicht werden19.

19

Die „Richtlinien für die Hilfsmaßnahmen des Reichs für Umschuldungskredite“ vom 3.5.28 wurden im RMinBl. vom 11.5.28 (S. 276 ff.) veröffentlicht; wiederabgedr. in der Denkschrift über das landwirtschaftliche Notprogramm, die der REM am 28.6.28 dem RT vorlegte (RT-Bd. 430 , Drucks. Nr. 218 , Anlage 4).

Weiter nahm das Kabinett davon Kenntnis, daß eine Sammelanleihe für die Kommunen in Höhe von 360 Millionen Reichsmark im Auslande aufgenommen werden soll.

Die Wohnungsbauanleihe in Höhe von 100 Millionen Reichsmark ist nach einer Erklärung des Reichsbankpräsidenten genehmigt und läuft für sich als private Anleihe.

Der Stellvertreter des Reichskanzlers dankte dem Reichsbankpräsidenten für seine Mitwirkung bei den Auslandsanleiheverhandlungen.

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