1.54.3 (mu22p): 3. Deutsch-schwedische Handelsvertragsverhandlungen.

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3. Deutsch-schwedische Handelsvertragsverhandlungen13.

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Von der schwed. Regierung war gefordert worden, daß die Verhandlungen auf die Punkte beschränkt würden, die zur Kündigung des bisherigen Vertrags geführt hatten, d. h. auf die Getreide- und Fleischzölle (Bericht des AA im HPA des RT während der Verhandlungen am 30. 9./1. 10.; Vermerk der Rkei; R 43 I /1114 , Bl. 94 f., hier: Bl. 94 f.).

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft trug den Inhalt seiner Kabinettsvorlage vor14.

14

Der REM hatte in Übereinstimmung mit dem HPA eine Bindung der Getreidezölle im neuen Schwedenvertrag abgelehnt. Weiterhin hatte er gefordert, daß zur Angleichung der Zölle für Rindvieh und -fleisch der Fleischzoll auf 45 RM von bisher 37,50 RM angehoben werde, was für Rindvieh einen Zoll von 27 RM und für Schafe von 22,50 RM bedeute. Der Zoll für frisches Schweinefleisch solle gleichfalls auf 45 RM (bisher 32 RM) angehoben werden, wenn in Berlin der Preis für C-Schweine zwei Wochen unter 70 RM liege. „Wenn ich bei meinen Vorschlägen von Zöllen ausgegangen bin, die tatsächlich zur Erhebung gelangen müssen, so habe ich das unter der Voraussetzung getan, daß diese Zölle bei den Handelsvertragsverhandlungen nicht unterboten werden dürfen. Infolgedessen sieht der beigefügte GesEntw. vor, daß diese Zölle Mindestzölle sein sollen. – Es kann zweifelhaft sein, ob ein besonderer GesEntw. über die Erhöhung der Vieh- und Fleischzölle eingebracht werden soll, oder ob die neuen Zölle zunächst bei dem Schwedenvertrag ausgehandelt und im Rahmengesetz zum Schwedenvertrag als autonome Zölle festgesetzt werden sollen“ (Vorlage vom 2. 10.; R 43 I /1114 , Bl. 97-101, hier: Bl. 97-101 und – mit Paraphe des RK – 1439, R 43 I /1439 , Bl. 205-209, hier: Bl. 205-209).

[997] Vortragender Legationsrat Eisenlohr wies darauf hin, daß die anderen Ressorts, die im Handelspolitischen Ausschuß der Reichsregierung vertreten seien, den Rindviehzoll nicht über 22,50 erhöhen wollen, während das Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft den autonomen Satz von 27 und einen Vertragssatz von 24,50 wünsche.

Das Auswärtige Amt sei bereit, dem vom Ernährungsministerium geäußerten Wunsche Rechnung zu tragen. Die Schweden wollten aber Zugeständnisse auf agrarischem Gebiet als Entschädigung. Da diese nur in ganz geringem Umfange möglich seien, würden industrielle Zugeständnisse erheblichen Umfanges gegeben werden müssen15.

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Diese Ansicht war bereits vom AA, dem RFMin. und dem RWiMin. im HPA der RReg. vertreten worden (AA an den StSRkei, 1. 10.; R 43 I /1114 , Bl. 102 f., hier: Bl. 102 f.).

Über den Schafzoll von 22,50 M bestehe Einigkeit. Auch beim Schweinezoll von 16 M als Regelfall sei Einverständnis festzustellen. Wenn der Schweinepreis unter 70 M für den Zentner Lebendgewicht herabsinke, so solle der Zoll erhöht werden, in welchem Umfange, könne offenbleiben16. Eine Erhöhung der Zölle für frisches Fleisch über die geltenden Vertragssätze würde das Auswärtige Amt nicht mitmachen können, da der Schwedenvertrag sonst gefährdet wäre. Deutschland würde nicht ausreichende Gegenzugeständnisse machen können.

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In seiner Vorlage hatte der REM ausgeführt, daß die dt. Landwirtschaft von der Sorge vor der ausländischen Konkurrenz in der Schweinemast befreit werden müsse, wenn sie in der Zeit hoher Schweinepreise von einer übermäßigen Produktion ferngehalten werden solle (2. 10.; R 43 I /1114 , Bl. 97-101, hier: Bl. 97-101).

Der Reichsarbeitsminister äußerte erheblichste Bedenken gegen die Forderungen des Reichsministers für Ernährung und Landwirtschaft. Im Frühjahr sei ein Rindviehzoll in Höhe von 22,50 für ausreichend erklärt worden. Inzwischen seien die Preise nicht gefallen, sondern gestiegen. Übermäßige landwirtschaftliche Forderungen würden in der Arbeiterschaft politische Folgen auslösen.

Auch der Reichswirtschaftsminister hielt die Lage im Reichstag für schwierig. Die Forderungen der Landwirtschaft seien übermäßig groß. Mit einem Rindviehzoll von 24,50 M würde er sich einverstanden erklären können. Eine Erhöhung der Fleischzölle würde den Handelsvertrag mit Schweden gefährden17. Auch der Reichsverkehrsminister sprach sich in ähnlichem Sinne aus.

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Der 7. (Handelspolitische) Ausschuß des RT beschloß am 9. 10. mit 16 zu 11 (KPD und SPD) Stimmen im Zolltarifgesetz die Sätze für Rinder und Schafe zu Schlachtzwecken von 13 RM auf 24,50 RM bzw. 22,50 RM heraufzusetzen und für frisches und gefrorenes Fleisch auf 45 RM für den dz. Ein Antrag, die RReg. zu ersuchen, „in den schwebenden Handelsvertragsverhandlungen ohne Zustimmung des 7. Ausschusses keine Bindung der Zölle für lebende Schweine und Schweinefleisch zu vereinbaren“, wurde mit 15 gegen 12 (DDP, KPD, SPD) Stimmen angenommen (Vermerke der Rkei vom 9. und 11. 10.; R 43 I /2425 , Bl. 249-252, 255, hier: Bl. 249-252, 255).

[998] Das Kabinett faßte folgenden Beschluß:

1. Hinsichtlich der Getreidezölle sollen im Schwedenvertrag keine Bindungen eingegangen werden.

2. Der Zoll für Rindvieh soll auf 24,50 M erhöht werden18, der Zoll für Schafe auf 22,50 M, für lebende Schweine soll der Zoll 16 M betragen. Wenn der Preis für den Zentner Lebendgewicht unter 70 M sinkt, so soll der Zoll erhöht werden. In welchem Ausmaße diese Erhöhung stattfinden soll, bleibt zunächst den Verhandlungen überlassen. Die Frage der Fleischzölle wird zunächst in den Verhandlungen mit Schweden nicht vorgebracht werden. Gegebenenfalls ist sie später bei den Verhandlungen über die Viehzölle zur Sprache zu bringen.

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MinDir. Ritter bat am 12. 10. an dieser Stelle einzufügen: „Der Herr REM erklärte sich dabei bereit, über die Höhe dieses Zollsatzes im Kabinett erneut zu verhandeln, falls bei den Verhandlungen sich ergeben sollte, daß der Satz von 24,50 RM nicht durchzusetzen ist und entsprechend dem ursprünglichen Antrag des HPA (22,50 RM) ein niedriger Satz als 24,50 RM in Aussicht genommen werden müsse“ (R 43 I /1114 , Bl. 109, hier: Bl. 109). Da die stenographischen Aufzeichnungen diese Erklärung, die auch dem Protokollführer und dem StS Heukamp nicht bekannt war, nicht enthielten, lehnte MinR Feßler ab, dem Ersuchen stattzugeben (14. 10.; R 43 I /1114 , Bl. 110, hier: Bl. 110).

Ministerbesprechung.

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