2.10.1 (bru1p): Bericht des Delegationsführers Herrn Staatssekretär z. D. Dr. von Simson über den Stand der Saarverhandlungen.

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Bericht des Delegationsführers Herrn Staatssekretär z. D. Dr. von Simson über den Stand der Saarverhandlungen1.

1

Die dt.-frz. Verhandlungen über die vorzeitige Rückgliederung des Saarlandes in das Deutsche Reich hatten am 21.11.29 in Paris begonnen (Protokoll der 1. Vollsitzung in R 43 I /248 , Bl. 106–116). Telegrammberichte der dt. Saardelegation über den Fortgang der Verhandlungen befinden sich in R 43  I /248  und 249 .

Staatssekretär z. D. von Simson gab in Anlehnung an seinen eingehenden Schriftbericht vom 18. Februar 19302 […] einen Gesamtüberblick über die[22] Entstehung und den gegenwärtigen Stand der Saarverhandlungen und erörterte ausführlich ihre Aussichten. Wie in allen Schriftberichten und Telegrammen unterschied er zwischen der Grubenfrage und der Handels- und Zollfrage.

2

Der Bericht v. Simsons befindet sich in R 43 I /248 , Bl. 231–249. Vgl. auch diese Edition, Das Kabinett Müller II, Dok. Nr. 430, Anm. 1.

Er führte aus, daß die französischen Unterhändler nach wie vor von dem Standpunkt ausgingen, daß die Verhandlungen auf Verlangen Deutschlands eingeleitet worden seien, und daß es daher Sache der deutschen Delegation sei, weitgehende Angebote zu machen. In der Grubenfrage sei Frankreichs Hauptgedanke der, daß es bezüglich der Ausbeutung der Gruben zu einer deutsch-französischen Zusammenarbeit kommen müsse. Man denke sich die Sache so, daß die Gruben an verschiedene deutsch-französisch gemischte Gesellschaften übertragen werden sollen, deren Majorität bei einer Gesellschaft zu 2/3 deutsch und zu ⅓ französisch, bei der anderen Gesellschaft zu 2/3 französisch und zu ⅓ deutsch sein sollten. Diesem französischen Standpunkt gegenüber habe er bisher unverrückbar an der Linie festgehalten, daß die Wiederherstellung voller Souveränität und der Verbleib des vollen Grubeneigentums bei Deutschland unsere unverzichtbare Bedingung sei3. In der Grubenfrage könne das Verhandlungsthema nach deutscher Auffassung nur die Bedingungen betreffen, unter denen die von der französischen Grubenverwaltung verpachteten Felder weiter verpachtet werden können, und sich darüber hinaus nur noch mit der Festsetzung des Verkaufspreises der Gruben und den Modalitäten der Bezahlung des Rückkaufpreises befassen.

3

S. hierzu das Schreiben des PrMinPräs. Braun an RK Müller vom 21.11.29 in dieser Edition, Das Kabinett Müller II, Dok. Nr. 360.

In der Handels- und Zollfrage habe er den Vorschlag in dem französischen Memorandum, dessen Inhalt aus dem Schriftbericht hervorgehe, offiziell ebenfalls rundweg abgelehnt4. In persönlichen mündlichen Verhandlungen habe er dem französischen Verhandlungsleiter Pernot5 gegenüber jedoch durchblicken lassen, daß er für den Fall, daß Frankreich sich in der Grubenfrage auf eine Verhandlung über das deutsche Verhandlungsthema einlasse, bereit sein werde, sich für die Beibehaltung des gegenwärtigen Zollregimes des Saargebiets bis zum Jahre 1935 unter Anpassung an die staats- und völkerrechtliche Lage, die sich aus der Rückgliederung des Gebiets an Deutschland ergeben würde, einzusetzen, und daß er ferner für die Zeit vom Jahre 1935 ab über ein Wirtschafts- und Zollsystem, insbesondere ein Kontingentssystem, verhandeln wolle.

4

Simson hatte bereits in seinem Bericht vom 18.2.30 festgestellt, daß die dt. Reg. das Verbleiben des Saarlands im frz. Zollgebiet bis 1935 werde konzedieren müssen (R 43 I /248 , Bl. 236–246).

5

Georges Pernot, Minister für Öffentliche Arbeiten im Kabinett Tardieu.

Zur Frage des Verhandlungstempos bemerkte er, daß der bisherige schleppende Gang der Verhandlungen unmöglich fortgesetzt werden könne. Er werde darauf ausgehen, sich mit dem französischen Verhandlungsleiter baldigst auf ein Verhandlungsprogramm zu einigen, das spätestens bis zum August dieses Jahres fertige Ergebnisse zeitigen müsse. Nur auf diese Weise werde es möglich sein, die diesjährige Völkerbundsversammlung, der das letzte Wort zustehe, noch rechtzeitig mit der Sache zu befassen. Andernfalls gehe ein volles[23] Jahr verloren, da die nächste Völkerbundsversammlung erst im Herbst 1931 zusammentreten werde.

Falls sich bei den nunmehr wieder aufzunehmenden Verhandlungen mit der Gegenseite herausstellen sollte, daß Frankreich dem deutschen Verhandlungsprogramm hartnäckigen Widerstand entgegensetze, so halte er es für richtiger, die Verhandlungen zwar nicht abzubrechen, aber doch unter einem Vorwande auf bessere Zeiten zu vertagen; denn notfalls sei es besser, bis 1935 zu warten, als sowohl in der Grubenfrage wie auch in der handelspolitischen Frage sich den jetzigen französischen Wünschen zu fügen. An den Vortrag des Staatssekretärs z. D. von Simson knüpfte sich eine ausgedehnte Aussprache an.

Abschließend machte der Reichsminister des Auswärtigen den Vorschlag, Staatssekretär z. D. von Simson zu beauftragen, auf der von ihm entwickelten deutschen Verhandlungsbasis die Verhandlungen in Paris fortzusetzen, und damit einverstanden zu sein, daß die Verhandlungen auf längere Zeit vertagt werden, falls sich herausstellen sollte, daß die französischen Unterhändler sich nicht geneigt zeigen sollten, auf das deutsche Verhandlungsziel einer restlosen Rückführung des Grubenbesitzes in deutschen Staatsbesitz einzugehen.

Der Reichsminister des Auswärtigen meinte, daß die deutsche Verhandlungstaktik darauf eingestellt bleiben müsse, daß Deutschland die Volksabstimmung im Jahre 1935 nicht scheue und durchaus gewillt sei, es notfalls darauf ankommen zu lassen.

Der Reichskanzler stellte das Einverständnis der übrigen Reichsminister mit diesem Vorschlage des Reichsministers des Auswärtigen fest6.

6

Zum weiteren Verlauf der Verhandlungen s. Dok. Nr. 38, Anm. 10 und Dok. Nr. 61, P. 2.

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