2.163.1 (bru1p): Anlage 1:

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Anlage 1:

Der Reichsinnenminister an den Reichswehrminister. 21. Oktober 1930

R 43 I /2682 , S. 203–204 Abschrift

Sehr geehrter Herr Kollege!

In Beantwortung Ihres gefälligen Schreibens vom 15. Oktober11 übersende ich Ihnen in der Anlage zwei Denkschriften, in denen ein charakteristischer Ausschnitt aus dem zur Zeit gegen die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei vorliegenden Material gegeben wird. Aus ihnen ergibt sich zur Genüge, daß alle Legalitätsbeteuerungen der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei nur den Wert taktischer Manöver haben, die dazu bestimmt sind, über die wahren Ziele dieser Partei hinweg zu täuschen. Auf Seite 82 der mit II bezeichneten Denkschrift darf ich in diesem Zusammenhange besonders hinweisen12. Auch die Annahme, daß Hitler vor dem Reichsgericht die Legalität seiner Partei beschworen habe, trifft in diesem Ausmaße nicht zu. Herr Hitler[608] hat zwar mit einigen Umschweifen und Einschränkungen erklärt, daß seine Partei ihre Ziele mit legalen Mitteln zu erreichen versuche, hat aber auf Befragen des Vorsitzenden über Einzelheiten Antworten erteilt, aus denen unzweideutig hervorging, daß die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei eine Reihe ihr unbequemer Reichsgesetze einfach nicht als Gesetze anerkennt und deshalb auch den Verstoß gegen diese Gesetze nicht als illegales Verhalten gelten lassen will13. Daß eine solche „Legalitätserklärung“ praktisch wertlos ist, liegt auf der Hand.

11

Anlage 2.

12

In der pr. Denkschrift wird das Kapitel „Legalitätserklärungen und ihr Wert“ mit folgender Bemerkung eingeleitet: „Wenn revolutionäre Bewegungen größeren Umfang annehmen und damit eine größere Gefahr für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung darstellen, haben sie naturgemäß mit Gegenmaßregeln der Regierung zu rechnen. In einem solchen Stadium pflegen sie Legalitätsversicherungen abzugeben, um ein Einschreiten der staatlichen Gewalt gegen die noch im Aufbau und in der Vorbereitung befindliche Organisation zu vermeiden […]“ (R 43 I /2682 , S. 160).

13

Vgl. dazu Dok. Nr. 118, P. 2. S. auch Bucher, Der Reichswehrprozeß, S. 263–265.

Im übrigen kann der Aussage Hitlers auch deshalb kein Glaube beigemessen werden, weil sie in anderen Beziehungen nachweislich falsch ist. Ich übersende Ihnen in der Anlage Abschrift eines hierauf bezugnehmenden Schriftsatzes an den Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich, in dem ich unter Beweis gestellt habe, daß die Angabe Hitlers, er habe seinerzeit, als er den Münchener Putsch ins Werk setzte, sein Ehrenwort nicht freiwillig gebrochen, sondern unter Zwang gehandelt, unwahr ist14. Im übrigen stehe ich auf dem Standpunkt, daß die Aussagen eines Mannes, der eingestandenermaßen sein Ehrenwort gebrochen hat, auch schon aus diesem Grunde nicht als glaubwürdig angesehen werden kann.

14

Dieser Schriftsatz befindet sich nicht in R 43 I /2682 .

Zusammenfassend bemerke ich, daß nach dem mir vorliegenden Material kein Zweifel darüber bestehen kann, daß die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei nach wie vor entschlossen ist, ihre Ziele mit Gewalt durchzusetzen, sobald sie erkennt, daß eine gesetzmäßige Erreichung auch mit 107 Abgeordneten unmöglich ist. Ich teile aber Ihre Ansicht, sehr geehrter Herr Kollege, durchaus, wenn Sie in der Tatsache, daß in Thüringen und auch jetzt in Braunschweig ein nationalsozialistischer Minister amtiert15, ohne daß Reichspräsident und Reichsregierung als solche dagegen eingreifen und darin, daß auf der anderen Seite die für die Aufrechterhaltung der Ordnung verantwortlichen Ressorts des Reichs alles tun, um die nationalsozialistische und kommunistische Gefahr zu bekämpfen, ein Widerspruch liegt und daß es wünschenswert ist, diesen Zwiespalt sobald als möglich aus der Welt zu schaffen.

15

S. Dok. Nr. 156.

Mit vorzüglicher Hochachtung

Ihr sehr ergebener

gez. Dr. Wirth

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