2.146 (bru1p): Nr. 146 Der Sächsische Ministerpräsident an den Reichskanzler. Dresden, 21. Oktober 1930

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Nr. 146
Der Sächsische Ministerpräsident an den Reichskanzler. Dresden, 21. Oktober 1930

R 43 I /309  Bl. 273–274

[Revision des Youngplans]

Hochverehrter Herr Reichskanzler!

Der Sächsische Landtag hat in seiner Sitzung vom 16. Oktober folgenden, von den Demokraten bis einschließlich den Nationalsozialisten eingebrachten Antrag angenommen:

„Die Regierung zu ersuchen, auf die Reichsregierung einzuwirken, daß sie angesichts der wirtschaftlichen Lage mit allem Nachdruck und beschleunigt sich bemüht, Verhandlungen zur Revision des Young-Planes einzuleiten.“

Die Annahme ist mit allen gegen die Stimmen der Kommunisten erfolgt. Dafür haben also gestimmt: die Sozialdemokratische Partei, Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei, Wirtschaftspartei, Deutsche Volkspartei, Deutsch-nationale Volkspartei, Sächsisches Landvolk, Christlichsozialer Volksdienst und Volksrechtspartei, Demokratische Partei sowie Volksnationale Reichsvereinigung1.

1

Nach der Wahl vom 22.6.30 gab es im Sächs. LT folgende Sitzverteilung: SPD 32, NSDAP 14, KPD 13, WP 10, DVP 8, DNVP 5, Sächs. Landvolk 5, ChrSVD 2, Volksnat. Reichsvereinigung 2 (Schultheß 1930, S. 147).

Mit einer anderen Stimmenmehrheit ist weiterhin der zweite Teil eines Antrags der Sozialdemokratischen Partei angenommen worden, der wie folgt lautet: „Die verbleibenden Reparationslasten auf die tragfähigen Schultern zu legen.“

Bei der Beratung habe ich namens der Sächsischen Regierung folgende Erklärung abgegeben:

„Wir sind alle davon durchdrungen, daß das, was Sie heute hier erörtern, die Lebensfrage des deutschen Volkes ist. Wir sind uns auch darin einig, daß[547] mit dem neuen Vertrage, mit dem Haager Abkommen, nicht das letzte Wort in der Tributfrage gesprochen sein kann, und ich bin dessen gewiß, daß mir hierin auch diejenigen zustimmen werden, die seinerzeit die deutsche Unterschrift als eine harte Notwendigkeit angesehen haben. Ich glaube aber auch, daß ein Streit darüber, ob sie Recht hatten oder diejenigen, die für die Verweigerung der Unterschrift kämpften, uns heute nicht weiter führt. Viel wichtiger erscheint mir es, daß wir uns darin zusammenfinden, daß bereits die kurze Geltungsdauer des Haager Vertragswerkes die Unmöglichkeit des uns darin Auferlegten bestätigt hat. Gewiß ist Deutschland nicht das einzige Land, das unter schwerer Wirtschaftsnot leidet. Aber diese Weltwirtschaftskrise, in der wir leben, hat mindestens eine ihrer Ursachen darin, daß aus einem einzigen Gebiete, daß dem deutschen Volke, den Gesetzen der Wirtschaft zu Hohne, riesige Summen als einseitige Leistungen abgezapft werden. Die Weltwirtschaft kann darum nicht wieder in Ordnung kommen, solange das andauert. Und mögen auch noch so viele andere Völker unter der Weltkrise leiden – uns, die wir nach den Opfern des Krieges nun schon 12 Jahre ungeheuere Tribute geleistet haben und noch jährlich und monatlich leisten müssen, trifft sie doch unendlich viel schwerer als irgendein anderes Volk. Wir haben schon längst die Reserven hingeben müssen, über die die anderen Völker noch verfügen. Auch darauf ist noch hinzuweisen, daß die von uns verlangten Leistungen, die in Gold fixiert sind, aber doch schließlich mit nichts anderem als mit deutscher Arbeit bezahlt werden können, viel schwerer geworden sind, da seit dem vorigen Jahre der Wert des Goldes eine ungeahnte Steigerung erfahren hat.

Trotz allem vermag ich mich nicht für die Folgerungen auszusprechen, auf die der Antrag des Herrn Abgeordneten Renner2 hinausläuft. (Das ist ein Antrag der kommunistischen Fraktion, „die Reichsregierung aufzufordern, sofort alle Zahlungen für den Young-Plan einzustellen.“) Das wäre Katastrophen-Politik. Ich würde aber gern dazu bereit sein, mich im Sinne der übrigen zur Beratung stehenden Anträge nachdrücklichst bei der Reichsregierung dafür einzusetzen, daß sie, um des Lebensinteresses des deutschen Volkes willen, sobald als möglich zur Nachprüfung dessen, was uns im Haag auferlegt worden ist, die nötigen Schritte unternimmt.“

2

Rudolf Renner, Vorsitzender der KPD-Fraktion im Sächs. LT.

Indem ich mich beehre, Ihnen, Herr Reichskanzler, im Namen der Sächsischen Regierung hiervon Kenntnis zu geben3, habe ich die Ehre zu sein

3

Am 1.12.30 übersandte der Württ. StPräs. Bolz dem RK den Beschluß des Württ. LT vom 27. 11., „das Staatsministerium zu ersuchen, bei der Reichsregierung dahin zu wirken, daß in tunlichster Bälde die dringend notwendige Revision des Young-Plans mit seinen die Leistungsfähigkeit Deutschlands weit übersteigenden Lasten zielbewußt in Angriff genommen wird. Da die Kriegsschuldlüge als Rechtsgrundlage für die Tributpflicht Deutschlands dient und die Zahlungsfähigkeit mit der angeblichen inneren Entschuldung durch die Inflation begründet wird, kann und muß bei einem Kampf um Revision des Young-Plans hier in erster Linie der Hebel angesetzt werden“ (R 43 I /310 , Bl. 3).

Ihr

sehr ergebener

Schieck

Ministerpräsident.

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