1.175.1 (bru2p): Finanz- und wirtschaftspolitische Lage.

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Finanz- und wirtschaftspolitische Lage.

Der Reichskanzler legte der Besprechung1 die anliegende Gliederung zugrunde2. Im Rahmen dieser Gliederung stellte er zunächst die Frage der Ablösung oder Neugestaltung der Hauszinssteuer sowie die Sanierung der Haushalte von Ländern und Gemeinden zur Erörterung3.

1

Über den Verlauf dieser Besprechung fertigte StS Schäffer für sein Tagebuch eine umfangreiche Niederschrift an (IfZ ED 93, Bd. 13, Bl. 528–546).

2

Die ungezeichnete Gliederung enthielt folgende Besprechungspunkte: „1. Organische Gestaltung der Deflation in der gesamten privaten und staatlichen Wirtschaft bis zu einem gewollten Punkt. 2. Haushaltsplan für 1931 für Länder und Gemeinden: Fehlbetrag mindestens 800 Millionen, Deckungsmöglichkeiten? Ablösung der Hauszinssteuer? 3. Möglichkeiten von Aufgabeminderungen in Reich, Ländern und Gemeinden. 4. Problem der Banken. Staatsaufsicht, Sicherstellung zweckmäßiger Kapitalinvestitionen, Sparkassen. 5. Aktienrechtsreform. Verabschiedung des dicken Gesetzbuches im Wege der Notverordnung vielleicht untunlich. Die wichtigsten Bestimmungen durch Notverordnung regeln, gleichzeitig aber die Kabinettsvorlage RK. 7477 auf ordnungsmäßigem Wege dem Reichsrat und Reichstag vorlegen“ (R 43 I /1451 , S. 33).

3

S. zum Stand der Beratungen mit den Wirtschaftssachverständigen Dok. Nr. 423. Zur Forderung nach Abschaffung der Hauszinssteuer s. Dok. Nr. 422, Anm. 11. Die Beseitigung der Hauszinssteuer war bereits mehrfach in Eingaben an die Rkei verlangt worden: vgl. die Abschrift eines Schreibens des Inhabers der Internationalen Handelsbank Berlin, S. Marx, an den RbkPräs. vom 24.6.31 (R 43 I /2350 , Bl. 114–119); Entschließung des Reichsverbandes der Haus- und Grundbesitzervereine vom 21.7.31 (R 43 I /2350 , Bl. 143–147); Schreiben des Verbandes der Schuhwaren-Großhändler von Köln und Umgebung an StS Pünder vom 1.8.31 (R 43 I /2350 , Bl. 177–178).

Der Reichsminister der Finanzen führte aus, daß die Hauszinssteuer bisher jährlich rund 1600 Millionen RM erbracht habe. Im laufenden Jahre rechne man mit einem Rückgang auf 1200 Millionen. Wahrscheinlich werde das Aufkommen sogar noch weiter sinken. Wenn man an eine Herabsetzung der Hauszinssteuer[1504] denke, so sei es vielleicht am besten, nicht stückweise vorzugehen, sondern die Steuer sofort in ganzer Höhe zu beseitigen. Fraglich sei alsdann, wie man für den Ausfall Ersatz schaffen könne. Eine Erhöhung der Umsatzsteuer von 0,85 vom Hundert auf 1,5 vom Hundert werde eine Einnahme von etwa 700 Millionen erbringen gegenüber 1200 Millionen, die man decken müsse. Bei völliger Aufhebung der Hauszinssteuer werde eine Senkung der Mieten um etwa ein Drittel der jetzigen Höhe möglich werden.

Der Preußische Finanzminister HöpkerHöpker Aschoff führte aus, daß die Hauszinssteuer in Preußen in den letzten Jahren folgende Beträge erbracht habe:

1928

1047

Millionen,

1929

1027

Millionen,

1930

945

Millionen.

Für das Jahr 1931 rechne man mit 873 Millionen. Diese 873 Millionen seien wie folgt aufgeteilt:

300 Millionen

für den Staat,

150 Millionen

für die Gemeinden,

291 Millionen

zur Belebung der Bautätigkeit,

132 Millionen

zur Bildung eines Fonds für die Senkung übersetzter Realsteuern sowie zum Ausgleich für notleidende Gemeinden.

Von diesen Posten könne im nächsten Jahr wohl nur der Betrag für die Belebung der Neubautätigkeit wesentlich beschnitten werden. Keinesfalls könne auf den Fonds von 132 Millionen verzichtet werden. Eine einheitliche Regelung der Frage begegne großen Schwierigkeiten, weil die Belastung mit Hauszinssteuern in Preußen sehr verschieden sei. Eine Erhöhung der Umsatzsteuer werde keinesfalls ausreichend sein, um die bei einer Aufhebung der Hauszinssteuer entstehenden Ausfälle zu decken. Preußen habe sich schon mal einen Plan für eine Ablösung der Hauszinssteuer gemacht. Dieser Plan sähe einen allmählichen Abbau der Hauszinssteuer auf die Hälfte vor, und zwar habe man gedacht, 25 vom Hundert im ersten Jahr abzusenken und dann in fünf aufeinander folgenden Jahren weitere je 5 vom Hundert. Die restliche Hälfte solle alsdann in eine Reallast umgewandelt werden, die mit einem Vielfachen des Jahresbetrages ablösbar sein solle. Vielleicht könne man an eine Senkung der Mieten um 10 vom Hundert herangehen, wenn man die Senkung der Hauszinssteuer in den ersten Jahren etwas schneller wie vorgesehen vornähme.

Reichsminister a. D. HilferdingHilferding führte aus, daß das brennendste Problem die Sanierung der Gemeindefinanzen sei. Bei den Gemeinden sei ein Fehlbetrag von insgesamt 800 Millionen zu decken. Wenn man ferner bedenke, daß die Gemeinden von der Hauszinssteuer insgesamt 800 Millionen bezögen, so ergebe sich bei Aufhebung der Hauszinssteuer ein zu deckendes Gesamtdefizit von 1600 Millionen RM. Ferner könne man auch den Ländern einen Verzicht auf den fiskalischen Teil der Hauszinssteuer nicht zumuten. Die Umsatzsteuer[1505] sei allein für die Sanierung der Gemeindefinanzen nötig. Nach seiner Meinung sei das Ausmaß einer Senkung der Hauszinssteuer bedingt durch die Notwendigkeit der Sicherstellung der Verzinsung des Hausbesitzes. Er halte für erforderlich

1.

eine Senkung der Hauszinssteuer in dem Maße, als dies für die Sicherung der Zinsenlast nötig sei;

2.

eine Änderung des Systems der Hauszinssteuer durch Umwandlung in eine Reallast;

3.

die Einführung einer erleichterten Ablösbarkeit dieser Reallast.

Der Reichskanzler erwiderte, daß der bei den Gemeinden insgesamt vorhandene Fehlbetrag von 800 Millionen unmöglich durch neue Steuern abgedeckt werden könne. Er rechne mit einem Betrag von 500 Millionen höchstens. Der Rest müsse durch Ersparnisse abgedeckt werden. Zudem müsse man bedenken, daß bei einer Senkung der Mieten um 10 vom Hundert bei den Gemeinden eine Ersparnis von 140 Millionen RM eintreten werde. Man müsse bedenken, daß man diese Summe nicht doppelt rechnen dürfe. Im übrigen werde die Frage der Ausgabenpolitik von Ländern und Gemeinden bei den Verhandlungen über die Gewährung einer finanziellen Hilfe des Auslandes eine große Rolle spielen.

Der Reichsarbeitsminister erklärte, daß Deutschland aus seinen finanziellen Schwierigkeiten nur herauskomme, wenn es gelänge, die kurzfristige Verschuldung durch eine langfristige Anleihe zu konvertieren. Es sei unmöglich, auf die Dauer eine Zinslast von 8 bis 9% herauszuwirtschaften.

Geheimrat BücherBücher meinte, man müsse die Frage der Hauszinssteuer unabhängig von der Frage erörtern, wie man die durch eine völlige oder teilweise Umwandlung entstehenden Einnahmeausfälle der Steuerempfänger decken könne. Die Frage der Belastung des Hausbesitzes müsse als Einzelmaßnahme für sich betrachtet werden. Die Miethöhe müsse bestimmt werden nach der Kapitalkraft der Mieter. Er halte eine kräftige Senkung der Mieten für erforderlich.

Der Preußische Ministerpräsident äußerte Bedenken dagegen, in der Sache einen plötzlichen Einschnitt zu machen. Er glaubte auch, sich gegen jede Steuersenkung wenden zu müssen mit der Begründung, daß man bisher die von Steuersenkungen erhofften Ziele in keinem Fall erreicht habe4. Auch dürfe man Ländern und Gemeinden nicht in der beabsichtigten Weise ihre Einnahmen wegnehmen und schließlich sei Senkung der Hauszinssteuer auch aus politischen Gründen nicht unbedenklich. Man werde in der Öffentlichkeit sagen, daß man den Hausbesitzern durch die Aufhebung der Hauszinssteuer ein Geschenk mache, wo hingegen man die Hypothekengläubiger durch die Aufwertungsgesetzgebung viel stärker enteignet habe. Er verweise daher auf eine Aufhebung[1506] der Hauszinssteuer und eine Wiederbelebung der Aufwertungsbewegung.

4

Nach Schäffers Aufzeichnung sagte Braun: „Ich habe eine gewisse Abneigung gegen Steuersenkungen. Wir haben einmal bereits eine Aktion zur Belebung der Wirtschaft durch Steuersenkungen gehabt. Wir hatten dann 2 Millionen (Arbeitslose) mehr, vielleicht kam es nicht daher, aber wir stehen doch hier vor der Tatsache, daß die sämtlichen öffentlichen Körperschaften in Haushaltsschwierigkeiten stecken und ihre Gehälter nicht mehr zahlen können“ (IfZ ED 93, Bd. 13, Bl. 532).

Dr. SilverbergSilverberg führte aus, daß das Problem der Hauszinssteuer nach seiner Meinung unlösbar sei, wenn man es mit der Frage der Sanierung der Haushalte der Länder und Gemeinden verbinde. Es handele sich seines Erachtens um zwei Fragen:

a)

wie erhält man den Hausbesitz?

b)

wie erhält man den Pfandbriefmarkt?

Diese Fragen könne man nur lösen, wenn man sich klar darüber sei, daß man unter allen Umständen die Substanz erhalten müsse. Diese Frage sei aber nur dann zu lösen, wenn man sie nicht verquicke mit der Frage der Haushalte der öffentlichen Hand. Nach seiner Meinung müsse man die Hauszinssteuer beseitigen. Eine Ermäßigung der Miete um 10 vom Hundert werde die Wirtschaft erheblich entlasten. Durch die Aufhebung der Hauszinssteuer werde der Grundbesitz mobilisiert. Dr. Silverberg entwickelte sodann einen Plan zur Entlastung der Gemeinden von ihrer kurzfristigen Verschuldung. Zu diesem Zweck schlug er vor, Schatzanweisungen des Reichs oder der Länder im Gesamtbetrage von 2 Milliarden auszugeben, die für eine Reihe von Jahren – etwa 8 Jahre – nur beschränkt begebbar gemacht werden müßten. Sie müßten verwendbar sein als Sicherheitsleistung und ferner als Unterlagen für die Schaffung von Giralgeld. Er erklärte weiter, daß die als Hauptgläubiger der kurzfristigen Schulden der Gemeinden in Frage kommenden Großbanken einem derartigen Plan einhellig zugestimmt hätten, trotz der für die Banken damit verbundenen erheblichen Zinseinbuße. Denn selbstverständlich müßten die Schatzanweisungen mit einem erheblich geringeren Satz verzinst werden wie die laufenden kurzfristigen Schulden. Eine wesentliche Vorbedingung für die Unterbringung der Schatzanweisungen sei die Einführung einer Reichsaufsicht gegenüber der Finanzgebarung der Gemeinden.

Der Preußische Minister des Innern, SeveringSevering, wandte sich nachdrücklichst gegen die Notwendigkeit der Einführung einer Reichsaufsicht gegenüber den Gemeinden. Er glaubte versichern zu können, daß die preußischen Aufsichtsinstanzen dafür ausreichend seien, eine sparsame Ausgabenpolitik der Gemeinden für die Zukunft zu gewährleisten.

Reichsminister a. D. HilferdingHilferding erklärte, daß er zwar nicht in der Lage sei, zu dem Silverbergschen Vorschlag sofort eingehend Stellung zu nehmen, daß ihm aber schon bei der ersten Betrachtung erhebliche Bedenken gegen den Plan zu bestehen schienen. Insbesondere glaubte er von der Tatsache, daß die Schatzanweisungen als Unterlage für Giralgeld dienen sollen, Inflationsgefahren befürchten zu müssen.

Auch Staatssekretär a. D. DernburgDernburg äußerte Bedenken gegen den Silverbergschen Plan angesichts der Tatsache, daß die kurzfristige Verschuldung Deutschlands an das Ausland sich auf 6 Milliarden belaufe5.

5

Laut Schäffer führte Dernburg u. a. aus: „Ich bin kein Inflationist. Wir sind auch in der Deflation sehr weit gekommen. Eine gewisse Aufhöhung der Mittel ist wünschenswert. Eine Mäßigung der Deflation durch eine gewisse Inflation, wie sie auch in England vorgeschlagen wird, wäre noch kein Fehler“ (IfZ ED 93, Bd. 13, Bl. 537).

[1507] Der Reichskanzler erklärte, daß man in der heutigen Aussprache zu abschließenden Ergebnissen nicht kommen könne und schlug daher vor, die Aussprache über diesen Gegenstand einstweilen abzubrechen.

Sparkassenfragen.

Der Reichskanzler erbat Vorschläge darüber, wie die Sparkassen auf lange Sicht ihren ursprünglichen Aufgaben wieder zugeführt werden könnten. Er wies auf die Bedenken hin, die den Stadtbanken in ihrer Tätigkeit entgegenständen.

Die Staatsaufsicht über die Banken allgemein werde sich nicht vermeiden lassen. Die Stützungsmaßnahmen der Regierung hätten eine ungeheuere Erregung in der Bevölkerung hervorgerufen. Es werde nicht verstanden, wenn Reichsgelder denselben Kreisen zur Verfügung gestellt würden, die bisher im Bankwesen maßgebend gewesen seien.

In Frage käme ein Bankkommissar mit vollem Auskunftsrecht insbesondere über kurzfristige Kredite, Rembours-Kredite und andere Fragen. Eine zweckmäßige Kapitalinvestition müsse sichergestellt werden. Es müßten Vorkehrungen dagegen getroffen werden, daß Stadtgemeinden und Privatunternehmer wie bisher mehrfach an mehrere Banken gleichzeitig herangetreten seien und von jeder von ihnen Kredite in Anspruch genommen hätten, von denen jeder allein schon an die Grenze des Möglichen gegangen sei.

Zu erwägen sei auch, ob ein Komitee mit entsprechenden Vollmachten geschaffen würde und wie es zu besetzen wäre. Die Akzept- und Garantiebank könne herangezogen werden. Die Entscheidung sei dringlich.

Spätestens Anfang Oktober müßte die Bankaufsicht durchgeführt sein: dann sei mit dem Zusammentreten des Reichstages zu rechnen6. Grundlage müßte eine Notverordnung werden, die in den nächsten Tagen zu erlassen sei. Die Einzelheiten der Regelung seien federführend vom Reichswirtschaftsministerium zu behandeln.

6

Der RT trat am 13.10.31 zu seiner 53. Sitzung zusammen (RT-Bd. 446, S. 2067 ).

Der Reichsminister der Finanzen verwies auf die Vorbilder für die Bankenkontrolle in den Vereinigten Staaten, Schweden, Jugoslawien und Tschechoslowakei. Notwendig werde auch eine Entscheidung darüber sein, ob eine Trennung von Depositenbanken und Finanzierungsbanken erfolgen müsse.

Dr. SilverbergSilverberg hielt es für notwendig, die äußerst schwierigen und weittragenden Fragen durch eine kleine Kommission durchberaten zu lassen.

Die Pressemitteilungen, nach denen die Industrie aus der Sanierung der Danatbank Vorteile ziehe, träfen nicht zu. Die beteiligten Firmen gingen erhebliche Risiken ein. Sie hätten es getan mit Rücksicht auf die rund 400 000 Kunden der Bank, von denen viele gleichzeitig ihre Kunden seien.

Eine Trennung der Depositen- und Finanzierungsbanken müsse reiflich überlegt werden. In England habe diese Trennung früher bestanden, sie sei aber immer weniger scharf aufrechterhalten worden, als sich die wirtschaftlichen Verhältnisse schwieriger gestalteten.

Reichsminister a. D. DernburgDernburg trat ebenfalls für eine baldige Bankenkontrolle ein, und zwar aus wirtschaftlichen Gründen. Die Verwendung der Stützungsmittel des Reichs müsse in erster Linie überwacht werden.

[1508] Ob in jeder Bank die Kreditabteilung von der Depositenabteilung getrennt werden müsse und ob beide dann besondere Bilanzen aufstellen müßten, müsse geprüft werden. Die Aufgabe der Banküberwachung werde außerordentlich schwierig sein.

Dr. VöglerVögler hielt es für ausreichend, wenn der Ausschuß zur Beratung der Bankkontrolle sich aus drei Mitgliedern zusammensetze. Er möchte bei der Reichsbank gebildet werden.

Reichsminister a. D. HilferdingHilferding trat auch dafür ein, daß die Bankprobleme, insbesondere die Trennung des Depositengeschäfts von der Finanzierung durch eine Kommission geprüft würden. Das Ergebnis werde die Entscheidungen hinsichtlich der beiden unterstützten Banken beeinflussen. In erster Linie sei die Bankenaufsicht nötig, die zunächst in provisorischer Form eingerichtet werden könnte.

Die Neukonstruktion der Danatbank sei unmöglich, wenn die Bank ihren Schuldnern überlassen würde. Das Reich müsse die Verfügungsmacht erhalten. Die Statuten seien entsprechend zu ändern. Die Reichsbank müsse sich an diesen Arbeiten beteiligen. Meinungsverschiedenheiten zwischen ihr und der Reichsregierung dürften auf die Dauer nicht bestehen bleiben. Personelle Änderungen im Direktorium und im Generalrat der Reichsbank müßten durchgeführt werden7. Es fehle eine volkswirtschaftliche Abteilung.

7

Es ist auch aus Schäffers Tagebuch nicht erkennbar, welche konkreten personellen Änderungen Hilferding wünschte. Zu den Forderungen nach einer Ablösung des RbkPräs. s. Dok. Nr. 394, Anm. 2. In einer Unterhaltung mit StS Schäffer schimpfte StS Trendelenburg auf Luther und plädierte für die sofortige Berufung von Schacht. Schäffer widersprach, wobei er Luthers juristische Vorbelastung zugab (Tagebuchaufzeichnung Schäffers vom 1.8.31, IfZ ED 93, Bd. 13, Bl. 520).

Geheimrat SchmitzSchmitz widersprach ebenfalls der Behauptung, daß die Industrie mit der Übernahme der Danatbank ein Geschäft gemacht habe. Sie habe dem Reich das Risiko abgenommen. Bei endgültiger Sanierung würde mit Verlusten gerechnet.

Durch eine Bankenaufsicht dürfe der Geschäftsgang bei den Banken nicht gestört werden.

Der Preußische Minister der Finanzen machte längere Ausführungen über die Lage der Sparkassen. Ihre Liquiditätsreserven befänden sich zu etwa 10% bei den Girozentralen und seien dort zum großen Teil eingefroren. Die Gelder seien kurzfristig an Gemeinden ausgeliehen worden und könnten jetzt nicht wieder zurückgezahlt werden.

Der Umstand habe dabei mitgespielt, daß in dem Vorstand der Girozentralen leitende Persönlichkeiten der Kommunen und Kommunalverbände vertreten seien. Eine starke Zentralisation sei deswegen nötig.

Eine weitere Liquiditätsreserve der Sparkassen liege in Staatspapieren und Schatzanweisungen. Die Preußische Staatsbank habe sie in ruhiger Zeit lombardiert oder zurückgenommen, wenn Geldbedarf entstanden sei. Jetzt seien die Schatzanweisungen im großen Maßstabe der Staatsbank angeboten worden. Sie habe 100 Millionen eingelöst und 50 Millionen lombardiert.

In Zukunft müßten die Reserven flüssiger gestellt werden als bisher.

[1509] Bei der Danatbank übernehme die Industrie das Risiko für 43 Millionen vor der Reichsgarantie.

Der Reichskanzler stellte fest, daß ein kleines Gremium von Sachverständigen bestimmt werden müsse, das sich mit der Reorganisation der Banken zu befassen habe und der Reichsregierung Vorschläge machen werde.

Kapitalzusammenlegung.

Geheimrat BücherBücher führte folgendes aus:

Die Bankenfrage sei mehr ein psychologisches und organisatorisches als ein praktisches Problem. Wenn die Wirtschaft wieder in Ordnung gehe, käme es in Ordnung. Seien aber 10% der Schuldner der Banken schlecht, so beständen große Gefahren.

Er wiederholte seine Forderung, daß die Unternehmungen wieder rentabel gemacht werden müßten und sah Mittel zur Hilfe in der Aufhebung der Hauszinssteuer, in der Sanierung der Städte und der Anpassung der Löhne und Gehälter an die Leistungsfähigkeit der Arbeitgeber. Bei einer Angleichung dieser Art handele es sich nur um eine Verlagerung von Einkommen und Konsum, nicht aber um eine Schmälerung des Volumens der Warenbewegung. Die Herabsetzung von Löhnen und Gehältern müsse in Verhandlungen zwischen den Beteiligten durchgesetzt werden, nötigenfalls durch Eingreifen einer Spruchkammer. Ein unrentables Unternehmen dürfe keine Riesengehälter zahlen. Es sei liquides Kapital zu schaffen, um die Ansprüche zu befriedigen.

Diese Grundsätze gelten in verstärktem Maße bei der Landwirtschaft. Die Belastungen nach der ersten Hypothek seien für die Kreditnehmer, aber auch für die Kreditgeber eine wirtschaftliche Schwierigkeit. Letztere könnten aus dem Gut keine Rente herauswirtschaften, wenn sie es auch wegen ihrer Forderungen übernähmen.

Professor WarmboldWarmbold führte aus:

Bisher habe die Einkommensbilanz des Volkes nicht gestimmt. Es habe mehr verzehrt als erworben. Um das zu bereinigen, müßten die Vermögen kleiner gemacht werden.

Hierzu gäbe es zwei Wege. Der Weg der Inflation. Er sei nicht wieder gangbar. Oder die Anpassung der Vermögenswerte an die Lage. Das sei durch Gesetz schwierig und erfolge besser im Laufe der wirtschaftlichen Entwicklung.

Der Außenhandel sei nicht so sehr zusammengeschrumpft wie der Binnenmarkt. Deshalb müsse die Hauptaufmerksamkeit auf letzteren gerichtet werden, ohne aber in eine Binnenwirtschaft überzugehen.

Die rückläufige Bewegung des Umsatzes auf dem Binnenmarkt habe den Rückgang der Einnahmen der öffentlichen Hand zur Folge gehabt. Auch deswegen müsse der Binnenmarkt wieder belebt werden.

Der Mangel an Umlaufmittel fessele die Produktion und verursache Arbeitslosigkeit. Die Bewegung dürfe nicht weitergehen. Der Umsatz müsse durch Umlaufmittel erleichtert werden. Bisher hätte das Ausland in weitem Maße durch kurzfristige Kredite die deutsche Produktion finanziert. Das werde in nächster Zeit nicht möglich sein. Es sei anzustreben, kurzfristige Inlandskredite[1510] gegen Warendeckung herzugeben. Dazu bedürfe es des Lagerscheinsystems und der Beleihung der Lagerscheine durch Finanzierung verbrauchsfertiger Waren. Auf diese Weise könnte der ausländische Kredit weitgehend ersetzt werden. Die Beleihung könne zu 70% des Werts erfolgen. Die Lombardierung müsse an einen bestimmten Zeitraum gebunden sein, die sich nach dem Verbrauch richtete und nicht prolongiert werden könnte.

Eine Differenzierung des Diskontsatzes der Reichsbank möchte in Erwägung gezogen werden. Die Sätze müßten sich an die Dauer des Produktionsvorganges anpassen. Die Höhe müßte also im Verhältnis zu dem Produktionszeitraum stehen.

Geheimrat SchmitzSchmitz trat dafür ein, daß das Kreditvolumen ohne Inflationserscheinungen erweitert wird und hoffte auf langfristige Kredite.

Auch Dr. SilverbergSilverberg hielt es für notwendig, reale Werte zu realisieren. Eine vorübergehende Inflation dürfe keine Dauererscheinung werden8.

8

Schäffer notierte folgende Äußerungen Silverbergs: „Meine Mobilisierungsvorschläge führen genau zu dem gleichen Ergebnis wie Warmbolds Vorschläge, das ist auch nur das, was Länder mit alter finanzieller Kultur längst gemacht haben. Es ist aber ganz klar, daß man eine ausgesprochene Deflation nur mit Mitteln bekämpfen kann, die wie eine Inflation aussehen. Man muß nur verhüten, daß die inflatorischen Dinge dauernd werden“ (IfZ ED 93, Bd. 13, Bl. 545).

Dr. VöglerVögler machte einen Unterschied zwischen der Mobilisierung der Schulden von Gemeinden und der Warenwerte nach dem Vorschlage Warmbold. Für die Angleichung der Löhne und Gehälter und des ganzen Wirtschaftslebens an die Leistungsfähigkeit sei der Zeitpunkt noch nicht gekommen.

Der Reichskanzler hielt es ebenfalls für fraglich, ob dieser Zeitpunkt jetzt bereits gekommen sei. Er maß den Vorschlägen von Warmbold besondere Bedeutung bei und betonte erneut, daß auf absehbare Zeit von einer langfristigen Anleihe des Auslandes an Deutschland nicht die Rede sein könne. Würde auf Angebote eingegangen, so würde das die Lösung des Reparationsproblems unmöglich machen. Er würde jede Mitwirkung ablehnen9.

9

Vgl. Schäffers Aufzeichnung: „Kanzler: Was die endgültige Adjustierung angeht, so kann man nicht sagen, ob der Zeitpunkt schon da ist. Schmitz sagt, daß letzten Endes die Dinge auf eine ausländische Kapitalzufuhr hintreiben. Aber ich muß immer wiederholen, daß in absehbarer Zeit auf eine langfristige Anleihe nicht zu rechnen ist. Würden wir auf eine langfristige Anleihe jetzt losgehen, so würden wir (die Lösung der) die Reparationsfrage unmöglich machen und die gleichen Fehler machen wie im Jahre 1929. Das mache ich nicht mit“ (IfZ ED 93, Bd. 13, Bl. 546).

Die Entwicklung werde automatisch kommen. Er habe sich in London nicht auf irgendeine Form der Vermehrung des Kapitals festgelegt und nicht von langfristiger Anleihe gesprochen. Allerdings werde Deutschland mit dem gegenwärtigen Kapitalsumlauf nicht auskommen können. Ein Teil der zurückgezogenen Kredite müsse zurückkehren. Die Verhandlungen wurden dann geschlossen.

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