1.253.2 (bru2p): 2. Fortsetzung der Beratung über den Entwurf einer dritten Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen.

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[1802]2. Fortsetzung der Beratung über den Entwurf einer dritten Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen.

Haushaltsaufstellung.

Der Reichsminister der Finanzen erläuterte den Entwurf der nachstehenden Bestimmung:

„Die Reichsregierung wird ermächtigt, einen Plan aufzustellen, nach dem vorbehaltlich der Feststellung eines Reichshaushaltsplans durch Gesetz die Einnahmen und Ausgaben des Reichs für die Zeit vom 1. April 1932 bis 30. Juni 1932 zu verwalten sind. Der Plan ist dem Reichstag und dem Rechnungshof des Deutschen Reichs mitzuteilen3.“

3

S. die 3. NotVO zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen und zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen vom 6.10.31, 3. Teil, Kapitel VI (RGBl. I, S. 551 ).

Die Debatte führte zu einer Erörterung über die Etat- und Kassenlage im Reich, Ländern und Gemeinden, die den Reichskanzler veranlaßten, die Sitzung für kurze Zeit zu unterbrechen, um mit dem Reichsminister der Finanzen unter Zuziehung des Reichsbankpräsidenten Dr. Luther gesondert weiterzuverhandeln4.

4

StS Schäffer notierte in seinem Tagebuch über diese Besprechung: „Ich lege dar:

Wir haben:

zur Deckung hierfür sowie für die Randsiedlung (120 Millionen) stehen zur Verfügung: a) 200 Millionen Vorzugsaktien; b) Prägegewinn.

Der Reichsbankpräsident will weder den Prägegewinn noch Vorzugsaktien als Etatdeckung gelten lassen. Kanzler spricht sich (nach meinem Weggang) für die Vertagung der Frage bis nach dem Reichstag aus. (Andere Möglichkeiten:) Erhöhung der Umsatzsteuer und/ oder der Krisenlohnsteuer“ (IfZ ED 93, Bd. 14, Bl. 897–898).

Nach Wiederaufnahme der Sitzung wurde die Aussprache über diesen Punkt nicht fortgesetzt.

Lichtspielgesetz.

Auf Vorschlag des Reichsministers des Innern erteilte das Reichskabinett seine Zustimmung dazu, daß das Lichtspielgesetz in folgender Weise geändert wird5.

5

Vgl. dazu Dok. Nr. 502.

1.

Im § 1 Abs. 2 Satz 2 wird hinter den Worten „geeignet ist“ eingefügt „lebenswichtige Interessen des Staates oder“6.

2.

[1803]4 Abs. 1 erhält folgende Fassung:

Die Zulassung eines Bildstreifens kann auf Antrag des Reichsministers des Innern oder einer obersten Landesbehörde durch die Oberprüfstelle für das Reich oder ein bestimmtes Gebiet widerrufen werden, wenn sich nachträglich ein Versagungsgrund im Sinne der §§ 1, 3 ergibt. Die den Widerruf beantragende Stelle kann die weitere Vorführung des Bildstreifens bis zur Entscheidung der Oberprüfstelle untersagen7.

6

§ 1 Abs. 2 des Lichtspielgesetzes vom 12.5.20 (RGBl. I, S. 953 ) lautete: „Die Zulassung eines Bildstreifens erfolgt auf Antrag. Sie ist zu versagen, wenn die Prüfung ergibt, daß die Vorführung des Bildstreifens geeignet ist, die öffentliche Ordnung oder Sicherheit zu gefährden, das religiöse Empfinden zu verletzen, verrohend oder entsittlichend zu wirken, das deutsche Ansehen oder die Beziehungen Deutschlands zu auswärtigen Staaten zu gefährden. Die Zulassung darf wegen einer politischen, sozialen, religiösen, ethischen oder Weltanschauungstendenz als solcher nicht versagt werden. Die Zulassung darf nicht versagt werden aus Gründen, die außerhalb des Inhalts der Bildstreifen liegen.“

7

Die bisherige Fassung des § 4 Absatz 1 des Lichtspielgesetzes lautete: „Die Zulassung eines Bildstreifens kann auf Antrag einer Landeszentralbehörde durch die Oberprüfstelle für das Reich oder ein bestimmtes Gebiet widerrufen werden, wenn das Zutreffen der Voraussetzungen der Versagung (§§ 1, 3) erst nach der Zulassung hervortritt“ (RGBl. 1920, S. 954 ).

Die Änderung soll als § 6 in das Kapitel „Bekämpfung politischer Ausschreitungen“ aufgenommen werden8.

8

S. die 3. NotVO zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen und zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen vom 6.10.31, 7. Teil, § 6 (RGBl. 1931 I, S. 567 ).

Beamtenbesoldung und Pensionskürzung.

Staatssekretär Dr. SautterSautter wiederholte seinen Widerspruch gegen den bereits in einer früheren Sitzung des Reichskabinetts zur Erörterung gestellten Entwurf besoldungsrechtlicher Bestimmungen, durch die eine Aufrückungssperre in den Dienstaltersstufen vorgesehen ist9. In gleichem Sinne äußerte sich auch der Reichswehrminister.

9

S. Dok. Nr. 483 und Dok. Nr. 468, Anm. 2.

Der Reichsminister der Finanzen erwiderte, daß ohne diese Aufrückungssperre der übrige Inhalt seiner Vorlage über besoldungsrechtliche Bestimmungen so erheblich an Bedeutung verliere, daß er sich überlegen müsse, auch den übrigen Teil der Vorlage zurückzuziehen.

Zur Frage der Pensionskürzung10 trug Staatssekretär Dr. MeissnerMeissner vor, daß der Herr Reichspräsident auf eine befriedigende Erledigung dieser Vorlage größtes Gewicht lege. Er habe den Hern Reichspräsidenten über die bestehenden Meinungsverschiedenheiten unterrichtet und der Herr Reichspräsident habe demgegenüber den lebhaften Wunsch, daß eine Einigung im Reichskabinett zustande kommen möge.

10

S. hierzu Dok. Nr. 493.

Der Reichsarbeitsminister führte aus, daß nach seiner Meinung der Eindruck, den die Notverordnung in der Öffentlichkeit hervorrufen werde, sehr schlecht ausfallen werde. Wenn nicht einmal die Pensionsfrage in ihr erledigt sei, werde man sicherlich keine Ruhe schaffen; insbesondere befürchte er Proteste von seiten der Kriegsbeschädigten, die sich dagegen wenden würden, daß man ihre Bezüge gekürzt habe, die der hohen Militärpensionäre jedoch unangetastet lasse.

Der Reichskanzler erklärte, daß es auch nach seiner Überzeugung nicht gut angehe, die Regelung der Pensionskürzung aus der Verordnung herauszulassen.

Er befürchte auch, daß sich der Reichstag mit der Frage ganz besonders befassen werde, wenn die Reichsregierung von sich aus eine Neuregelung[1804] unterlasse. Die Lösung des Reichstags werde möglicherweise sehr radikal ausfallen und der Herr Reichspräsident würde alsdann in die höchst unerwünschte Lage kommen, zu entscheiden, ob er seinen Namen unter dieses radikale Gesetz des Reichstags setzen wolle.

Der Reichswehrminister erklärte sich bereit, an einer Verständigung über die Meinungsverschiedenheiten mitzuarbeiten.

Staatssekretär Dr. MeissnerMeissner unterstützte die vom Reichswehrminister vorgeschlagene Fassung des § 4, der zufolge die Kürzung der Pensionsbezüge von 80 auf 75% für die Wehrmacht, erst nach Erreichung des 65. Lebensjahres eintreten würde. Bezüglich des § 6 kam es zu einer Annäherung der bisher gegensätzlichen Auffassungen im Reichskabinett11. Beschlüsse wurden jedoch nicht gefaßt.

11

Die Vorlage des RWeM vom 26.9.31 befindet sich in R 43 I /2608 , Bl. 321–322. Neben der Neufassung des § 4 hatte der RWeM einen Absatz 2 a des §  6 vorgeschlagen, wonach bei einer Dienstzeit von mindestens 35 Jahren eine Pensionskürzung nicht eintreten sollte.

Die Weiterberatung wurde vielmehr auf die nächste Sitzung vertagt. Bis dahin sollen neue Formulierungen vorgelegt werden.

Der Reichskanzler veranlaßte eine vorläufige Abstimmung in der Frage der Aufrückungssperre. Der Antrag des Reichsministers der Finanzen wurde mit 5 gegen 3 Stimmen angenommen. Der Herr Reichskanzler erklärte jedoch, daß er die Abstimmung wiederholen lassen werde, da das Kabinett bei der Abstimmung nicht voll besetzt war12.

12

Zur weiteren Beratung der Beamtenbesoldung und Pensionskürzung s. Dok. Nr. 507.

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