1.256.1 (bru2p): Zweite Lesung des Entwurfs einer dritten Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen.

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Zweite Lesung des Entwurfs einer dritten Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen.

Pensionskürzung.

Der Reichsarbeitsminister kam zu Beginn der Sitzung auf die Abstimmung in der Vormittagssitzung zum Kapitel „Pensionskürzung“ zurück1. Er erklärte, daß er bei der Abstimmung davon ausgegangen sei, daß im § 3 des Kapitels Pensionskürzung2 die 80%-Grenze nur für die Angehörigen der Wehrmacht aufrechterhalten worden sei, nicht aber für die Gesamtheit aller Beamten, die vor Erreichung des 65. Lebensjahres in den Ruhestand treten. Er wolle den Beschluß zwar nicht anfechten, aber er müsse doch darauf hinweisen, daß er unter diesen Umständen kaum in der Lage sein werde, die Sozialversicherung grundlegend zu ändern.

1

S. Dok. Nr. 507.

2

S. Dok. Nr. 507, Anm. 3.

Der Reichskanzler wies demgegenüber darauf hin, daß neben den Angehörigen der Wehrmacht doch nur ein ganz kleiner Teil politischer Beamter in die Neuregelung miteinbegriffen worden sei. Die große Mehrzahl der vor Erreichung des 65. Lebensjahres in den Ruhestand tretenden politischen Beamten falle nicht unter die Ausnahmeregelung, da eine Dienstzeit von 40 Jahren gefordert werde und im übrigen die Vorschriften über die Verkürzung des Ruhegeldes der Doppelverdiener eingeführt sei.

Auf Grund der Aussprache stellte der Reichskanzler fest, daß es bei dem früheren Beschlusse zur Sache verbleibt.

Hauszinssteuer.

Der Reichsarbeitsminister erklärte, daß ihm die in erster Lesung beschlossene Gestaltung des Kapitels Geldentwertungsausgleich bei bebauten Grundstücken nicht gefalle3, weil die Neuregelung nichts über die zukünftige Gestaltung der Hauszinssteuer enthalte. Eine Entscheidung über den Weg ins Freie sei nicht gefallen. Dann aber könne man auch auf dem Gebiet der Wohnungszwangswirtschaft im gegenwärtigen Augenblick nichts bringen. Die Frage der Änderung der Wohnungszwangswirtschaft sei erst dann zur Entscheidung[1810] reif, wenn man im Rahmen des Gesamtwirtschaftsprogramms über die künftigen Einkommens- und Preisverhältnisse Beschluß fasse.

3

S. Dok. Nr. 501, P. 2.

Der Reichskanzler erwiderte, daß in der Verlautbarung zur Notverordnung ganz klar ausgesprochen werden solle, daß es sich bei der vorliegenden Notverordnung nur um eine Teillösung handle, der das Wirtschaftsprogramm der Reichsregierung nachfolgen müsse, und daß ferner eingehend dargelegt werden solle, warum jetzt noch keine Endlösung in der Hauszinssteuerfrage gebracht werden könne, daß man aber zusammen mit dem Wirtschaftsprogramm diese Endlösung herbeiführen werde4. Das Kapitel Hauszinssteuer in der in erster Lesung beschlossenen Fassung jetzt ganz aus der Notverordnung herauszunehmen, gehe schon aus dem Grunde nicht an, weil der Herr Reichspräsident über die Grundzüge der Notverordnung unterrichtet sei und dieser sich damit einverstanden erklärt habe.

4

Vgl. die Verlautbarung der RReg. in Schultheß 1931, S. 218–223, hier S. 220.

Der Reichskanzler stellte fest, daß demzufolge das Kapitel Hauszinssteuer in der Notverordnung aufrecht erhalten wird5. Der Entwurf des Kapitels über die Änderungen der Wohnungszwangswirtschaft wurde jedoch ausgeschieden, da der Reichsarbeitsminister seine Vorlage zu diesem Kapitel zurückzog.

5

S. die 3. NotVO zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen und zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen vom 6.10.31, 4. Teil, Kapitel I (RGBl. I, S. 551 ).

Überschrift der Notverordnung.

Auf Vorschlag von Staatssekretär Zweigert beschloß das Reichskabinett, dem Verordnungsentwurf folgende Überschrift zu geben:

Dritte Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen und zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen.

Der Teil der Bekämpfung politischer Ausschreitungen soll an den Schluß der Notverordnung gesetzt werden6.

6

7. Teil der 3. NotVO zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen […] vom 6.10.31 (RGBl. I, S. 566 ).

Das Reichskabinett nahm sodann in gekürzter Form eine zweite Lesung des Gesamtentwurfs der neuen Verordnung vor. Dabei wurde zu den einzelnen Kapiteln folgendes beraten:

Dritter Teil, Kapitel I. Aufnahme von Anleihen und Darlehen durch Gemeinden.

Ministerialdirektor von KrosigkKrosigk wies darauf hin, daß der Inhalt dieses Kapitels durch die Vorschriften des Kapitels Sparkassen und Girokassen, kommunale Kreditinstitute und Giroverbände sowie Girozentralen, sowie durch die Vorschrift des Kapitels über die Umschuldung kurzfristiger Schulden von Ländern und Gemeinden im wesentlichen gegenstandslos geworden sei und daß man daher auf das Kapital wohl verzichten könne. Eine gewisse Bedeutung komme dem Kapitel wohl nur noch insofern zu, als es dem Auslande gegenüber den Willen der Reichsregierung zur Überwachung der Finanzgebarung der Gemeinden klar dokumentiere.

Das Kabinett beschloß, mit Rücksicht auf diese Wirkung gegenüber dem Ausland das Kapitel aufrecht zu erhalten7.

7

RGBl. 1931 I, S. 543 .

[1811] Vierter Teil, Kapitel II. Vorstädtische Kleinsiedlung8.

8

RGBl. 1931 I, S. 551 .

Die in § 9 des Kapitels zu regelnde Frage der Unterstellung des Reichskommissars unter den Reichskanzler oder den Reichsarbeitsminister blieb einstweilen offen. Ihre Erledigung wurde einer Chefbesprechung vorbehalten9.

9

Der Rkom. für die vorstädtische Kleinsiedlung wurde dem RK unterstellt.

Fünfter Teil, Kapitel III. Herabsetzung übermäßig hoher Dienstvergütungen.

Das Kabinett erörterte die Frage, dieses Kapitel aus der Verordnung auszuscheiden und es dem, wegen seines inneren Zusammenhangs mit der Frage der Neugestaltung der Lohntarife, in Aussicht genommenen Wirtschaftsprogramm vorzubehalten.

Staatssekretär JoëlJoël empfahl jedoch am Schluß der Aussprache, das Kapitel bestehen zu lassen, da über seinen Inhalt durch Indiskretionen – allerdings falsche – Mitteilungen in die Öffentlichkeit gelangt seien, denen man durch Bekanntgabe der wirklichen Pläne der Reichsregierung begegnen müsse10.

10

S. RGBl. 1931 I, S. 557 .

Vierter Teil, Kapitel I. Geldentwertungsausgleich bei bebauten Grundstücken11.

11

RGBl. 1931 I, S. 551 .

Zu diesem Kapitel stellte der Reichsarbeitsminister den Antrag, dem § 1 folgenden Absatz 5 hinzuzufügen:

„(5) Soweit die Gebäudeentschuldungssteuer nach den Landesbestimmungen mit Rücksicht auf die Hilfsbedürftigkeit der Mieter zu stunden und niederzuschlagen ist, haben die Landesregierungen zu bestimmen, in welcher Weise die Auswirkungen der Steuersenkung auf Grund von Abs. 1 für hilfsbedürftige Mieter unter Mitwirkung der Fürsorgeverbände auszugleichen sind. Sie haben hierfür die erforderlichen Mittel aus der Gebäudeschuldungssteuer zur Verfügung zu stellen.“

Staatssekretär WeismannWeismann äußerte sich diesem Antrag gegenüber besorgt darüber, daß den Ländern neue Lasten entstehen könnten, für die ihnen ein Ersatz nicht gewährt werde.

Auf Vorschlag des Reichskanzlers wurde der Absatz in der Weise abgeändert, daß es heißt „… haben die Landesregierungen zu bestimmen, ob und in welcher Weise …“12.

12

S. die 3. NotVO zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen […] 4. Teil, Kapitel I, § 4 vom 6.10.31 (RGBl. I, S. 551 ).

Wirtschaftsfragen.

Staatssekretär TrendelenburgTrendelenburg berichtete über die Ressortberatungen wegen der Wünsche, die aus Wirtschaftskreisen, insbesondere vom Reichsverband des deutschen Einzelhandels, für die neue Notverordnung vorgebracht worden waren.

Eine Herabsetzung der Pfändungsgrenze hielt er zur Zeit nicht für zweckmäßig. Sie möchte bei dem endgültigen Wirtschaftsprogramm vorgesehen werden. Ähnliches gelte von dem Vorschlage, bei Streitigkeiten über die Höhe der[1812] Miete für gewerbliche Räume ein Schlichtungsverfahren einzuführen. Auch die Änderung der Gewerbeordnung, Vereinfachung des Verfahrens bei der Genehmigung lästiger Anlagen, würde sich wohl kaum für die Aufnahme in die neue Notverordnung eignen. Dasselbe gelte für den Wunsch des Handwerks, die Schwarzarbeit zu verbieten und die Pläne Württembergs gegen Einheitspreisgeschäfte und ähnliche Unternehmungen.

Der Reichskanzler schloß sich dieser Auffassung an.

In einer anschließenden Ministerbesprechung führte er dann folgendes aus:

Die öffentliche Sitzung des Reichsrats sei abgesagt worden. Die Presse solle zu der Besprechung mit den Ministerpräsidenten nicht zugelassen werden. Ein Kommuniqué über die Reden, die gehalten werden, sei vorzubereiten. Durch die Verlegung der Sitzung in die Reichskanzlei würden Indiskretionen erschwert. Es sei der Wunsch des Reichspräsidenten, daß es sich um eine Konferenz der Ministerpräsidenten handeln solle. Darum sei die Sitzung in eine solche der Vereinigten Ausschüsse des Reichstags umgewandelt worden, die nicht öffentlich sei13.

13

S. Dok. Nr. 509.

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