1.34.1 (bru2p): 1. Handelsvertragsverhandlungen mit Rumänien.

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1. Handelsvertragsverhandlungen mit Rumänien.

Ministerialdirektor RitterRitter stellte die deutsch-rumänischen Verhandlungen in Zusammenhang mit der allgemeinen Wirtschaftspolitik gegenüber dem Südosten Europas. Diese Politik sei zunächst zurückhaltend betrieben worden, um die Verhältnisse mit den westlichen Staaten vordringlich zu bereinigen. Der Schlußstein sei in dem Vertrag mit Frankreich 1927 gelegt worden1.

1

Dt.-frz. Handelsvertrag vom 17.8.27 (RGBl. II, S. 523 ).

Für den Osten habe die Tatsache hemmend gewirkt, daß auf landwirtschaftlichem Gebiet im allgemeinen keine Zugeständnisse gemacht werden konnten. Jetzt fühlten sich die Länder durch weitere Zollerhöhungen auf Grund des Ermächtigungsgesetzes bedroht. Allerdings könnten ihnen durch Getreidepräferenzen Vorteile in Aussicht gestellt werden.

Besondere Schwierigkeiten bereite die Veterinärgesetzgebung. Würde sie in der bisherigen Weise aufrechterhalten, so könne keine aktive und zielbewußte Handelspolitik nach Südosten betrieben werden.

Bis 1926 seien aus den 12 Ländern östlich der Grenze des Reiches Vieh und Fleisch eingeführt worden. Die Veterinäre der Länder hätten dann beschlossen, diese Einfuhr grundsätzlich zu sperren, die zuständigen Reichsressorts hätten hierzu keine Stellung genommen trotz der weittragenden Folgen des Beschlusses.

Dieser Beschluß könne nicht in vollem Umfange aufrechterhalten werden.

In Vorverhandlungen der Ressorts sei mit dem Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft über Einzelfragen eine Einigung erzielt worden, auch über die Holzeinfuhr2. Rumänien müsse ein Viehkontingent zugestanden werden im Ausmaße des schwedischen, zumal es sich um die Einfuhr ausschließlich aus Siebenbürgen, also aus einem Gebiet mit deutschstämmiger Bevölkerung[1034] handele. Ein deutscher Veterinär solle dort die Gesundheitsatteste ausstellen, ohne die das Vieh nicht zur Einfuhr zugelassen würde3.

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Der RAM hatte der Rkei am 28.2.31 eine Kabinettsvorlage über die Einleitung von Handelsvertragsverhandlungen mit Rumänien und Ungarn zugeleitet, in der eine Übersicht über den Stand der Beratungen der beteiligten Ressorts enthalten war (R 43 I /1113 , Bl. 71 bis 76). Der REM hatte in einem Schreiben vom 24.4.31 seine Zustimmung zur Holzeinfuhr von einer Einigung über den Holzzoll mit Schweden abhängig gemacht (R 43 I /1113 , Bl. 97 bis 99).

3

In einem Schreiben vom 23.4.31 hatte der RAM u. a. mitgeteilt, daß Rumänien die Einfuhrbewilligung für jährlich 30 000 Rinder, 250 000 Schweine, 8000 t Schweinefleisch und 6000 t Rindfleisch nach Dtld.fordere. Das AA halte ein Einfuhrkontingent von 6000 Rindern, das dem Kontingent des dt.-schwedischen Abkommens vom 30.11.29 (RGBl. 1930 II, S. 3 ) entspreche, für tragbar. Ein dt. Veterinär müsse die Rinder in Rumänien seuchenpolizeilich untersuchen. Diese seuchenpolizeilichen Maßnahmen hielten das RIMin., das REMin. und die Veterinärverwaltungen der Länder für unzureichend (R 43 I /1113 , Bl. 90–95). Vgl. auch Dok. Nr. 308, Anm. 3.

Die Einfuhr würde für Deutschland bei einem Gesamtbestande von 17 Millionen Stück unerheblich sein, auch wenn sich Ungarn mit Erfolg darauf berufen würde. Anderen Ländern gegenüber werde auf die veterinärpolizeilichen Abmachungen hinzuweisen sein, die gewiß von diesen abgelehnt würden. Träfe diese Voraussetzung nicht zu, so müßten neue Verhandlungen mit Rumänien für diesen Fall vorbehalten werden.

Die Entscheidung sei dringlich, weil die deutsche Delegation in nächster Zeit nach Bukarest abreisen müsse. Der Vertrag soll, wenn irgend möglich, bis 15. Mai geschlossen sein4. Ohne eine Verständigung wegen der Vieheinfuhr sei ein Abschluß nicht möglich.

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Am 16.5.31 begann in Genf die Tagung der Europäischen Studienkommission. Die dt. Delegation unter MinDir. Posse, die sich auf dem Weg nach Bukarest befand, wurde durch eine Intervention des rumänischen Außenministers Ghika an der polnisch-rumänischen Grenze gezwungen, umzukehren (Telegramm Nr. 4 vom 3.5.31, R 43 I /1113 , Bl. 109–110). Der dt.-rumänische Handelsvertrag wurde am 27.6.31 unterzeichnet (WTB Nr. 1347 vom 27.6.31 in R 43 I /1113 , Bl. 124).

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft bat, die Entscheidung wegen des Holzkontingents bis zum Abschluß der deutsch-schwedischen Verhandlungen über die Aufhebung der Zollbindung für Schnittholz auszusetzen. Die Verhandlungen würden im Laufe der Woche abgeschlossen. Schweden fordere eine Herabsetzung des Zellstoffzolles, die nicht zugestanden werden könne; andernfalls käme statt des Holzes das Halbfabrikat herein5. Er bat, von neuen handelspolitischen Bindungen auf dem Gebiete der Holzeinfuhr abzusehen. Die Forstwirtschaft würde sie als gegen sie gerichtet empfinden.

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Die dt.-schwedischen Verhandlungen wurden am 28.4.31 abgebrochen, da Schweden der Aufhebung der Bindung der Schnittholzzölle nur dann zustimmen wollte, wenn Dtld.die Zölle für Sperrholz und Zellstoff weiter ermäßige (Vermerk Feßlers vom 28.4.31, R 43 I /1114 , Bl. 166). Neue Verhandlungen wurden im Frühjahr 1932 aufgenommen.

Nach längerer Aussprache über die Formulierung der Instruktion für den Delegationsführer, bei der der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft auf die Notlage des deutschen Waldbesitzes hinwies und befürchtete, daß die Forstwirtschaft durch jede Bindung hinsichtlich der Holzeinfuhr auf das schwerste beunruhigt würde, wurde beschlossen, die Bestimmung über ein Holzkontingent in einem geheimen Schlußprotokoll niederzulegen. Die Delegation wird ermächtigt, die Bestimmung dahin zu fassen, daß die Deutsche Reichsregierung bereit ist, den Rumänen ein Kontingent von 100 000 t für Holz der Tarif-Nr. 76 zum Zollsatz von 1 RM zuzugestehen, falls der schwedische Zollsatz während der Dauer des Rumänen-Vertrages wegfällt.

Zur Frage der Einfuhr von Rindern aus Rumänien führte Ministerialdirektor RitterRitter aus, die Seuchenlage sei dort teilweise besser als in Deutschland.[1035] Akute Bedenken beständen nicht. Der deutsche Veterinär, der nach Siebenbürgen gehe, könne jederzeit die Sperre veranlassen. Auch mit Ungarn wäre ein Vertragsschluß ohne Zugeständnisse hinsichtlich der Einfuhr von Schweinen unmöglich. Auch Jugoslawien werde bei den bevorstehenden Verhandlungn wegen der Bindung des Eierzolles Forderungen in dieser Richtung stellen.

Der Reichsminister des Innern bat, auf jeden Fall zu den Verhandlungen Veterinärsachverständige zuzuziehen.

Ministerialdirektor DammannDammann führte im Anschluß daran aus, die Einfuhr sei auch für die Frage der Seegrenzschlachthäuser bedeutsam. Als diese errichtet wurden, sei erklärt worden, daß sie allein für die Einfuhr von Vieh in Frage kämen. Mit Entschädigungsforderungen der Länder an das Reich sei nun zu rechnen, wenn die Einfuhr über die trockene Grenze gestattet würde.

Die Durchführung der Veterinärpolizei sei Ländersache und könne nicht durch Verträge festgelegt werden. Die Veterinärreferenten der Länder, die gehört worden seien, hätten jede Verantwortung für Zugeständnisse auf diesem Gebiete abgelehnt.

Ministerialdirektor Dr. PossePosse erklärte, die Beschränkung des Einfuhrkontingents auf bestimmte Sorten, die nur aus Siebenbürgen eingeführt werden könnten, wäre leicht zu erreichen. Die Veterinäre hätten aber darauf keinen besonderen Wert gelegt.

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft fand sich schließlich mit Verhandlungen über ein zollbegünstigtes Kontingent für Rinder unter der Voraussetzung ab, daß bei Vertragsschlüssen den veterinärpolizeilichen Erfordernissen nach Möglichkeit Rechnung getragen wird. Um dies sicherzustellen, beschloß das Kabinett, der Delegation zwei Veterinärsachverständige beizuordnen. Auf der Forderung, daß zuvor ein Schweinezoll von 40 RM und die Wiedereinführung von Einfuhrscheinen beschlossen würde, bestand er nicht weiter.

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft betonte wiederholt, daß als Ausgleich hierfür die Schaffung der Einfuhrscheine für Rinder unbedingt erforderlich sei. Dieser Auffassung wurde nicht widersprochen, wobei jedoch zur Vermeidung von Mißverständnissen zu bemerken ist, daß der Reichsminister der Finanzen dem Reichskabinett seine abweichende Ansicht schon vorher mehrfach mitgeteilt hatte.

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