2.84.1 (lut1p): Amnestie.

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Die Kabinette Luther I und II (1925/26), Band 1.Das Kabinett Luther I Bild 102-02064Reichspräsident Friedrich Ebert verstorben Bild 102-01129Hindenburgkopf Bild 146-1986-107-32AStresemann, Chamberlain, Briand Bild 183-R03618

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Amnestie.

Der Reichskanzler Bei seinem letzten Besuch in Hannover habe er mit dem Reichspräsidenten von Hindenburg die Frage einer Amnestie besprochen und bei ihm eine grundsätzliche Geneigtheit für Gewährung einer Amnestie gefunden, trotz allerdings vorhandener gewisser ernster Bedenken1.

1

Über den Besuch Luthers bei Hindenburg fanden sich Aufzeichnungen nicht in den Akten der Rkei.

Mit dem Preußischen Ministerpräsidenten Braun habe er in der Frage der Amnestie noch nicht Fühlung nehmen können, dagegen habe er in München mit dem Ministerpräsidenten Held über diese Frage gesprochen. Dieser sei anscheinend grundsätzlich dem Gedanken einer Amnestie geneigt.

Staatssekretär Joel: Er habe über die Frage der Amnestie vorgestern (9. V.) eine Besprechung mit einem Herrn der Reichskanzlei2 gehabt und wolle nur noch u. a. darauf hinweisen, daß Präsident Löbe ihn gefragt habe, ob ein Amnestiegesetz eingebracht werde3. Es habe ferner der Reichstagsabgeordnete Lohmann die gleiche Frage gestellt4. Beiden habe er geantwortet, daß er die Frage nicht beantworten könne. Man müsse sich darüber klar sein, daß die[281] Kommunisten Amnestie u. a. für die aus Anlaß des Hamburger Aufstandes begangenen Straftaten verlangten, ferner wegen der Straftaten, die während der Inflationswirren begangen worden seien.

2

Gemeint ist RegR Wienstein, der über diese Besprechung unter dem gleichen Datum eine längere Aufzeichnung angefertigt hat (R 43 I /1242 , S. 303-305).

3

Bei seiner Besprechung mit Wienstein (s. Anm. 2) hatte sich Joel hierzu noch wie folgt geäußert: Löbe habe ihm gegenüber durchblicken lassen, „daß die Kommunisten bei der Vereidigung des neuen Reichspräsidenten am Dienstag, dem 12. Mai, sich ruhig verhalten würden, wenn man ihnen in der Amnestiefrage entgegenkomme. Auch er (StS Joel) glaube, daß ein Entgegenkommen auf dem Gebiete der Amnestie die Kommunisten zu einem ruhigen Verhalten am Dienstag bewegen könne. Für diesen Fall sei jedoch eine Pressenotiz erforderlich, die spätestens am Montag, dem 11. Mai, erscheinen müsse.“

4

Dieser Satz so formuliert gemäß Verfügung der Rkei vom 25. 5. Gestrichen wurde der ursprünglich hinter dem Wort Lohmann folgende Passus: „im Auftrage eines namentlich nicht bezeichneten Herrn der Kommunistischen Partei“ (R 43 I /1242 , S. 341). – Lohmann ist Abg. der DNVP.

Der Reichskanzler Es handele sich vor allem jetzt um die Entscheidung der Frage, ob man schon heute abend (11. V.) eine Pressenotiz über die Amnestie herausgeben solle oder erst später. Das Reichsjustizministerium schlage für den Fall, daß eine Pressenotiz herausgegeben werde, vor, dieser ungefähr folgenden Wortlaut zu geben:

Aus Anlaß der Übernahme des Amts des Reichspräsidenten durch den neugewählten Präsidenten von Hindenburg prüfe die Reichsregierung zur Zeit die Frage des Erlasses eines umfassenden Amnestiegesetzes. Die Entschließung der Reichsregierung werde möglichst beschleunigt.

Er sei der Ansicht, daß man am besten zunächst die Ministerpräsidenten der Länder, die am nächsten Freitag, dem 15. Mai, nach Berlin kämen, über die Frage höre und dann vielleicht eine Pressenotiz herausgebe. Der Zusammenhang der Amnestie mit dem Amtsantritt des Reichspräsidenten sei dann immer noch deutlich erkennbar. Man könne nicht gewissermaßen ein ruhiges Verhalten der Kommunisten bei der Vereidigung des neuen Reichspräsidenten mit einer Pressenotiz über Amnestie erkaufen wollen.

Der Reichsminister der Justiz Auch er widerrate dringend, jetzt eine Presseveröffentlichung herauszugeben. Selbst eine farblose Notiz werde von den Interessenten in ihrem Sinne ausgelegt werden.

Der Reichsarbeitsminister sprach sich gleichfalls gegen eine am Montag, dem 11. Mai, erscheinende Pressenotiz über Amnestie aus.

Das Kabinett beschloß demgemäß, am Montag, dem 11. Mai, keine Pressenotiz in der Amnestiefrage erscheinen zu lassen. Die Frage der Amnestie soll am Freitag, dem 15. Mai, in der Besprechung mit den Ministerpräsidenten der Länder erörtert werden5.

5

Auf Wunsch der Staats- und Ministerpräsidenten der Länder, die der RPräs. anläßlich seines Amtsantritts am 15. 5. empfängt, wird eine solche Besprechung nicht abgehalten. Statt dessen wird die Amnestiefrage auf Ersuchen Luthers während eines am gleichen Tage stattfindenden Frühstücks beim RPräs. durch StS Kempner mit den maßgeblichen Ländervertretern erörtert. Grundsätzliche Bedenken gegen eine Reichsamnestie werden dabei nicht erhoben, doch wird die Notwendigkeit eines paritätischen Vorgehens gegen rechts und links (Preußen, Sachsen, Hessen) sowie die Unantastbarkeit der Justizhoheit der Länder (Württemberg) besonders betont (Vermerke Pünders vom 14. und Kempners vom 15. 5. in R 43 I /1242 , S. 325-328).

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