2.26 (ma11p): Nr. 26 Der Vertreter der Reichsregierung in München an die Reichskanzlei. München, 15. Dezember 1923

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[115] Nr. 26
Der Vertreter der Reichsregierung in München an die Reichskanzlei. München, 15. Dezember 19231

1

Ein Durchschlag dieses Berichts geht an das Büro des RPräs., den RAM, den RIM, den RWeM und den Pressechef. Vgl. zum folgenden den Bericht Haniels vom 13. 12. (Dok. Nr. 22).

R 43 I /2264 , Bl. 347 f.

Inhalt: Der Fall Lossow.

Vertraulich!

Aus bester militärischer Quelle erfahre ich, daß durchwegs im hiesigen Offizierkorps, einschließlich des Generals von Lossow, das Verlangen nach vollständiger Beilegung des militärischen Konfliktes bestehe. Sei diese erfolgt, so sei auch Herr von Lossow anscheinend bereit, nach einer normalen Anstandsfrist freiwillig zurückzutreten, da er selbst das Gefühl habe, daß gerade im militärischen Leben ein Zusammenarbeiten ohne gegenseitiges Vertrauen nicht möglich sei.

Man scheint hier in militärischen Kreisen sich die Abwickelung des „Liquidierungsprozesses“ in der Weise zu denken, daß auf die in Aussicht stehende Denkschrift, in der die Bayerische Regierung ihre Wünsche der Reichsregierung gegenüber darlegt, die letztere baldigst eine Antwort gibt, in der eine wohlwollende Prüfung und ein tunlichstes Entgegenkommen in Aussicht gestellt wird. Daraufhin werde die Bayerische Regierung die Inpflichtnahme der bayerischen Truppen aufheben und das Kontingent dem Reiche wieder voll zur Verfügung stellen. Zugleich werde dann General von Lossow eine rückhaltlose Loyalitätserklärung an die Oberste Heeresleitung abgeben und, wie bereits oben erwähnt, nach einiger Zeit um seine Entlassung bitten. Es sei nicht ausgeschlossen, daß er auch bereits von diesem Zeitpunkt an auf Urlaub gehen werde.

Diese Entwickelung, die gerade in reichstreuen militärischen Kreisen als begrüßenswert und gangbar empfunden werde, sei – nach hiesiger Auffassung – durch gewisse Maßnahmen des Reichswehrministeriums allerdings empfindlich gestört und in Frage gestellt worden. Das Übergehen bayerischer Offiziere bei Beförderungen führe auf die Dauer unmögliche Zustände herbei. Man könne doch kaum die Masse des bayerischen Offizierkorps dafür strafen wollen, daß sie ihrem unmittelbaren Vorgesetzten den Gehorsam wahrte. Die Folge von alledem sei, daß im Schoße der Bayerischen Regierung, namentlich von ihren weißblau orientierten Mitgliedern, der Gedanke ernstlich erwogen werde, jene Beförderungen selbst vorzunehmen und nötigenfalls die Differenz des höheren Gehalts zu zahlen. Dies sei dann ein weiterer Schritt zur Erneuerung der vollen Kontingentshoheit, die als ehrlicher Deutscher niemand wünschen dürfe. Man könne es sich aber anderseits wieder nicht vorstellen, daß Differenzen mehr persönlicher und formaler Natur einer im Gange befindlichen sachlichen Regelung von ungeheurer Tragweite vorangestellt werden könnten, und hoffe[116] daher immer noch, daß auch von Berlin aus die Annäherung erleichtert werde und man nicht einen Kotau verlange, der hier alsdann schroff zurückgewiesen werden müsse und zu neuen politischen Verwickelungen führen werde.

Zu diesen Gedankengängen meines Gewährsmannes darf ich ergänzend hinzufügen, daß mir gerade auch aus pfälzischen Kreisen als besonderer Wunsch ans Herz gelegt worden ist, mich höheren Ortes doch wenigstens für die Einigung innerhalb der Reichswehr, deren Gefährdung gerade in den besetzten Gebieten deprimierend wirken müsse, nach Möglichkeit einzusetzen2.

2

Auf diesen Bericht antwortet der RK in einem Schreiben an Haniel vom 23. 12.: Bisher sei die in Aussicht gestellte bayer. Denkschrift noch nicht eingetroffen. „Die Frage der Beförderung von Offizieren in der bayer. Division drängt aber jetzt sehr, da sie bis zum 1. Januar eventuell gelöst sein muß, wenn nicht den Herren wenigstens für ein Vierteljahr das infolge einer Beförderung zu erwartende höhere Gehalt entzogen bleiben soll. Ich bin durchaus der Ansicht, daß in dieser Frage, wenn irgend möglich, in dem von Ihnen dargestellten Sinne vorgegangen werden soll. Der Herr RWeM kann die Beförderung angesichts der derzeitigen Lage der Dinge nicht gut vornehmen. Es müßte erst die Aufhebung der Inpflichtnahme der bayer. Truppen stattgefunden haben. Da die Zeit drängt, möchte ich Sie bitten, doch einmal bei der Bayer. Reg. auf die möglichst baldige Absendung der Denkschrift hinwirken zu wollen. Es wird dann aller Voraussicht nach eine entgegenkommende Antwort von hier aus umgehend erteilt werden, in der eine wohlwollende Prüfung der vorgetragenen Wünsche und die Bereitwilligkeit, darüber in Verhandlungen einzutreten, zum Ausdruck gebracht wird. Wenn die Denkschrift in den nächsten Tagen hier eintrifft, würde noch eine Erledigung vielleicht der ganzen Angelegenheit sich ermöglichen lassen.“ (R 43 I /2264 , Bl. 350).

Haniel

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