1.135.3 (ma12p): 3. Mittellandkanal. [Auslandskredite.]

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3. Mittellandkanal. [Auslandskredite.]

Ministerialdirektor Dr. Stapenhorst legte den Sachverhalt dar7. Er ging im einzelnen auf die Einwendungen gegen die geplante Finanzierung des Mittellandkanals ein und bat das Reichskabinett im Hinblick auf die große verkehrs- und volkswirtschaftliche Bedeutung dringend, dem Vorschlage des Reichsverkehrsministeriums zuzustimmen.

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Dem Kabinett liegt ein Schreiben des RVM vom 24. 10. vor, in dem dieser auf seinen früheren Antrag zurückkommt, das Kabinett möge der Aufnahme einer amerikanischen Anleihe zur Finanzierung des Baues des Mittellandkanals zustimmen (vgl. Dok. Nr. 293, P. 2). Inzwischen habe das dt. Bankenkonsortium, das die Anleihe vermitteln wolle, mitgeteilt, daß die Anleihe voraussichtlich nur bei einem Emissionskurs von 90% untergebracht werden könne. Der RFM habe nun den Abschluß des Anleihevertrages mit den Banken mit der Begründung abgelehnt, daß die Anleihebedingungen zu ungünstig seien, daß die erforderlichen Garantieerklärungen der Länder und Interessenten nicht vorlägen und daß ein besonderes Ermächtigungsgesetz zur Aufnahme der Anleihe notwendig sei. Der RVM widerspricht der Auffassung des RFM und beantragt die Herbeiführung einer Kabinettsentscheidung (R 43 I /2141 , Bl. 112-116).

Reichsminister der Finanzen Er habe bei dem ganzen Projekt zunächst das eine zu tadeln, daß keinerlei Garantieübernahme der Länder vorliege, nicht einmal von Preußen. Viel wichtiger aber sei noch der Umstand, daß die geplante Anleihe letzten Endes eine Gefahr für die Währung bedeuten werde. Man könne zur Zeit von einer wahren Kreditwut der öffentlichen Verbände sprechen. Der Staat Anhalt beabsichtige eine Anleihe in Höhe von 30 Millionen Mark aufzunehmen gegen Verpfändung von Staatseigentum. Von diesem Betrage sollten 10 Millionen M der Industrie kreditweise überlassen werden, 15 Millionen M sollten zum Bau von Wohnungen Verwendung finden, 5 Millionen M sollten zur Konsolidierung kurzfristiger Obligationen dienen. Allein der letztgenannte Verwendungszweck lasse sich allenfalls rechtfertigen. Bayern wolle produktive Erwerbslosenfürsorge mit Hilfe einer Anleihe treiben. Sachsen wolle eine Staatsgarantie für Wirtschaftskredite übernehmen. Zahllose Gemeinden ständen gleichfalls in Kreditverhandlungen mit dem Auslande, besonders mit Amerika. Es entstehe die außerordentliche Gefahr einer Kreditinflation. Das, was die Politik bezwecke, die man seit einiger Zeit befolge, nämlich das Ausland unmittelbar am Gedeihen der deutschen Wirtschaft, am Gedeihen des einzelnen Wirtschaftsbetriebes zu interessieren, werde auf diese Weise vollkommen außer acht gelassen. Es müsse erstrebt werden, daß der einzelne privatwirtschaftliche Betrieb vom Auslande unmittelbar Kredit erhalte. Wenn jedoch die Länder und Kommunen derartige Anleiheverträge abschlössen, so bedeute das die Hingabe sämtlicher öffentlicher[1152] Werte an das Ausland. Bei dieser Entwicklung sei ein Erfolg der Preissenkungsaktion der Regierung unmöglich. Er habe heute (31. 10.) in einer Besprechung mit Vertretern der Länder diese Fragen berührt und eindringlich vor den Gefahren der Aufnahme derartiger Anleihen durch die Länder gewarnt. Er habe auch den Eindruck gehabt, als wenn die meisten Länder sich seinen Darlegungen nicht verschlossen hätten; jedenfalls hätten die nicht bevollmächtigten Vertreter sich dahin verpflichtet, bis zum Donnerstag nächster Woche [6. 11.] keine entscheidenden Schritte mit dem Auslande zu unternehmen. Er wolle zu erreichen suchen, daß die Länder und Kommunen in den nächsten 3 Monaten überhaupt keinen ausländischen Kredit aufnähmen. Nur Anhalt scheine an seinem Anleiheplan festhalten zu wollen.

Nach seiner Auffassung müsse die Reichsregierung zur Zeit den Abschluß der Anleihe ablehnen, er halte es ferner für unbedingt erforderlich, daß das Reichskabinett ihn grundsätzlich ermächtige, an den Reichspräsidenten mit der Bitte heranzutreten, eine Verordnung auf Grund des Art. 48 der Reichsverfassung mit dem Inhalt zu erlassen, daß öffentliche Anleihen an die Genehmigung des Reichsministers der Finanzen gebunden seien. Die Formulierung des Entwurfs einer derartigen Verordnung bitte er dem Reichswirtschaftsminister und ihm zu überlassen.

Staatssekretär Krohne: Man dürfe nicht verkennen, daß der Kanalbau auch früher zu den Aufgaben des Staats gehört habe. Fraglos werde die Wirtschaft auch eine Stärkung und Belebung durch den Bau des Kanals erfahren.

Vizepräsident Kauffmann: Kredite, welche nicht unmittelbar der deutschen Industrie vom Auslande gegeben würden, müßten inflatorisch wirken. Auch er warne vor einer solchen Anleihe.

Staatssekretär Krohne: Wenn das Reichskabinett den Abschluß der Anleihe ablehne, dann müsse er auch ermächtigt werden, als Vorsitzender des Aufsichtsrats der Rhein-Main-Donau- und der Neckarkanal-Gesellschaft zu erklären, daß eine Bürgschaft des Reichs für diese Kanalbauten zur Zeit nicht in Frage komme.

Reichsminister der Finanzen Gegen diesen Standpunkt lasse sich nichts einwenden.

Staatssekretär Joel: Er wolle noch kurz auf die rechtliche Seite der Angelegenheit eingehen. Es handle sich um ein Kreditgesetz im Sinne des Art. 86 der Reichsverfassung. Er müsse es für außerordentlich bedenklich halten, vom Reichstage unter Darlegung der Lage Indemnitat zu erbitten. Die vom Reichsminister der Finanzen gewünschte Verordnung auf Grund des Art. 48 der Reichsverfassung halte er rechtlich für möglich, er empfehle jedoch, die Aufnahme öffentlicher Anleihen noch an die Zustimmung des Reichsrats zu knüpfen.

Gesandter Ritter: Er habe an sich vom Reichsminister des Auswärtigen den Auftrag, der Vorlage des Reichsverkehrsministers zuzustimmen. Er glaube jedoch, daß der Reichsminister des Auswärtigen, falls er die eben gemachten Darlegungen gehört hätte, der Vorlage nicht zustimmen würde.

[1153] Das Reichskabinett beschloß, der Finanzierung des Mittellandkanals im Sinne des vom Reichsverkehrsministerium gemachten Vorschlages zur Zeit nicht näherzutreten.

Der Reichsminister der Finanzen wurde ermächtigt, gemeinsam mit dem Reichswirtschaftsminister den Entwurf einer Verordnung auf Grund des Art. 48 der Reichsverfassung im Sinne der von ihm gemachten Ausführungen auszuarbeiten und sich an den Reichspräsidenten wegen des Erlasses einer derartigen Verordnung zu wenden8.

8

Bereits unter dem 1.11.24 wird eine „VO des RPräs. über Aufnahme von Auslandskrediten durch Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände“ auf Grund Art. 48 RV erlassen (RGBl. I, S. 726 ). Nach der VO bedürfen Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände zur rechtsgültigen Aufnahme von Auslandskrediten oder zur rechtsgültigen Begebung von Auslandsanleihen der Zustimmung des RFM; das gleiche gilt, wenn Länder, Gemeinden oder Gemeindeverbände für Auslandskredite Bürgschaften übernehmen oder Sicherheiten stellen (§ 1). Der RFM kann seine Zustimmung nur versagen, wenn der RR der Ablehnung zustimmt (§ 2). Der RFM kann mit Zustimmung des RR Durchführungsbestimmungen erlassen (§ 3). Die VO tritt am 31.1.25 außer Kraft (§ 4). Vgl. hierzu Luther, Politiker ohne Partei, S. 304 ff.; Netzband/Widmaier, Währungs- und Finanzpolitik der Ära Luther, S. 250 f.

Am 3. 11. berichtet Haniel aus München, daß die VO betr. Auslandskredite der Länder und Gemeinden bei der bayer. Reg. „unliebsames Aufsehen“ erregt habe. „Zwar ist man hier auch mit der RReg. der gleichen Ansicht, daß auf diesem Gebiete Ordnung geschaffen und gehalten werden muß. Man betrachtet indessen die Form, in der jene Maßnahme zustandegekommen ist, als einen Eingriff in die Finanzhoheit der Länder. Insbesondere stößt man sich daran, daß die Verordnung auf Grund des Art. 48 zustandegekommen ist, ohne die Länder beziehungsweise den RR vorher zu hören. Ich vermute, daß die bayer. Reg. deswegen in Berlin vorstellig werden wird.“ (R 43 I /2236 , Bl. 196). Zur Stellungnahme der Länderfinanzminister zur VO über Auslandskredite s. auch die Mitteilungen des RFM in der Kabinettssitzung vom 8. 11. (Dok. Nr. 351, P. 1).

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