2.114.5 (ma31p): 5. Politische Aussprache.

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5. Politische Aussprache.

Der Herr Reichskanzler berichtete über seine Verhandlungen mit den Sozialdemokraten13. Weder eine Koalition noch eine Arbeitsgemeinschaft komme in Frage. Dagegen soll von Fall zu Fall mit den Sozialdemokraten Fühlung genommen werden. Die Vertreter der Sozialdemokratischen Partei werden die Entscheidung ihrer Fraktion über den Vorschlag herbeiführen. Ebenso wird der Herr Reichskanzler ihn mit den Regierungsparteien besprechen. Auf Anregung des Reichswirtschaftsministers wird der Herr Reichskanzler zunächst mit dem Führer der Deutschen Volkspartei, Abgeordneten Scholz14, sprechen. Im einzelnen führte der Herr Reichskanzler aus, die Frage der Erwerbslosenfürsorge solle vom Vorsitzenden des 9. Ausschusses mit den Vertretern der Sozialdemokratischen Partei weiter behandelt werden15. Die Frage des Nachtragsetats16 würde für Verhandlungen der Regierung mit den Sozialdemokraten nicht mehr in Betracht kommen, wohl aber der Finanzausgleich und das Arbeitszeitgesetz17. Die Sozialdemokratische Partei glaube, daß ihre Lage jetzt sehr erschwert sei, andererseits habe sie wohl jetzt die Erleichterung, daß sie gehört würde, ohne eine Verantwortung übernehmen zu müssen. Für die Regierungsparteien läge der Vorteil darin, daß bei dem gegenwärtigen Verfahren nicht übersehen werden könne, wann und warum bei an sich möglicherweise nebensächlichen Abstimmungen die Gefahr einer Kabinettskrise entstehe. Bei Fühlungnahme mit der Sozialdemokratischen Partei würde sich in Zukunft darüber klarer sehen lassen. Die Forderungen der Sozialdemokratischen Partei könnten rechtzeitig geprüft werden.

13

Zum Anlaß dieser Verhandlungen siehe Dok. Nr. 113.

14

Scholz war Vors. der Reichstagsfraktion der DVP.

15

Durch Vermittlung des Vors. des Sozialpolitischen (9.) Ausschusses, Esser, wurde über den umstrittenen GesEntw. betr. Krisenfürsorge für Erwerbslose (siehe Dok. Nr. 113) eine Verständigung zwischen den Regierungsparteien und den Sozialdemokraten herbeigeführt. Der Sozialpolitische Ausschuß stimmte daraufhin einer Fassung des GesEntw. zu, die in einigen Punkten die Regierungsvorlage abänderte (RT-Bd. 410 , Drucks. Nr. 2673 ). In der Plenarsitzung des RT vom 13. 11. wurde der GesEntw. in der Ausschußfassung angenommen (RT-Bd. 391, S. 8105 –8110). Am 19.11.26 wurde das „Gesetz über eine Krisenfürsorge für Erwerbslose“ ausgefertigt (RGBl. I, S. 489 ). Danach waren die Errichtungsgemeinden der öffentlichen Arbeitsnachweise verpflichtet, eine Krisenfürsorge für solche Erwerbslose einzurichten, die wegen Ablaufs der Unterstützungsdauer aus der Erwerbslosenfürsorge ausgeschieden („ausgesteuert“) waren. Die Leistungen der Krisenfürsorge sollten dieselben sein wie die der Erwerbslosenfürsorge. Die Kosten sollten zu ¼ von den Gemeinden und zu ¾ vom Reich getragen werden. Das Gesetz war bis zum 31.3.27 befristet. – Ausführungsbestimmungen hierzu im Schreiben des RArbM an die obersten Landesbehörden für Erwerbslosenfürsorge vom 20.11.26 (R 43 I /2032 , Bl. 237–240).

16

Siehe P. 2 dieses Protokolls.

17

Zum Arbeitszeitgesetz siehe Dok. Nr. 110, bes. Anm. 9.

[323] Der Reichspostminister trug Bedenken, daß über den Fall der Erwerbslosenfürsorge hinaus Abmachungen über eine Zusammenarbeit mit der Sozialdemokratie von Fall zu Fall getroffen würden. Der Reichsjustizminister befürwortete eine Abmachung dieser Art. Ebenso der Reichsminister der Finanzen der auch bereit war, sich mit einer weitergehenden Bindung einverstanden zu erklären. Der Reichsminister des Auswärtigen führte aus, daß anstelle der Regierungspolitik eine Kompromißpolitik träte, die sich ein Stück nach links verschiebe. Es sei zweckmäßig, in der Presse darauf hinzuweisen, daß die weitgehende Belastung eine Folge der deutschnationalen Taktik sei. Eine interfraktionelle Bindung sei unmöglich. Es werde im Einzelfall auf Verständigung oder Bruch hinauskommen, der dann schärfere Formen annehmen würde. Für die Sozialdemokratische Partei sei es schwer, sich auf den Vorschlag einzulassen, da sie von den Kommunisten stark bedrängt würde. Es handelt sich um eine Krisis des Parlamentarismus. Der Reichswirtschaftsminister betonte, es käme weder eine Ehe noch eine Liaison, nur eine Begegnung von Fall zu Fall in Frage.

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