2.56.4 (mu11p): 4. Gesandtschaften der Länder.

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4. Gesandtschaften der Länder4.

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Die Frage der Ländergesandtschaften war zwischen dem RIM und dem AA seit Januar 1920 diskutiert worden (Material in R 43 I /2329 , Bl. 66-71, 76-78, 88 f., 90 f.). Auf Wunsch des RIM vom 10.4.20 und des AA vom 17.4.20 (R 43 I /2329 , Bl. 92, 93) wurde dieses Thema auf die Tagesordnung gesetzt. Das AA hatte hierzu bemerkt: „Die Politik der Franzosen ist mehr denn je darauf gerichtet, Zwiespalt zwischen den deutschen Ländern zu säen. Werden die vorhandenen Gegensätze in der Gesandtschaftsfrage nicht rechtzeitig zwischen den zuständigen Stellen des Reichs und der Länder ausgetragen, so besteht die Gefahr, daß sie zur Unzeit in der Öffentlichkeit besprochen und agitatorisch ausgenutzt werden. – Nach Nachrichten, die aus Rom hierher gelangt sind, sollen die Franzosen ihre Absicht, in München eine Gesandtschaft zu errichten, keineswegs aufgegeben haben. Sollte die Absicht ausgeführt werden, so wäre es dringend erwünscht, wenn der Zustand vermieden werden könnte, daß neben einer solchen fremden Vertretung deutsche einzelstaatliche Vertretungen mit völkerrechtlicher Benennung vorhanden wären.“

Der Reichsminister des Innern führte aus, daß es unmöglich sei, die Fühlung mit den deutschen Ländern, insbesondere mit Bayern, aufrecht zu erhalten, wenn nicht irgend eine Persönlichkeit von Amts wegen hiermit betraut werde. Die Beibehaltung solcher Persönlichkeiten sei unbedingt notwendig. Gleichgültig sei, ob sie Gesandte, Kommissare oder dergl. hießen, oder dem Reichsminister des Innern, dem Auswärtigen Amte oder dem Gesamtkabinett unterständen. Für München halte er eine Vertretung für unbedingt notwendig4a. Ob dies auch für Württemberg und Baden der Fall sei, sei eine Frage für sich; gegebenenfalls könnte man die betreffende Persönlichkeit in München auch in Stuttgart und Karlsruhe akkreditieren.

4a

Zum Verhältnis Bayerns zum Reich s. Dok. Nr. 18.

Der Reichskanzler gab zu bedenken, ob der von dem Reichsminister des Innern vorgeschlagene Weg richtig sei, weil er fürchtete, daß hierdurch das[140] Gegenteil von dem erreicht würde, was wir wollten; denn in Süddeutschland würden die etwa zu entsendenden Reichskommissare als Aufsichtspersonen angesehen werden5. Hinsichtlich Bayerns seien alle in Frage kommenden Stellen der Auffassung, daß, wenn die Preußische Gesandtschaft doch eingezogen würde, in anderer Form ein Vertreter bestellt werden müsse, und zwar zweckmäßig im Zusammenhange mit dem Auswärtigen Amte, da dieser Vertreter insbesondere die Entente-Kommissionen und ihre Einflüsse überwachen solle. Dem Vorschlag des Reichsministers des Innern, den Grafen Zech in München auch bei Baden und Württemberg mit zu akkreditieren, könne er nicht beitreten, da Württemberg und Baden sich verletzt fühlen würden, wenn sie keinen eigenen Vertreter erhielten. Aus den Besprechungen mit den Ländern habe er den Eindruck gewonnen, daß man höchstens einen Legationssekretär oder Legationsrat vom Auswärtigen Amte entsenden könne, so nach Sachsen wegen des Verkehrs mit Tschechien, nach Baden und Württemberg wegen des Verkehrs mit der Schweiz. Das Institut der Reichskommissare würde nicht der Reichseinheit dienen, weil die Länder es nicht wollten.

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Entsprechend hatte RK Bauer auf einem Schreiben des RIM vom 23.2.20 notiert: „MinPräs. Hoffmann hat mir erklärt, daß Bayern – ebenso die übrigen Länder – einen Reichsbevollmächtigten [sich unter keinen Umständen] gefallen lassen würden“ (2.3.20; R 43 I /2329 , Bl. 88 f.). Ähnlich hatte sich RAM Hermann Müller in einem Schreiben vom 3. 3. geäußert (R 43 I /2329 , Bl. 90 f.). S. dazu auch die Äußerungen in Dok. Nr. 91, P. 2.

Der Reichsverkehrsminister schloß sich dem Reichskanzler an und war der Auffassung, daß, wenn man überhaupt derartige Kommissare entsenden wollte, man dies nur für Bayern tun solle. Der Reichsminister David wies darauf hin, daß wir bereits – allerdings von seiten der Länder – ein derartiges Institut hätten, und zwar in dem Reichsrat. Dieser setze sich jedoch nur aus Beamten zusammen, deren Tätigkeit natürlich nicht von dem Einfluß sein könne, wie ihn die Minister der Länder selbst ausüben könnten. Deshalb würde er es für zweckmäßig erachten, wenn die Minister der Länder sich mit den Reichsministern zu einem Austausch der Gedanken über schwebende Fragen in noch zu bestimmenden Zwischenräumen regelmäßig treffen würden. Der Reichsminister des Innern pflichtete dem Vorschlag des Reichsministers David bei, da der Reichsrat den persönlichen Gedankenaustausch zwischen den leitenden Ministern nicht ersetzen könne. Im übrigen habe er nur ein politisches Interesse, daß in München ein Vertrauensmann der Reichsregierung säße.

Unterstaatssekretär von Haniel bezeichnete die Lösung der Frage als ganz besonders dringend. Der jetzige Zustand, daß die Länder untereinander sich Gesandten schickten, sei im Interesse der Reichseinheit nicht wünschenswert und widerspreche der Verfassung. Auch bestehe hierin eine große Verlockung der Entente, auch ihrerseits Gesandte nach den einzelnen deutschen Ländern zu schicken. Deshalb rate er, schleunigst dahin zu wirken, daß die Einzelstaaten auf die Entsendung von Gesandtschaften verzichteten. Das Auswärtige Amt habe nur ein Interesse an der Entsendung von Vertretern dort, wo ausländische Intriguen gesponnen würden6.

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Bereits am 28.3.20 hatte der Referent für innere Angelegenheiten im AA, LegR v. Prittwitz, an MinR Brecht geschrieben, es sei notwendig, daß die innerdeutschen Gesandtschaften abgeschafft würden, wobei Preußen mit gutem Beispiel voranzugehen habe. „Herr UStS von Haniel hat in der neulichen Besprechung bereits darauf hingewiesen, welche bedenklichen außenpolitischen Folgen es haben wird, wenn die deutschen Länder selbst scheinbar den Standpunkt vertreten, daß innerhalb Deutschlands völkerrechtliche Beziehungen möglich sind.“ Prittwitz bat Brecht, dafür Sorge zu tragen, daß die neue RReg. und der neue RK eine Entscheidung herbeiführen sollten: „Vielleicht läßt sich durch eine sofortige Rücksprache des Herrn RK mit dem PrMinPräs. weiteres Unheil abwenden.“ (R 43 I /2213 , Bl. 31).

[141] Der Reichskanzler stellte fest, daß in München wegen der besonderen bayerischen Verhältnisse ein Vertreter des Reichs vorhanden sein müsse, der als Vertreter des Auswärtigen Amtes dort tätig sein solle, um die Bestrebungen der Entente zu überwachen. Das Auswärtige Amt solle mit Preußen über die Einziehung der beiden Gesandtschaften in München und Dresden verhandeln und darauf hinzuwirken versuchen, daß die Stellen in dem Etat gestrichen würden. Im übrigen wurde dem Vorschlag des Reichsministers David zugestimmt, dahin zu wirken, daß mehrere Male im Jahre die Ministerpräsidenten zu einer Konferenz sich in Berlin vereinigten, um hier miteinander die wichtigsten Fragen durchzusprechen. Die einzelnen Ressorts sollten Anregungen hierzu geben und diese dem Chef der Reichskanzlei übermitteln, der dann mit der Einladung zu beauftragen sein würde7.

7

Zum Fortgang s. Dok. Nr. 91, P. 2.

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