2.8.1 (bru1p): Deckungsvorlagen

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Deckungsvorlagen1

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StS Schäffer notierte in seinem Tagebuch: „Besprechung mit den Parteiführern in der Reichskanzlei über Steuerprogramm vor dem am nächsten Tage stattfindenden Steuerausschuß. Vorschlag des Ermächtigungsgesetzes. Reichskanzler Brüning unterstreicht die Dringlichkeit. Er ist zunächst für materielle Behandlung der Fragen: Benzin und Benzinzoll. Becker-Hessen möglicherweise für andere Form. Esser auch dafür. Leicht: Vor jeder Steuer muß zunächst eine interne Einigung gefunden werden. Gegen diese Steuer selbst ohne Bedenken. Für die Benzinfrage sollte ein Unterausschuß eingesetzt werden. Drewitz macht auf die Bedeutung für das Lohnfahrgewerbe aufmerksam. Schiele über den Vermischungszwang für Spiritus. Fischer-Köln: Wir müssen sehen, die Debatte über die Ausgabensenkung abzudrehen. Reichskanzler Wir müssen die Leute reden lassen, aber uns möglichst wenig daran beteiligen. Leicht: Die Generaldebatte wird schwierig. Daher wäre es gut, wenn man den Spiritus vermischen könnte. Becker-Hessen hält die Vermischung des Spiritus für schwierig. Reichskanzler regt an, einen Unterausschuß morgen früh einzusetzen, der auch morgen nachmittag arbeiten könne. Esser: Die Sozialdemokraten werden morgen vorbringen, ob mehr Besitz- oder mehr Verbrauchssteuern. Da muß eine Einigkeit der hiesigen Parteien sicher sein. Ernst: Schlechte Lage beim Branntweinmonopol. Verkauf des Spiritus über dem Erzeugerpreis, d. h. um 85 Pfennig, nötig. Das kann nicht nur an der Zollgrenze gemacht werden, sondern auch im Innern. Es darf kein Einfuhrverbot sein. Es sollte eine Entschließung eingebracht werden, welche die Vorlage eines Gesetzentwurfs fordert, dem sich die Reichsregierung fügt. Schiele für Entschließung. Ich bin für Ermächtigung. Allgemeines Einverständnis. Reichskanzler: Für die Mineralwassersteuer wird man die Sozialdemokraten nicht gewinnen. Esser: Wir waren doch davon abgekommen. Reinhold: Wir waren doch nur wegen der Sozialdemokraten davon abgekommen. Wir können doch jetzt daran festhalten. Moldenhauer: Ich bin für die Mineralwassersteuer, weil das den Biersteuerleuten die Sache erleichtert und weil man so die Gemeindegetränkesteuer vermeiden kann. Leicht: Man muß immer sehen, ob man eine Mehrheit dafür findet. Lindeiner-Wildau: Die engeren Freunde von mir werden gegen die Mineralwassersteuer stimmen. Im übrigen keine Bedenken. Industriebelastung. Moldenhauer bittet, diese Sache vorzubehalten. Wir brauchen sie zur Deckung der Arbeitslosenversicherung. Wir behalten ohnedies ein Loch von 70 Millionen. Wir müssen gleich nach Ostern sehen, was wir tun können, um die Unkosten (der Arbeitslosenversicherung) zu senken. Die Sozialdemokraten werden natürlich (nicht) zustimmen. Becker-Hessen: Man zahlt tatsächlich 5/4 Jahre. Eigentlich müßte man diese Sache für die Landwirtschaft verwenden. Reinhold: Wir sind für den Kompromiß. Moldenhauer: Wir wollen über die Weiterverwendung im Interesse der Landwirtschaft erst die Industrie hören. Biersteuer. Leicht: Unser Standpunkt ist ja bekannt. Wir können einer Biersteuererhöhung, wie sie im Kompromiß ist, nicht zustimmen. Sie ist für uns unannehmbar, auch mit der verbesserten Überweisung. Drewitz: Ich kann der Biersteuererhöhung in dieser Form nicht zustimmen. Nachdem ich gehört habe, daß an allen Steuern festgehalten wird, weiß ich wirklich nicht, was aus den Steuern herauskommen soll. Moldenhauer: Kommt ein Kompromiß zustande, der das gleiche liefert, so wären wir nicht schlechthin ablehnend. Der Reparations-Gesichtspunkt. (Dieser meint, daß wir, nachdem wir im Young-Plan die Verantwortung für unsere Finanzgebarung allein übernommen haben, wir unbedingt den Etat decken müssen). Wir können jetzt keiner Regierungspartei gestatten, auszubrechen. Vielleicht Rückkehr zum ursprünglichen Gedanken einer Erhöhung der Umsatzsteuer neben einer 50% Biersteuer. Drewitz: Wir müssen etwas Neues bringen. Umsatzsteuererhöhung über eine Million trifft nur die Warenhäuser. Es war verfrüht, den Steuerausschuß einzuberufen. Wir kommen zu einer Deckung, die besser ist, als die alte. Horlacher: Auch die 50% Erhöhung der Biersteuer stößt noch auf den schärfsten Widerspruch. Das ist auch ein landwirtschaftliches Problem“ (Nachlaß Schäffer , IfZ, ED 93, Bd. 8, Bl. 107–109).

Die Besprechung diente einer ersten Fühlungnahme der in der Regierung[17] vertretenen Parteien über die Deckungsvorlagen der Reichsregierung zum Haushaltsplan 19302.

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Die RReg. hatte den Haushaltsplan für das Rechnungsjahr 1930 vom Kabinett Müller II übernommen (vgl. Regierungserklärung vom 1.4.1930, RT-Bd. 427, S. 4729 ). Zu den Deckungsvorlagen s. diese Edition, Das Kabinett Müller II, vor allem die Beratungen im März 1930.

Der Reichsminister der Finanzen trug vor, worin die Deckungsvorlagen bestehen und erläuterte den Inhalt der einzelnen Gesetzentwürfe sowie den geschätzten Betrag des Aufkommens an neuen Steuern und Zöllen.

Der Reichskanzler unterstrich die unbedingte Notwendigkeit schnellster Verabschiedung dieser Vorlage durch den Reichstag. Sodann fand eine Aussprache über die einzelnen Gesetze statt, in welcher die Vertreter der verschiedenen Parteien ihren Standpunkt kurz darlegten. Beschlüsse wurden nicht gefaßt.

Der Reichskanzler mußte zum Schluß feststellen, daß innerhalb der Regierungsparteien noch weitgehende Meinungsverschiedenheiten über die einzelnen Gesetze bestehen. Die Hauptschwierigkeiten bestehen bezüglich der Biersteuer, und zwar in erster Linie bei der Bayerischen Volkspartei, ferner aber auch bei der Wirtschaftspartei und Christlich-Nationalen Arbeitsgemeinschaft. Die Bayerische Volkspartei lehnt die Biersteuer vollständig ab, die beiden übrigen Parteien haben Bedenken gegen das Ausmaß der Erhöhung. Als[18] Ersatz für die Biersteuererhöhung wurde eine gestaffelte Erhöhung und Veredlung der Umsatzsteuer angeregt.

Zur Gewinnung eines einheitlichen Standpunktes in der Frage der höheren Belastung von Benzin und Benzol wurde die Einsetzung eines kleinen Unterausschusses verabredet.

Ebenso soll für den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Tabak- und Zuckersteuer-Gesetzes in kleinerem Kreise eine Einigungsformel gesucht werden.

Der Reichskanzler schloß die Sitzung mit dem Bemerken, daß die Reichsregierung sich am kommenden Tage nochmals mit der Frage der Deckungsvorlagen, insbesondere mit der Frage des taktischen Vorgehens der Reichsregierung in dieser Angelegenheit befassen werde. Er behielt sich vor, im Anschluß an die Ministerbesprechung die Fraktionsführer nochmals zu einer Aussprache einzuladen.

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