2.51 (bru1p): Nr. 51 Aufzeichnung des Oberregierungsrats Planck über eine Ressortbesprechung im Auswärtigen Amt wegen des Europaplans Briands am 19. Juni 1930

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[215] Nr. 51
Aufzeichnung des Oberregierungsrats Planck über eine Ressortbesprechung im Auswärtigen Amt wegen des Europaplans Briands am 19. Juni 19301

1

Neben Plancks Vermerk vom 21.6.30 befindet sich in den Akten der Rkei eine Aufzeichnung des AA über die Ressortbesprechung vom 19.6.30 (R 43 I /616 , Bl. 180–182), die von Ruge und Schumann in ZfG 20 (1972), S. 59–61 veröffentlicht wurde.

R 43 I /616 , Bl. 176–177

Staatssekretär von Bülow kennzeichnete den deutschen Standpunkt gegenüber dem Briand’schen Memorandum2 dahin, daß man den Gedanken des europäischen Zusammenschlusses grundsätzlich bejahen könne unter dem Vorbehalt, daß er nicht zu einer Stabilisierung des status quo führen dürfe. Man müsse ferner berücksichtigen, daß der Völkerbund mehr neutrale Elemente enthalte als ein etwaiges europäisches Konventikel. Endlich dürfe keinesfalls eine Abschnürung Deutschlands von den nicht im Völkerbund vertretenen Großmächten herbeigeführt werden3. Diese Stellungnahme führe dazu, daß man eigentlich den politischen Teil des Memorandums restlos ablehnen müsse, infolgedessen auch der von Briand gewünschten Unterordnung der Wirtschaft unter die Politik nicht zustimmen könne. Deutschland müsse vielmehr aus dem wirtschaftlichen Gebiet die Fragen herausgreifen, deren Förderung schon jetzt diskutabel sei. Zur Weiterbearbeitung dieser Fragen werde wohl als Ergebnis der September-Tagung des Völkerbundes ein Studienkomitee entstehen4.

2

Vgl. Dok. Nr. 40, Anm. 2.

3

In der Aufzeichnung des AA werden die Ausführungen des StS v. Bülow folgendermaßen referiert: „Wir ständen dem Plan eines europäischen Zusammenschlusses bejahend gegenüber, jedoch unter wesentlichen Einschränkungen. Wir wollten keine Aushöhlung des Völkerbundes, keine Störung unserer Beziehungen zu außereuropäischen Staaten und Rußland. Gänzlich abzulehnen sei der politische Teil der Formulierung Briands. Wir wollten kein Ost-Locarno, keine Festlegung irgendwelcher Art auf den Status quo. Die Möglichkeit, unsere eigene Auffassung über die politische Gestaltung Europas zur Geltung zu bringen, dürfe in der Antwort nicht verbaut werden […]“ (R 43 I /616 , Bl. 180).

4

Die Versammlung des VB beschloß am 17. 9. die Konstituierung eines „Studienkomitees für eine europäische Union“ (Dok. Nr. 111, Anm. 20).

Von den Ressorts vertrat insbesondere das Reichswirtschaftsministerium die Meinung, daß auf dem Gebiete der Wirtschaft eine ganze Reihe von Arbeiten mit großem Nutzen für Deutschland auch in europäischem Rahmen gefördert werden könnten. Dabei werde es sich nicht empfehlen, eine neue Organisation zu schaffen, sondern die bereits im Völkerbund vorhandenen Ansätze auszubauen. Die Gründung eines Studienkomitees werde daher vom Reichswirtschaftsministerium begrüßt werden, das sich aus einer engeren europäischen wirtschaftlichen Zusammenarbeit Nutzen verspreche.

Auch der Reichsarbeitsminister bezeichnete einige Gebiete, die vom Studienkomitee nützlich bearbeitet werden könnten, so z. B. die Frage einer Vereinheitlichung der Tarifverträge und die des Arbeitsmarktes für Angestellte. Bei den von Briand vorgebrachten 3 Punkten (4-Schichten-System) in der Glasindustrie, Arbeitsrecht in der Binnenschiffahrt, Sozialversicherung der im Auslande arbeitenden Arbeiter) handle es sich allerdings speziell um Fragen, in denen Frankreich Sondervorteile erstrebe.

[216] Das Reichsfinanzministerium erklärte sich etwa im Sinne des Reichswirtschaftsministerums zur positiven Mitarbeit bereit, ohne allerdings ausgearbeitete Vorschläge beizubringen5.

5

In einem Schreiben an das AA vom 21.6.30 schlug das RFMin. vor, die Fragen der Doppelbesteuerung und der Rechtshilfe in Steuersachen in europäischem Rahmen zu lösen, lehnte dagegen die im Briand-Memorandum angeregte Bildung einer europäischen Kreditorganisation sowie die Kooperation auf dem Währungssektor ab (R 43 I /616 , Bl. 192–195).

Das Reichsministerium des Innern bezeichnete die Gebiete der Ausländer-Behandlung und des Paßwesens als geeignete Verhandlungspunkte, während die Fragen der internationalen geistigen Zusammenarbeit besser übereuropäisch behandelt würden.

Gänzlich negativ äußerten sich die Vertreter des Reichsernährungsministeriums, Reichsverkehrs-, Reichspost- und Reichsjustizministeriums.

Vom Auswärtigen Amt wurde das von den Ressorts bislang beigebrachte Material – abgesehen vom Reichswirtschaftsministerium – als noch zu dürftig bezeichnet. Es soll durch Fühlungnahme mit den einzelnen Ressorts versucht werden, noch besser ausgearbeitetes Material von den Ressorts zu bekommen. das Auswärtige Amt wird im übrigen besonders sorgfältig die deutsche Stellungnahme betreffend den Aufgabenkreis des vielleicht zu gründenden Studienkomitees prüfen, damit nicht aus einem unklaren Mandat für dies Komitee doch noch gegen den Willen Deutschlands politische Konsequenzen erwachsen.

Es wurde vereinbart, daß alles eingegangene schriftliche Material der Reichskanzlei und sämtlichen Ressorts zugeleitet wird.

Pl[anck]

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