1.130.1 (bru2p): Wirtschaftslage.

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Wirtschaftslage.

Der Reichskanzler bat zur Tagesordnung zunächst, daß wegen der weiteren Maßnahmen nur eine allgemeine Aussprache erfolgen möge. Die Einzelbesprechungen bat er, einem engeren Kreise der unmittelbar Beteiligten vorzubehalten. Dieser müsse sich am anderen Tage mit den Einzelheiten befassen. Er teilte sodann mit, daß er sich darauf eingerichtet habe, daß ausländische Hilfe zunächst nicht zu erwarten sei.

Staatssekretär PünderPünder teilte dazu auf seine – des Reichskanzlers – Veranlassung die Nachricht mit, die der Reichsbankpräsident Luther kurz zuvor über die um 9 Uhr beendete Verhandlung bei der BIZ in Basel telefonisch mitgeteilt habe. Danach sei eine Hilfe von der BIZ vollkommen ausgeschlossen. Das Schlußprotokoll bewege sich in einigen wohlwollenden Redensarten. Dieses solle beginnen mit der Feststellung, daß die Reichsregierung sich an verschiedene[1351] Regierungen um finanzielle Hilfe gewandt habe1. Im übrigen scheine der französische Widerstand verhältnismäßig etwas schwächer geworden zu sein. Reichsbankpräsident Luther werde am anderen Tage gegen 2 Uhr in Berlin wieder eintreffen.

1

Das Kommuniqué des Verwaltungsrats der BIZ hatte folgenden Wortlaut: „Der Verwaltungsrat hat von der Darstellung Kenntnis genommen, die der Präsident der Reichsbank, Dr. Luther, von der Situation in Deutschland und von der deutschen Wirtschafts- und Finanzlage gegeben hat, die trotz der durch die Abzüge von in Deutschland angelegten kurzfristigen Kapitalien hervorgerufenen Krise befriedigend ist. In Anbetracht des Umstandes, daß sich die deutsche Regierung an die verschiedenen Regierungen wegen finanzieller Unterstützung an ihren entsprechenden Märkten gewandt hat, erklärt sich der Verwaltungsrat überzeugt von der Notwendigkeit einer solchen Unterstützung und unter den gegenwärtigen Umständen bereit, an dieser Hilfe mitzuwirken und sie mit allen den Zentralbanken zur Verfügung stehenden Mitteln zu stärken. In der Zwischenzeit hat der Verwaltungsrat den Präsidenten [McGarrah] ermächtigt, in Übereinstimmung mit den anderen beteiligten Instituten die Beteiligung an dem der Reichsbank kürzlich gewährten Rediskontkredit zu erneuern“ (WTB Nr. 1470 vom 14.7.31, R 43 I /2371 , S. 197; vgl. Schultheß 1931, S. 500 f.).

Zu dem Wortlaut des Schlußprotokolls habe er – Staatssekretär Pünder – den Reichsbankpräsidenten darüber aufgeklärt, daß die Fassung nicht den Tatsachen entspreche. Nach Abreise des Reichsbankpräsidenten seien keinerlei Schritte der Reichsregierung wegen finanzieller Hilfe bei anderen Regierungen erfolgt. Vielleicht seien die Mitteilungen an die Botschafter falsch ausgelegt worden. Jedenfalls habe er, Staatssekretär Pünder, dem Reichsbankpräsidenten nahegelegt, gegen die Fassung zu protestieren.

Der Reichskanzler teilte mit, daß auch von anderen Seiten Nachrichten vorlägen, daß im Ausland die Absicht bestehe, uns zu einer Auslandsanleihe zu veranlassen. Das sei der Wunsch Frankreichs, um seine politischen Bedingungen anbringen zu können2. Deswegen erschwere Frankreich auch eine Hilfe der Banken. Eine Anleihe komme für Deutschland schon deswegen nicht in Frage, weil eine Auflegung in Amerika nach den dortigen gesetzlichen Bestimmungen ausgeschlossen wäre, und in England wegen der Geldlage keinen Erfolg verspreche. In Frankreich würde ein Schritt wegen einer Anleihe nur wochenlange Verhandlungen zur Folge haben, mit denen die Lage natürlich nicht zu beheben sei.

2

Botschafter v. Hoesch hatte den frz. MinPräs. Laval über den drohenden Zusammenbruch zweier dt. Großbanken unterrichtet. Laval hatte keine politischen Bedingungen genannt. Angesichts der Lage Dtlds schiene ihm der Panzerschiffbau und die dt.-österr. Zollunion keine Aktualität mehr zu besitzen. Vorläufig würde sich die frz. öffentliche Meinung dagegen sträuben, weitere frz. Mittel in den Schlund des dt. Finanzchaos zu werfen. Der frz. MinPräs. hatte in Erwägung gezogen, daß Dtld zunächst von den USA und Großbritannien aus dem Ärgsten herausgehauen werden sollte, dann würde er bereit sein, die frz. öffentliche Meinung langsam auf die Beteiligung Frankreichs an der Hilfsaktion vorzubereiten (Hoeschs Telegramm Nr. 755 vom 12.7.31, Nachl. Pünder Nr. 88, Bl. 259–262). BotschaftsR Leitner hatte am 12. 7. aus Washington gekabelt, der frz. Botschafter in Washington habe zu UnterStS Castle gesagt, Frankreich könne für Dtld nichts tun, wenn es nicht zwei Bedingungen erfülle: 1. zu versprechen, eine Finanzhilfe lediglich zu wirtschaftlichen Zwecken zu verwenden; 2. die Stärkung, die Dtld infolge der Finanzhilfe erhalten werde, nicht zu einer Störung des europäischen Friedens zu benutzen (Telegramm Nr. 315 vom 12.7.1, R 43 I /315 , Bl. 34).

Staatssekretär MeissnerMeissner kam sodann in die Sitzung und teilte mit, daß der Herr Reichspräsident die Verordnung über die Bankfeiertage vollzogen habe3.

3

S. RGBl. 1931 I, S. 361 .

Der Reichsfinanzminister erklärte zu der Frage einer Anleihe weiter, er[1352] werde alle Behauptungen, daß Deutschland sich um eine Auslandsanleihe bemüht habe, am anderen Tag scharf zurückweisen.

Sodann wurde auf Vorschlag des Reichsfinanzministers und des Reichskanzlers vorgesehen, mit der Notverordnung über die Bankfeiertage nur eine kurze Bekanntmachung der Reichsregierung zu veröffentlichen und diese ganz allgemein etwa dahin zu fassen, daß nach Rückkehr des Reichsbankpräsidenten aus Basel weitere Maßnahmen getroffen würden, die für Donnerstag eine Fortführung des geregelten Geschäftsverkehrs sichern würden4.

4

Die Bekanntmachung über die Bankfeiertage wurde in WTB Nr. 1470 vom 14.7.31 veröffentlicht (R 43 I /2371 , S. 193).

Der Reichskanzler schloß die Besprechung, um über die Ausführungsbestimmungen zur Notverordnung über die Bankfeiertage in dem erweiterten Kreise einer Kabinettssitzung zu beraten5.

5

S. Dok. Nr. 383.

Vorher stellte er noch die Zustimmung des Reichspostministers dazu fest, daß auch der Postscheckverkehr an den beiden Bankfeiertagen ruhen solle.

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