1.136.1 (bru2p): [Erlaß von Notverordnungen über Zahlungsverkehr]

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[Erlaß von Notverordnungen über Zahlungsverkehr]

Der Reichskanzler stellte die vorgelegten Verordnungsentwürfe zur Erörterung1.

1

Vgl. die am Schluß dieses Dok. aufgeführten VOen.

Staatssekretär Dr. TrendelenburgTrendelenburg äußerte Besorgnisse wegen der Knappheit der für die Zahlung zur Verfügung stehenden Geldzeichen. Es würde möglich[1365] sein, weitere Noten ohne inflationistische Wirkung auszugeben. Allerdings würde dann die Restriktionspolitik abgeschwächt werden. Die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes werde sich verringern. Der Kleinhändler werde die Erlöse für seine Ware nicht wie sonst zur Bank bringen. Durch Barzahlungen würde der Bedarf an Geld ins Ungemessene steigen. Entweder müsse der bargeldlose Zahlungsverkehr rekonstruiert oder es müßten Geldzeichen in ausreichender Menge zur Verfügung gestellt werden. Die Banken fürchteten die Wiederherstellung des Überweisungsverkehrs wegen der Schwierigkeiten, die sich für einzelne daraus ergäben. Die Bankfeiertage müßten rasch abgebaut werden, sonst würden außerordentliche Härten eintreten. Das Reichswirtschaftsministerium sei nicht in der Lage zu beurteilen, ob seine Vorschläge finanzpolitisch in allen Punkten möglich und richtig seien.

Der Reichsbankpräsident erklärte, daß zur Zeit Verhandlungen der Banken über den bargeldlosen Zahlungsverkehr stattfänden. Wenn die Restriktion aufgegeben würde, dann würde das Ausland nicht wieder Vertrauen in die deutschen Verhältnisse fassen.

Der Reichsbankpräsident verließ dann die Sitzung, um sich zu den Verhandlungen der Banken über den bargeldlosen Zahlungsverkehr zu begeben.

Die Frage der Überweisungen solle nach Abschluß dieser Verhandlungen durch eine besondere Verordnung geregelt werden. (Die Verordnung ist beigefügt.)2

2

Es handelt sich um die 2. VO über die Wiederaufnahme des Zahlungsverkehrs nach den Bankfeiertagen.

Der Preußische Finanzminister regte an, daß in die Zahlungsverordnung eine Bestimmung aufgenommen wird, nach der über Bareinzahlungen, die nach dem 15. Juli erfolgt sind, frei verfügt werden kann. Dem wurde zugestimmt3.

3

S. § 1 Abs. 4 der VO über die Wiederaufnahme des Zahlungsverkehrs nach den Bankfeiertagen vom 15.7.31 (RGBl. I, S. 365 ).

Staatssekretär ZweigertZweigert machte auf die Schwierigkeiten aufmerksam, die den Beamten und Angestellten der öffentlichen Körperschaften aus Überweisungen ihres Gehaltes entstehen. Es wurde aber davon abgesehen, für sie eine Ausnahme festzusetzen.

Der Reichskanzler hielt es für erforderlich, daß die Solidarität der Banken herbeigeführt wird. Dies sei auch die Meinung prominenter Ausländer. Wenn die Banken sofort Solidarhaft übernommen hätten, dann wäre Deutschland nicht in den gegenwärtigen Zustand gekommen. Die Privatnotenbanken und die Golddiskontbank müßten von den Zahlungsbestimmungen ausgenommen werden. Die Lohn- und Gehaltszahlungen würden nach den Anordnungen des Reichsarbeitsministeriums geregelt. Bestimmungen zum Schutz der Gläubiger seien einzubauen.

In der Erläuterung der Verordnung soll darauf hingewiesen werden, daß es notwendig sei, den Zahlungsverkehr schrittweise wieder in Gang zu bringen. Deswegen müßten später wieder größere Auszahlungen ermöglicht werden. Es müsse erkennbar sein, daß die Reichsregierung nach einem durchdachten Plan vorgehe. Sonntag nachmittag werde eine neue Verordnung erlassen werden müssen.

[1366] Ministerialdirektor Dr. ReichardtReichardt berichtete über die Besprechung mit den Vertretern des Bankgewerbes. Sie hätten sich gegen die Vorschläge ausgesprochen, da es nicht möglich sei, andere als Lohnzahlungen zu verbieten. Kleine Beträge müßten ausgezahlt werden, sonst käme es zu Tumulten. Dem Ausland gegenüber sei es unerträglich, für Zinsen, Versicherungsprämien und ähnliches keine Überweisungen oder Auszahlungen vornehmen zu können. Im übrigen hätten sie ein offizielles Auslandsmoratorium gefordert und gebeten, vom Reichskanzler empfangen zu werden.

Ministerialrat BernardBernard erläuterte den Entwurf einer Verordnung, durch den die erste Verordnung über die Danatbank ergänzt werden soll. Sonderbestimmung sei nur für Wechsel getroffen, sie müsse auch auf Schecks ausgedehnt werden.

Nach Aussprache über einzelne Punkte wurden die folgenden Verordnungsentwürfe in den beiliegenden Fassungen genehmigt:

1.

Ermächtigungsverordnung des Reichspräsidenten4,

2.

Ausführungsverordnung über Veröffentlichung von Kursen5,

3.

weitere Verordnung über die Darmstädter und Nationalbank6,

4.

Verordnung über die Wiederaufnahme des Zahlungsverkehrs nach den Bankfeiertagen7,

5.

Zweite Verordnung über Wiederaufnahme des Zahlungsverkehrs nach den Bankfeiertagen8,

6.

Verordnung über den Verkehr mit ausländischen Zahlungsmitteln9.

4

VO des RPräs. über die Wiederaufnahme des Zahlungsverkehrs nach Bankfeiertagen, den Verkehr mit Devisen und über Kursveröffentlichungen. 15.7.31 (RGBl. I, S. 365 ).

5

RGBl. 1931 I, S. 368 .

6

RGBl. 1931 I, S. 365 .

7

RGBl. 1931 I, S. 365 .

8

RGBl. 1931 I, S. 369 .

9

RGBl. 1931 I, S. 366 .

Der Reichsarbeitsminister wies darauf hin, daß die Bestimmungen nicht ausreichend auf die psychologische Wirkung in der Öffentlichkeit Rücksicht nähmen. Die Bankkontrolle müsse in die Erscheinung treten. Ungünstig wirke auch, daß die Leiter des „Nordwolle“-Konzerns noch nicht in Untersuchungshaft genommen seien10. Scharfe Bestimmungen gegen die Kapitalflucht seien unerläßlich, insbesondere Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte und Freiheitsstrafen.

10

Die Brüder Carl und Heinz LahusenLahusen wurden am 17.7.31 verhaftet: s. Dok. Nr. 360, Anm. 3.

Über diese Fragen soll am Abend des 16. Juli verhandelt werden11.

11

Vgl. Dok. Nr. 391.

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