1.188.1 (bru2p): 1. Entwurf einer Verordnung des Reichspräsidenten zur Änderung der zweiten Notverordnung zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen.

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1. Entwurf einer Verordnung des Reichspräsidenten zur Änderung der zweiten Notverordnung zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen.

Der Reichskanzler erklärte, daß es bei Erlaß der Zweiten Verordnung des Reichspräsidenten zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen vom 17. Juli 19311 nicht beabsichtigt gewesen sei, die Möglichkeit zur zwangsweisen Aufnahme von solchen Erlassen in die Tageszeitungen zu schaffen, wie sie die Preußische Staatsregierung den Tageszeitungen am Freitag, dem 7. August, aufgezwungen habe2. Zudem habe er es als grobe Ungehörigkeit empfunden, daß die Kundgebung der Preußischen Staatsregierung zu einer Zeit, wo er selbst als Gast der Italienischen Regierung in Rom geweilt habe, eine so stark abfällige Kritik gegen den Faschismus3 gebracht habe. Er habe ferner festgestellt, daß der Wortlaut der Kundgebung den einzelnen Preußischen Staatsministern bereits eine Woche vor ihrer Veröffentlichung vorgelegen habe. Gleichwohl habe die Preußische Staatsregierung die Absicht der Veröffentlichung dieser Kundgebung völlig geheimgehalten. Keiner der Herren Reichsminister habe von ihr Kenntnis gehabt. Diese Tatsache stelle einen eklatanten Bruch eines Versprechens dar, das ihm der Preußische Staatsminister Severing erst kürzlich anläßlich der Verhandlungen über das Verbot der kommunistischen Spartakiade gemacht habe. Staatsminister Severing habe ihm ausdrücklich[1547] zugesichert, daß die Preußische Staatsregierung die Reichsregierung in allen wesentlichen Fällen, in denen sie von der Verordnung des Reichspräsidenten vom 17. Juli Gebrauch machen wolle, vorher vertraulich unterrichten werde4. Er sei nicht gesonnen, sich eine derartige Behandlung von seiten Preußens weiterhin gefallen zu lassen. Schließlich sei ihm auch bekanntgeworden, daß in seiner Partei – der Zentrumspartei – eine starke Empörung über das Verhalten der mitbeteiligten preußischen Zentrumsminister bestehe. Der Herr Reichspräsident habe den dringenden Wunsch, daß die Änderung der in Frage kommenden Verordnung vom 17. Juli noch am heutigen Tage erfolge. Er sei fest entschlossen, diesem Wunsche des Herrn Reichspräsidenten unter allen Umständen Rechnung zu tragen.

1

S. RGBl. 1931 I, S. 371 . Vgl. Dok. Nr. 392.

2

S. Dok. Nr. 437.

3

Vgl. den Aufruf des PrStMin. vom 6.8.31 (Dok. Nr. 437, Anm. 2, in dem, ohne Bezug auf Italien, von „faschistischem Gewaltregiment“ und „faschistischem Preußen“ die Rede war (R 43 I /2701a , Bl. 140–143; Zitate Bl. 140, Bl. 142).

4

Vgl. Dok. Nr. 348. Brüning verwechselt hier die 2. NotVO zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen vom 17.7.31 mit der NotVO zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen vom 28.3.31 (RGBl. I, S. 79 ); die Verhandlungen zwischen dem Reich und Preußen über das Verbot der Spartakiade fanden Ende Juni 1931 statt.

Reichsminister Dr. WirthWirth erwiderte, daß er von Herrn Staatsminister Severing vertraulich wisse, daß dieser der ganzen Angelegenheit persönlich anderer Meinung wie die Preußische Staatsregierung gewesen sei. Er erläuterte sodann den von seinem Ministerium vorgelegten Entwurf einer Verordnung zur Änderung der Notverordnung vom 17. Juli5. […]

5

Der RIM hatte dem StSRkei am 8. 8. den Entw. zur Abänderung der NotVO vom 17.7.31 sowie den Entw. von Ausführungsbestimmungen und Richtlinien für die Handhabung der NotVOen vom 28. 3. und 17.7.31 übersandt (R 43 I /2701a , Bl. 150–152). Der AbänderungsEntw. enthielt folgende Bestimmungen: In § 1 der NotVO vom 17.7.31 (RGBl. I, S. 371 ) sollte Abs. 1 die Fassung erhalten: „Der verantwortliche Schriftleiter und der Verleger einer periodischen Druckschrift sind verpflichtet, auf Verlangen einer obersten Reichs- oder Landesbehörde amtliche Kundgebungen und amtliche Entgegnungen auf die in der periodischen Druckschrift mitgeteilten Tatsachen ohne Einschaltung oder Weglassung unentgeltlich aufzunehmen. Die oberste Landesbehörde kann die Aufnahme einer Kundgebung nur im Einvernehmen mit dem Reichsminister des Innern verlangen.“ Abs. 2 Satz 2 sollte durch die Vorschrift ersetzt werden: „Über die Art und Weise des Abdrucks erläßt der Reichsminister des Innern allgemeine Bestimmungen; er kann die Zahlung einer Vergütung vorschreiben, soweit der Abdruck einen bestimmten Umfang übersteigt.“ In § 2 sollte Absatz 1 die Fassung erhalten: „Druckschriften können beschlagnahmt und eingezogen werden, wenn sie eine Veröffentlichung enthalten, die den Bestand des inneren Friedens des Deutschen Reichs oder lebenswichtige Interessen der deutschen Wirtschaft dadurch gefährdet, daß erdichtete oder entstellte Tatsachen behauptet oder verbreitet werden oder daß Mitteilungen in einer Art oder Aufmachung wiedergegeben werden, die geeignet ist, einen größeren Kreis der Bevölkerung erheblich zu beunruhigen.“ Abs. 2 Nr. 2 sollte durch die Vorschrift ersetzt werden: „2. wenn sie eine Veröffentlichung enthalten, die die Voraussetzung des Abs. 1 erfüllt.“ Art. 2 des Entw. enthielt die Möglichkeit der Beschwerde gegen ein Zeitungsverbot: „Wird gegen das Verbot einer periodischen Druckschrift, das auf Grund des Gesetzes zum Schutz der Republik oder auf Grund der Verordnungen zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen erlassen ist, Beschwerde eingelegt, so ist das Verbot ohne sachliche Nachprüfung sofort aufzuheben, wenn die Beschwerde nicht spätestens am fünften Tage nach ihrer Einlegung bei der Stelle eingegangen ist, die sie dem Reichsgericht vorzulegen hat“ (R 43 I /2701a , Bl. 151). Die Ausführungsbestimmungen und Richtlinien begrenzten die Länge amtlicher Entgegnungen und Kundgebungen auf 500 Worte; für überschießende Zeilen sollten die üblichen Einrückungsgebühren bezahlt werden. Vor dem Erlaß jedes Verbots einer periodischen Druckschrift sollte geprüft werden, ob der erstrebte Zweck nicht schon durch eine Verwarnung und eine amtliche Entgegnung erreicht werden konnte (R 43 I /2701a , Bl. 152).

Der Reichsminister der Finanzen äußerte Bedenken gegen die Fassung des Art. 2 dieses Entwurfs. Er regte an, den 2. Halbsatz dieses Artikels umzustellen, so daß es etwa heiße wie folgt: „… so ist, wenn die Beschwerde nicht spätestens[1548] am 5. Tage … eingegangen ist, das Verbot ohne sachliche Nachprüfung sofort aufzuheben.“

Der Reichsminister des Innern erkannte die Berechtigung der Bedenken an und erklärte sich mit allgemeinem Einverständnis bereit, die Fassung in dem angeregten Sinne zu ändern.

In der weiteren Aussprache wurden Bedenken gegen die vorgeschlagene Änderung des § 2 Abs. 2 Ziff. 2 der Verordnung vom 17. Juli 1931 geäußert. Alle Reichsminister, die sich zur Sache äußerten, kamen zu dem Ergebnis, daß die in Art. 1 § 2 des Entwurfs vorgesehene neue Fassung des Tatbestandes im Hinblick auf die beiden außerordentlichen Terrorakte des verflossenen Sonntags, nämlich das Attentat auf den D-Zug Berlin–Basel und die groben Ausschreitungen am Bülowplatz in Berlin6 der öffentlichen Meinung zu Fehlschlüssen Anlaß geben könne, und daß es daher besser sei, im gegenwärtigen Augenblick in diesem Punkte an der Fassung der Verordnung vom 17. Juli festzuhalten. Den Zeitungsverlegern, mit denen der vom Reichsminister des Innern vorgelegte Entwurf vorerörtert worden ist7, und deren besonderen Wünschen die Fassung des Entwurfs Rechnung trägt, soll gesagt werden, daß die Erfüllung ihrer Wünsche zu gelegener Zeit erwogen werden soll.

6

S. P. 2 dieser Ministerbesprechung.

7

Über diese Besprechung befindet sich ein kurzer Vermerk des MinR Wienstein in R 43 I /2701a , Bl. 148.

Staatssekretär ZweigertZweigert machte sodann darauf aufmerksam, daß der Bayerische Gesandte von Preger ihm fernmündlich von einem Schreiben an die Reichskanzlei Mitteilung gemacht habe, wonach die Bayerische Regierung bitte, vor dem Erlaß einer Verordnung zur Änderung der Verordnung vom 17. Juli gehört zu werden. Es handele sich um das Schreiben des Bayerischen Gesandten an den Staatssekretär in der Reichskanzlei vom 8. August8 […].

8

Das Schreiben Pregers vom 8.8.31 in R 43 I /2701a , Bl. 153.

Hierzu bemerkte der Reichskanzler daß in dem neuen Verordnungsentwurf nichts enthalten sei, was die verfassungsmäßigen Länderrechte berühre, daß er eine Anhörung der Bayerischen Regierung aus diesem Grunde nicht für erforderlich halte, zumal da das Vorgehen der Preußischen Regierung zu schleunigstem Handeln zwinge.

Staatssekretär MeissnerMeissner bemerkte, daß der Herr Reichspräsident den ausdrücklichen Wunsch habe, die Abänderungsverordnung noch am gleichen Tage zu erlassen, und daß auch aus diesem Grunde eine vorherige Einschaltung der Länderregierungen aus zeitlichen Gründen nicht möglich sei.

Der Reichskanzler stellte abschließend die Zustimmung des Reichskabinetts zu dem vom Reichsminister des Innern vorgelegten Entwurf fest mit der Maßgabe, daß Art. 1 § 2 fortfalle und ferner, daß Art. 2 eine andere Formulierung erhält9.

9

Die NotVO vom 10.8.31 zur Änderung der 2. NotVO zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen, die Bekanntmachung der neuen Fassung der 2. NotVO zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen vom 10.8.31 und die Ausführungsbestimmungen und Richtlinien zur Handhabung der NotVOen vom 28. 3., 17. 7. und 10.8.31 wurden am 11.8.31 im RGBl. I, S. 435  f. veröffentlicht. Eine Erläuterung der Änderungen der NotVO vom 17.7.31 wurde von WTB Nr. 1683 am 11.8.31 publiziert (R 43 1/271a, Bl. 160; Entw. der Erläuterung a.a.O., Bl. 181–182).

[1549] 2. Außerhalb der Tagesordnung:

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