1.21.1 (bru2p): Rundfunkfragen.

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RTF

Rundfunkfragen.

Der Reichspostminister berichtete über die sowjetrussische Rundfunkpropaganda und betonte vor allem, daß die Propaganda für Deutschland unerträglich sei1. Unter anderem werde auf dem russischen Gewerkschaftssender[998] Propaganda gemacht, und zwar in deutscher Sprache, nach Rußland auszuwandern und sich selbst von der dort herrschenden günstigen Lage zu überzeugen. Es werde in unerträglicher Weise gegen deutsche Zeitungen, z. B. gegen den „Vorwärts“, polemisiert. Es entstehe die Frage, ob und was dagegen getan werden könne. Rußland sei nicht Mitglied des Weltfunkvereins. Es habe jedoch in dem Protokoll vom Juni 19302 die Verpflichtung übernommen, sich nicht in innerdeutsche Verhältnisse einzumischen. Der deutsche Botschafter von Dirksen habe bereits bei Krestinski eine Demarche unternommen. Dieser habe ausreichend geantwortet3.

1

Der RPM hatte im Januar 1931 eine Chefbesprechung über die sowjetische Rundfunkpropaganda angeregt. Zuständig sei der RIM, der aber gewisse Bedenken habe, die Sache von sich aus aufzugreifen. Die technischen Möglichkeiten, die russ. Sender zu stören, seien gegeben (Vermerk des StS Pünder vom 23.1.31, R 43 I /139 , Bl. 171). Am 24. 1. hatte der RPM einen Bericht der Oberpostdirektion Berlin über Propaganda des Gewerkschaftssenders Moskau dem RK übersandt (R 43 I /139 , Bl. 172–174). Im März 1931 hatte der RPM der Rkei weitere Berichte über die Rundfunkpropaganda zugeleitet. MinR Wienstein hatte in einem Vermerk vom 3.3.31 angeregt, die ursprünglich auf den 28.1.31 angesetzte Chefbesprechung sobald als möglich nachzuholen (R 43 I /139 , Bl. 195).

2

Vgl. Dok. Nr. 39, P. 5.

3

Der nächste Absatz begann ursprünglich mit folgendem, später gestrichenen Satz: „Es entstehe die Frage, ob und was gegen den russischen Sender unternommen werden könne.“

Als Repressalie halte er ein Stören des russischen Senders nicht für empfehlenswert. Vielleicht könne der Funktelegrammverkehr eingestellt werden. Ferner komme in Frage, Rußland von dem Anschluß an ein Kabel nach Helsingfors auszuschließen.

Der Reichsminister des Innern betonte, daß auf dem russischen Sender eine ungeheure Hetze gegen Deutschland getrieben werde. Er erklärte, daß auch er zu starke Repressalien für bedenklich halte.

Der Reichsminister des Auswärtigen wies darauf hin, daß Krestinski ihm auf seine Beschwerde erwidert habe, es handele sich um einen russischen Gewerkschaftssender, auf welchen die Regierung keinen Einfluß habe. Zeitweise habe die unerträgliche Hetze auf dem russischen Sender etwas nachgelassen. Er befürchte, daß wir in direkten Verhandlungen mit der russischen Regierung nichts erreichen würden.

Ministerialdirektor Dr. TrautmannTrautmann wies darauf hin, daß England im vorigen Jahre gegen die russische Rundfunkpropaganda protestiert habe. Auf unsere Vorstellungen habe die russische Regierung u. a. darauf hingewiesen, daß die russische Rundfunkpropaganda für die deutsche Wolga-Republik bestimmt sei. Natürlich sei diese Behauptung falsch.

Als Repressalie empfehle er in erster Linie Stören des russischen Senders. Vielleicht komme auch in Frage, daß Deutschland eine ähnliche Propaganda wie Rußland entfalte.

Ministerialrat Dr. StrundenStrunden (Preußisches Staatsministerium) teilte mit, die Auffassung des Herrn Preußischen Ministerpräsidenten gehe dahin, daß unbedingt von deutscher Seite gegen die russische Rundfunkpropaganda etwas unternommen werden müsse. Nach Auffassung des Ministerpräsidenten könne man doch vielleicht durch direkte Vorstellungen bei der russischen Regierung etwas erreichen. Empfehlenswert sei auch eine deutsche Propaganda auf deutschen Sendern. Ein Stören des russischen Senders hält der Preußische Ministerpräsident für bedenklich, weil man sich dadurch ins Unrecht setze.

Der Reichskanzler wies darauf hin, daß die russische Rundfunkpropaganda über die Agrarverhältnisse in Rußland und den dort herrschenden Kommunismus nach allem, was er gehört habe, auf deutsche Bauern, u. a. auf hessische Bauern, nachhaltigen Eindruck gemacht habe. Er empfahl im übrigen, auch[999] dem Straßburger und dem Kattowitzer Sender besondere Aufmerksamkeit zu widmen.

Es bestand Übereinstimmung über folgende Maßnahmen:

a)

Es sollen noch einmal Gegenvorstellungen bei der russischen Regierung gegen die für Deutschland unerträgliche Propaganda des russischen Gewerkschaftssenders in Moskau unternommen werden.

b)

Einige Störungsversuche des russischen Senders sind zu unternehmen.

c)

Über den Berliner Sender ist die deutsche Öffentlichkeit über die wahren Zustände in Rußland aufzuklären4.

4

Am 29.4.31 fand im RIMin. eine Ressortbesprechung über die vorgeschlagenen Maßnahmen gegen die sowjetische Propaganda statt. GesandtschaftsR v. Tippelskirch berichtete, daß die Demarche des dt. Botschafters in Moskau bei Litwinow wenig Erfolg gezeitigt habe Die deutschsprachigen Sendungen des russ. Gewerkschaftsrundfunks seien nach Litwinows Meinung wegen der über 1 Mio deutschsprechender Staatsangehöriger absolut verständlich. Eine Einmischung in innerdeutsche Angelegenheiten sei natürlich ungehörig, doch habe eine derartige Einmischung nach Litwinows Überzeugung bisher nicht stattgefunden. Vor allem habe der sowjetische Außenkommissar darauf hingewiesen, daß der Moskauer Gewerkschaftssender unabhängig von der Regierung sei. Die Teilnehmer der Besprechung kamen überein, daß die Störung sowjetischer Sender zwischen dem RIMin. und dem Rundfunkkommissar Bredow besprochen werden sollte. Bredow schlug außerdem vor, Vorträge von Sachkennern über die UdSSR im dt. Rundfunk halten zu lassen und Radiodiskussionen zwischen KPD-Abgeordneten und politischen Gegnern zu veranstalten (Vermerk des MinR Wienstein vom 30.4.31 in R 43 I /139 , Bl. 378–379). StS Pünder hielt die Ergebnisse der Besprechung für völlig unzureichend und verlangte ein Rundschreiben an die beteiligten Ressorts (handschriftlicher Vermerk Pünders vom 2.5.31 in R 43 I /139 , Bl. 379). In dem Rundschreiben vom 9.5.31 bat Pünder um eine erneute Ressortbesprechung mit dem Ziel, „daß die in der Chefbesprechung vom 27. März d. Js. gefaßten Beschlüsse zur Durchführung kommen“ (Entw. in R 43 I /139 , Bl. 180–181). StS Zweigert wies fernmündlich darauf hin, daß das Rundschreiben der Rkei auf einem Mißverständnis beruhe. Das RIMin. betrachte die Angelegenheit als erledigt. Inzwischen seien zwei Vorträge des ORegR Weichmann über die UdSSR ausgestrahlt worden, die dem Moskauer Gewerkschaftssender sehr unangenehm gewesen seien. Weitere Vorträge sollten folgen. Die dt. Botschaft in Moskau habe bei ihrer Demarche alles versucht, was zu erreichen sei. GesandtschaftsR v. Tippelskirch habe hinzugefügt, daß es wirklich nicht möglich sei, bei der Demarche ein positives Ergebnis zu erzwingen. Botschafter v. Dirksen werde wahrscheinlich noch einmal Vorstellungen bei Litwinow erheben. Inzwischen hätten auch Störversuche stattgefunden, die erfolgreich verlaufen seien (Vermerk Wiensteins vom 18.5.31 in R 43 I /139 , Bl. 383–384).

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