1.76 (bru2p): Nr. 328 Vermerk des Regierungsrats Krebs über eine Besprechung im Reichswirtschaftsministerium wegen der Stützung der Zinkindustrie, 9. Juni 1931, 12 Uhr

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[1184] Nr. 328
Vermerk des Regierungsrats Krebs über eine Besprechung im Reichswirtschaftsministerium wegen der Stützung der Zinkindustrie, 9. Juni 1931, 12 Uhr

R 43 I /2424 , Bl. 50–53

An der Besprechung, die von Ministerialdirektor Heintze geleitet wurde, nahmen teil:

vom Reichswirtschaftsministerium: Ministerialrat Dr. Claußen und Ministerialrat Dr. Bree als Sachbearbeiter, Ministerialräte Waldeck und Dr. Willecke; Geheimrat Pasel; vom Reichswehrministerium: Major von Hanneken und Oberleutnant Dr. Hackemann; vom Reichsverkehrsministerium: MR Niemack; vom Reichsarbeitsministerium: Oberregierungsrat Bernstein; für die Reichskanzlei: Regierungsrat Krebs. Ferner als gutachtlicher Berater auf Einladung des Reichswirtschaftsministeriums Generaldirektor von der Porten von den Reichs-Aluminiumwerken1.

1

Neben dem Vermerk von RegR Krebs existiert in R 43 I /2424 , Bl. 63–70 noch die Durchschrift einer Aufzeichnung des RWiMin. über diese Besprechung.

Zur Notlage der Zinkindustrie wurde auf den bekannten Rückgang des Zinkpreises hingewiesen, durch den sämtliche Zinkhüttenbetriebe in Schwierigkeiten geraten sind. Im einzelnen wurden besprochen: die Betriebe von Giesche’s Erben in Schlesien und ihr Plan der Elektrolyt-Werke bei Magdeburg2, sodann die Betriebe der Stollberger Zink-AG und die der Berzelius AG.

2

Auf Aufforderung des RK hatte der Generaldirektor der Bergwerksgesellschaft Georg von Giesche’s Erben in Breslau, Eduard Schulte, am 18.4.31 an Brüning einen Bericht über die Lage der dt. Zinkindustrie geschickt, in dem er u. a. die Einführung des Zinkzolls gefordert hatte (R 43 I /2424 , Bl. 7–33).

Sodann wurden als Hilfsmöglichkeiten für die Zinkindustrie erwähnt

1)

internationale Verständigung über Produktionseinschränkungen,

2)

Zinkzölle,

3)

Subventionen.

Es wurde festgestellt, daß begründete Aussichten auf internationale Syndikatsverständigung nicht bestehen. Es sei im Gegenteil zu befürchten, daß das Ausland den Plan verfolge, zunächst die deutsche Zinkindustrie zum Erliegen zu bringen und erst dann eine Verständigung zu treffen3.

3

Am 15.7.31 wurde ein internationales Zinkkartell mit Wirkung vom 1.8.31 und einer Laufzeit von 5 Jahren und 3 Monaten vereinbart (Inhaltsangabe des Syndikatsvertrags in R 43 I /2424 , Bl. 100–101).

Die Zollfrage wurde mit der Feststellung abgetan, daß das Kabinett Zinkzölle kürzlich abgelehnt habe, und zwar u. a. mit Rücksicht darauf, daß durch die Bindung gegenüber Belgien eine Ermächtigung der Reichsregierung zur Festsetzung von Zinkzöllen zunächst nicht angewandt werden könnte4. Infolgedessen bestand Übereinstimmung in der Ansicht, daß als Hilfe für die[1185] Zinkindustrie lediglich eine Subventionierung in irgendeiner Form, etwa nach dem Beispiel von Mansfeld5 oder Mechernich6 übrig bliebe.

4

S. Dok. Nr. 321.

5

Seit Juli 1930 zahlten Reich und Preußen für die Sicherstellung der Kupfergewinnung der Mansfeld AG für Bergbau und Hottenbetrieb einen zinslosen Kredit von 450 000–500 000 RM monatlich (R 43 I /2177 , Bl. 65).

6

S. Dok. Nr. 157, P. 3.

Von dieser Annahme ging auch der Reichswehrminister mit seinem Vorstoß in der Angelegenheit aus, den er durch ein persönliches Schreiben an den Reichswirtschaftsminister gemacht und durch das er den Anlaß zu der Einberufung der Sitzung geboten hat. Der Reichswehrminister vertritt die Ansicht, die von Major von Hanneken näher erläutert wurde, daß die deutsche Zinkproduktion, d. h. Zinkerzgruben- und Hüttenbetriebe unbedingt aus Gründen der Landesverteidigung erhalten werden müssen. Wenn einer der wichtigsten Kriegsrohstoffe im Inlande überhaupt nicht mehr beschafft werden könne, könne überhaupt die ganze Wehrpolitik aufgegeben werden.

Der Gang und das Ergebnis der Aussprache war in großen Zügen dann folgendes:

Der wehrpolitische Gesichtspunkt wurde dahin geklärt – und zwar namentlich durch Auskünfte von Dr. von der Porten –, daß die Rohstofflage Deutschlands für den Fall der Landesverteidigung seit dem Versailler Vertrag bereits außerordentlich schwierig sei. Wichtiger als Zink seien freilich noch Kupfer und Aluminium. Die einzige deutsche Kupferproduktion sei Mansfeld, das durch die bekannte Aktion gehalten werde. Zink komme unter den Metallen wohl an dritter Stelle, weil es erforderlich sei zur Herstellung von Messing, d. h. also für Kartuschen und Geschoßhülsen aller Art. Für diese Zwecke könne es nicht etwa durch Eisen oder Stahl ersetzt werden. Der Zinkerzbedarf müsse zur Zeit bereits zu 3/5 aus dem Auslande eingeführt werden.

Nach diesen ganzen Umständen bestand Übereinstimmung darüber, daß der Standpunkt des Reichswehrministers unbedingt anerkannt werden müsse, daß die Erhaltung der deutschen Zinkerzförderung dringend notwendig ist.

Vom allgemeinen wirtschaftlichen Gesichtspunkte aus wurde andererseits, namentlich von den Vertretern des Reichswirtschaftsministeriums, vorgebracht, daß eine Stützungsaktion nicht den Grundsätzen des Wirtschaftsministeriums und den Interessen der allgemeinen Wirtschaft entsprechen würde. Dem Bedarf der Wirtschaft ist zur Zeit durch den international stark gedrückten Zinkpreis ausreichend gedient. Eine Stützungsaktion würde voraussichtlich aus finanziellen Gründen sich schwerlich auf alle Betriebe erstrecken können. Ministerialdirektor Heintze leitete daraus die Befürchtung her, daß gegebenenfalls nur eine Stützung eines Teiles der Wirtschaft auf Kosten eines anderen Teiles, womöglich sogar der Konkurrenzbetriebe erfolgen müßte. Schließlich wurde jedoch auf Auskünfte von Dr. von der Porten über die Entwicklungsmöglichkeiten des Zinkpreises anerkannt, daß die Erhaltung der deutschen Zinkproduktion doch auch allgemein wirtschaftlich von großer Bedeutung wieder werden könne. Der Zinkpreis liegt zur Zeit mit 10½ £ pro Tonne so niedrig, daß er nach Ansicht von der Portens bestimmt und vielleicht sogar in nicht zu ferner Zeit wieder steigen muß. Bei dem jetzigen Preis arbeiten sogar die[1186] besten kanadischen Gruben mit dem günstigsten Vorkommen ohne jeden Gewinn. Im letzten Jahre stand der Zinkpreis zeitweise noch auf 28 £. Daraus ergibt sich die Folgerung, daß es auch für die allgemeine deutsche Wirtschaft voraussichtlich später wieder sehr wünschenswert sein kann, von hohen Auslandszinkpreisen soweit wie möglich unabhängig zu sein durch eine eigene deutsche Zinkerzproduktion.

Der arbeitspolitische Gesichtspunkt schien allgemein weniger von Bedeutung zu sein, da die Zahl der in Frage stehenden Arbeiter verhältnismäßig niedrig ist. Nach dieser Richtung sollen aber genauere Feststellungen noch getroffen werden.

Im einzelnen wurden sodann die Lage und die Stützungsmöglichkeiten bei den verschiedenen Betrieben besprochen. Es handelt sich im wesentlichen um

1.

die Betriebe der Firma Giesche’s Erben in Schlesien,

2.

um die der Stollberg AG in Rheinland und Westf[alen], an der hauptsächlich beteiligt sind Dr. Silverberg und die Metallgesellschaft und

3.

die der Berzelius AG, die einen Betrieb in Duisburg bereits stillgelegt hat, ebenso wie ihre Zinnbetriebe.

Außer diesen Gruben- und Hüttenbetrieben kommen als wesentliche aufbearbeitende Betriebe in Frage Oberweser und Oberschöneweide.

Zum wehrpolitischen Gesichtspunkt wurde im einzelnen noch festgelegt, daß es sich nicht so sehr um Erhaltung der Aufbearbeitungsbetriebe als vielmehr um die Erhaltung der Erzproduktion handele. Von den entsprechenden Betrieben seien die von Giesche in Schlesien und von der Stollberg AG im Rheinland im Ernstfalle der Landesverteidigung gefährdet. Deswegen müsse darauf geachtet werden, möglichst die Produktion in Mitteldeutschland zu schützen, bzw. die Rohstoffe dort in größerem Umfange für die Aufbearbeitung zu stapeln.

An Zahlen schienen in dieser Hinsicht wesentlich die Produktionsziffern

von Oberweser in Höhe von

15 000 t

Oberschöneweide in Höhe von

7 400 t

insgesamt

22 400 t,

dazu die des geplanten Betriebes von Giesche bei Magdeburg in Höhe von 40 000 t. Dieser Elektrolyt-Betrieb bei Magdeburg würde nach der gutachtlichen Ansicht von der Portens vielleicht in drei Jahren betriebsfertig sein können.

Zur Lage von Stollberg wurde als sicher angenommen, daß die Betriebe dieser Gesellschaft ohne Hilfe in höchstens einem halben Jahre zum Erliegen kommen würden. Das Erzvorkommen wäre nicht so günstig, daß sie später wieder neu in Betrieb genommen werden könnten. Der Bankkredit beläuft sich zur Zeit auf 2½ Millionen. Die Aussichten sind so, daß die Leitung es nicht verantworten zu können glaubt, von den Banken weitere Kredite in Anspruch zu nehmen.

Im Gegensatz dazu wurde durch von der Porten festgestellt, daß die Erzverhältnisse bei Giesche so günstig sind wie etwa bei den besten kanadischen Gruben, so daß deren Betrieb nicht dauernd zum Erliegen kommen könnte. Sie[1187] würden, wenn sie zeitweise eingestellt werden müßten, bestimmt in späteren Zeiten wieder in Betrieb genommen werden.

Gestreift wurde bezüglich Giesche die Möglichkeit einer Stützung in der Form, daß ein Preis von 16 £ pro t garantiert würde. Dadurch würde der Betrieb erhalten werden können, ohne daß Gewinn gemacht würde. Auch die Frage von Frachtvergünstigungen für Erze aus Schlesien und Magdeburg wurde besprochen.

Dem Vertreter des Reichsverkehrsministeriums wurde auf Bedenken gegen solche Erleichterungen vorgehalten, daß die Reichsbahn dadurch Transporte erhalten würde, die sie sonst nicht haben würde, so daß sie sehr leicht Frachtvergünstigungen zugestehen könne.

Als Ergebnis der Besprechung wurde vereinbart, daß die Sachbearbeiter im Reichswirtschaftsministerium, Reichswehrministerium und Reichsarbeitsministerium gemeinsam nach den erwähnten Gesichtspunkten die Lage und Stützungsmöglichkeiten bei den einzelnen Werken näher prüfen sollen7. Auf Grund der genauen Feststellungen wollen dann diese Ministerien ihre endgültige Stellungnahme abgeben und nötigenfalls die Angelegenheit vor das Kabinett bringen.

7

Das RWiMin. widersetzte sich während der Regierungszeit Brünings erfolgreich der Einführung des Zinkzolls.

Das Reichsverkehrsministerium soll für den Fall, daß eine Stützung durchgeführt werden soll, gleichzeitig die Möglichkeit von Frachterleichterungen klären und dazu Stellung nehmen.

K[rebs]

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