1.199.1 (bru3p): Vorbereitung über eine nach Rückkehr des Herrn Reichskanzlers vorgesehene Ministerbesprechung […]

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Vorbereitung über eine nach Rückkehr des Herrn Reichskanzlers vorgesehene Ministerbesprechung […]

I. Aufstellung des Reichshaushaltsplans 1932.

II. Sozialpolitische Reformmaßnahmen.

III. Wirtschaftsankurbelung durch

a) Arbeitsbeschaffung,

b) Siedlung,

c) Arbeitsdienst1.

1

Vgl. hierzu Dok. Nr. 760, P. 1.

Der Reichsminister der Finanzen bat, die Aussprache über die Aufstellung des Reichshaushaltsplans 1932 einstweilen zurückzustellen2, da die Herbeiführung des Ausgleichs zwischen Einnahmen und Ausgaben wesentlich von der Umstellung der Arbeitslosenfürsorge und den dabei zu erzielenden Ersparnissen abhängig sei3. Über dieses Thema aber könne im Augenblick ebenso wenig gesprochen werden wie über die Pläne von durchgreifenden Änderungen in der Sozialversicherung. Diese Dinge seien politisch bedingt und müßten daher bis nach den politischen Wahlen zurückgestellt bleiben.

2

Vgl. Dok. Nr. 715, P. 1.

3

Vgl. Dok. Nr. 644 und Dok. Nr. 682, P. 1.

Staatssekretär Geib fügte ergänzend hinzu, daß der Reichsarbeitsminister die genannten Fragen auch nur im Zusammenhang mit der Arbeitsbeschaffung zur Erörterung bringen könne; denn er halte weitere Einschränkung in der Sozialversicherung und der Arbeitslosenfürsorge nur dann für durchsetzbar, wenn die Reichsregierung gleichzeitig positive Vorschläge zur Belebung des Arbeitsmarktes verwirklichen könne4.

4

Mit Schreiben vom 3.3.32 hatte der RArbM den StSRkei aufgefordert, eine Chefbesprechung oder eine Kabinettssitzung über Fragen der Arbeitsbeschaffung anzusetzen. Der RArbM hatte folgende baureife Projekte in folgender Höhe benannt: bei der RB 300 MioRM, bei der RP 100 MioRM, Straßenbau 300–400 MioRM, landwirtschaftliche Meliorationen 200–300 MioRM, Wasserbauprojekte des RVMin. 50 MioRM. Außerdem hatte Stegerwald den Kleinwohnungsbau auf dem flachen Lande und in Kleinstädten in Höhe von 200 MioRM vorgeschlagen. Außerdem lägen Pläne für öffentliche Notstandsarbeiten der Dt. Gesellschaft für öffentliche Arbeiten AG für 50 MioRM vor. Insgesamt hatte der RArbM die Kosten für ein Programm zusätzlicher Arbeiten mit 1,2–1,4 Mrd. RM geschätzt. Damit könnten 200 000 Arbeitslose für ein Jahr beschäftigt werden; dazu 400 000 Arbeitskräfte für Vor- und Nebenarbeiten. In den Osthilfegebieten kämen Straßenbauarbeiten, landwirtschaftliche Meliorationen und Flußregulierungen in einem Gesamtumfang von 200 MioRM in Frage. Zur Frage der Finanzierung hatte der RArbM ausgeführt: „Ich bin mir bewußt, daß die Entscheidung über meine Vorschläge von der Frage der Finanzierung abhängig ist und verkenne nicht die Schwierigkeiten, die hier bestehen […]. Die Gefahren der politischen Lage scheinen mir in dieser Beziehung so groß zu sein, daß man in der Frage der Finanzierung unter Umständen selbst vor Maßnahmen nicht zurückschrecken darf, die unter anderen Verhältnissen bedenklich erscheinen würden“. Der RArbM hatte dabei auf die Hilfe der Rbk verwiesen, gewisse Möglichkeiten der Finanzierung zu finden (R 43 I /2045 , Bl. 12–14). MinR Feßler hatte in einem Vermerk vom 7.3.32 festgehalten, das RArbMin. habe seine Kabinettsvorlage ohne Fühlungnahme mit den beteiligten Ressorts ausgearbeitet. Der Vorschlag „soll nicht ohne die politische Erwägung geschaffen sein, daß die vorlegende Stelle nach außen hin alles getan haben will, um den – insbesondere von den Gewerkschaften – vorgebrachten Wünschen Rechnung zu tragen. Die Vorlage widerspricht der bisherigen Haltung des Kabinetts und der Reichsbank. Die Währung kann nur geschützt werden, wenn Kreditausweitungen dieses Ausmaßes nicht vorgenommen werden. Im Reichswirtschaftsministerium wird insbesondere die Veröffentlichung über das Programm in der Abendnummer der DAZ vom 7. März mit äußerster Besorgnis betrachtet, auch aus reparationspolitischen Gründen […]. Es darf ergebenst angeregt werden, die Angelegenheit morgen, 8. März, im Kabinett zur Sprache zu bringen, möglichst nach vorheriger telefonischer Fühlungnahme mit dem Herrn Reichskanzler. Würde sich nach außen hin zeigen, daß das Kabinett in dieser wichtigsten Frage geteilter Meinung ist, so würde daraus bereits großes Unheil entstehen können. Die Folgen eines Eingehens auf den Vorschlag würden für die deutsche Währung in höchstem Grade bedenklich sein“ (R 43 I /2045 , Bl. 15, der angesprochene DAZ-Artikel vom 7.3.32, Nr. 112 „Umfassendes Arbeitsbeschaffungsprogramm der Regierung – Öffentliche Aufträge in Höhe von 1,2 Milliarden – Beschäftigung für 600 000 Arbeitslose – Die schwierige Finanzierung“, a.a.O., Bl. 16). Vgl. hierzu auch die Äußerung des RK in Dok. Nr. 754.

[2424] Auf Vorschlag des Reichsministers der Finanzen wurde die folgende Aussprache daher im wesentlichen auf die Erörterung von Möglichkeiten neuer Arbeitsbeschaffung beschränkt, zumal eine Klärung dieser Fragen im Hinblick auf den zum 13. April einberufenen Krisenkongreß des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes vordringlich erschien5.

5

Vgl. Dok. Nr. 699, Anm. 39 und Dok. Nr. 715, P. 2.

Der Einzelaussprache vorausgeschickt wurde die Feststellung, daß die Kernfrage in der Finanzierungsmöglichkeit bestehe.

Der Reichsbankpräsident ließ erkennen, daß die Reichsbank bereit sein werde, über die Finanzierungsmöglichkeiten mit sich reden zu lassen, vorausgesetzt, daß der Reichshaushaltsplan 1932 ohne wesentliche Beanspruchung der Reichsbank in Ordnung komme6.

6

Vgl. den Tageseintrag Luthers vom 8.4.32, Nachl. Luther , Nr. 368, Bl. 96–101, auch in Schulz, Politik und Wirtschaft in der Krise, Dok. Nr. 462. Ebenso Schäffers Tagebuch vom 8.4.32, IfZ ED 93, Bd. 20, Bl. 437–400, hier Bl. 437.

Zur Frage der Arbeitsbeschaffung haben vorbereitende Ressortbesprechungen stattgefunden, und zwar am 1. April 1932 im Reichsarbeitsministerium (Anlage 1)7 und am 5. April im Reichswirtschaftsministerium (Anlage 2)8. Über diese Besprechungen[2425] lagen schriftliche Aufzeichnungen vor, deren wesentlicher Inhalt vorgetragen wurde.

7

Die Besprechung im RArbMin. am 1.4.32 diente der Abklärung der vorliegenden konkreten Arbeitsbeschaffungsmöglichkeiten. Der Vorsitzende der Besprechung, MinR Beisiegel, hatte ausgeführt: „Dabei sei es, schon aus taktischen Gründen, nicht tunlich, davon auszugehen, daß ein ‚Milliardenprogramm‘ durchgeführt werden könne und müsse. Man müsse sich auf konkrete Projekte beschränken und deren Finanzierungsmöglichkeit ins einzelne prüfen“ (Vermerk in R 43 I /882 , Bl. 247–250 und mit Schreiben Beisiegels vom 2.4.32 in R 43 I /2045 , Bl. 28–32; Zitat R 43 I /882 , Bl. 247).

8

Die Besprechung im RWiMin. am 5.4.32 war Finanzierungsfragen gewidmet. Min.Dir. Reichardt hatte darauf hingewiesen, „daß die Finanzierung der Arbeitsbeschaffung in der heutigen Sitzung nicht unter dem Gesichtspunkt einer etwaigen zentralen Kreditausweitung besprochen werden solle. Dieser Fragenkomplex sei politischer Natur und berühre das Währungs- und Reparationsproblem. Vielmehr sei lediglich beabsichtigt, einen Überblick darüber zu gewinnen, ob im Einzelfall individuelle, der Eigenart des einzelnen Projektes angemessene Finanzierungsmöglichkeiten bestünden“. Zur Frage der Verwendung von Überschüssen der RAfAuA in Höhe von 260 MioRM hatte MinR Beisiegel betont, daß diese zur Abdeckung des zu erwartenden Gesamtdefizits von rund 660 MioRM der Arbeitslosenfürsorge verwendet werden müßten, ganz abgesehen davon, daß die RAfAuA in den vergangenen Jahren vom Reich Kredite in einer Gesamthöhe von 700 MioRM erhalten habe. Zur Frage, ob die Rbk Handels- und Finanzwechsel für einzelne Projekte rediskontieren könne, hatte RbkDir. Waldhecker geantwortet, die Rbk habe bereits eine Quote von 50% Finanzwechsel und könne daher keine weiteren Finanzwechsel hereinnehmen, sie könne jedoch Handelswechsel rediskontieren mit einer Laufzeit von 1–2 Jahren. ORegR Raps vom RFMin. hatte die Anforderungen der anderen Ressorts für Arbeitsbeschaffungsprojekte als Generalangriff auf die Reichskasse bezeichnet, da für die meisten Vorhaben verlorene Zuschüsse gefordert würden. Für Hausreparaturen und für Siedlungszwecke sei das RFMin. jedoch bereit, gewisse Etatsmittel bereitzustellen. MinDir. Reichardt faßte als Ergebnis der Besprechung zusammen, „daß sich die Möglichkeit einer besonderen Finanzierung im Einzelfall nicht ergeben habe. […] Der Vorsitzende weist am Schluß darauf hin, daß die Frage einer etwaigen Prämienanleihe dringend der Prüfung durch das Reichsfinanzministerium und die Reichsbank bedürfe. Der ganze Fragenkomplex müsse mit größter Beschleunigung geklärt werden, um dem weiteren Zusammenbruch der Wirtschaft entgegenzuwirken“ (R 43 I /882 , Bl. 251–252, auch in R 43 I /2045 , Bl. 26–27). Zur Prämienanleihe siehe auch Dok. Nr. 715, Anm. 6.

Als ausbaufähige Möglichkeiten wurden insbesondere die folgenden hervorgehoben:

1)

aus dem Geschäftsbereich des Reichsarbeitsministeriums:

a)

Hausreparaturen9,

b)

ländliche Siedlung,

c)

vorstädtische Randsiedlung.

2)

aus dem Geschäftsbereich des Reichsverkehrsministeriums:

a)

Ausbau des Straßennetzes,

b)

Hochwasserschutz10.

3)

aus dem Geschäftsbereich des Reichsministeriums für Ernährung und Landwirtschaft:

Landwirtschaftliche Meliorationen11.

4)

aus dem Geschäftsbereich des Reichswirtschaftsministeriums:

Ausbau der Russengeschäfte12;

ferner zusätzliche Beschaffungsaufträge der Reichsbahn und der Reichspost13.

9

Das RArbMin. hatte in der Besprechung vom 1.4.32 für Hausreparaturen einen Bedarf von 50 MioRM genannt (R 43 I /882 , Bl. 247–250, hier Bl. 249).

10

Für den Straßenbau stünde nur die KfZ-Steuer zur Verfügung, ansonsten müßte 60%–70% verlorene Zuschüsse gegeben werden. Verlorene Zuschüsse müßten ebenfalls für die Befestigung von Flußläufen gegeben werden; es könnten Arbeiten im Wert von 35 Mio. von 25 000 Arbeitern für die Dauer von 8 Monaten ausgeführt werden; dieser Ansatz könne auf 50 MioRM für 35 000 Arbeiter bzw. auf 130 MioRM für etwa 70 000 Arbeiter erhöht werden (Besprechung vom 1.4.32 im RArbMin; R 43 I /882 , Bl. 247–250, hier Bl. 248 und Bl. 249).

11

Das REMin. hatte vorgeschlagen, für 200 MioRM 120 000 Arbeitskräfte mit landwirtschaftlichen Meliorationen zu beschäftigen; die Finanzierung sollte durch zinsverbilligte Darlehen mit fünfzehnjähriger Laufzeit sichergestellt werden (Besprechung vom 1.4.32 im RArbMin., R 43 I /882 , Bl. 247–250, hier Bl. 246).

12

Vgl. Dok. Nr. 691, P. 4.

13

Die RB wollte nach dem Vermerk über die Besprechung vom 1.4.32 im RArbMin. konkrete Vorschläge erst dann vorlegen, wenn zins- und tilgungsfreie Geldmittel zur Verfügung gestellt würden. Die RP war bereit, vorausgesetzt, ihr würde eine langfristige zinsgünstige Anleihe gewährt, ein zusätzliches Beschaffungsprogramm von etwa 50 MioRM durchzuführen; davon 40 MioRM auf das Fernsprechwesen (elektrische Industrie 13,7 MioRM, Kabel- und Drahtwerke 15,5 MioRM), 9–10 MioRM auf Bauten, 1 MioRM für Kraftwagen. Die weitere Automatisierung des Telefons führe allerdings zu einer Entlassung von 1 000 Arbeitskräften bei der RP, während auf der anderen Seite die Beschäftigung der Arbeiter in der Industrie höchstens sechs Monate dauern würde. Ob das im Haushalt der RP vorgesehene Beschaffungsprogramm durchführbar sei, sei übrigens von der Entwicklung der Einnahmen abhängig und daher zweifelhaft (R 43 I /882 , Bl. 247–250, hier Bl. 247–248).

[2426] Die federführenden Ressorts wurden aufgefordert, bis zum 12. d. Mts. möglichst weitgehende, praktisch durchführbare Pläne für die einzelnen Möglichkeiten ausarbeiten zu lassen und bei der Reichskanzlei einzureichen14.

14

Siehe Dok. Nr. 715, P. 2.

Der Reichsminister der Finanzen übernahm es, bis zu diesem Tage einen einheitlichen Plan über die Finanzierung auszuarbeiten15.

15

Siehe Dok. Nr. 715, P. 1.

Es wurde ferner in Aussicht genommen, am Montag, dem 11. d. Mts., eine besondere Chefbesprechung unter dem Vorsitz des Reichsministers der Finanzen stattfinden zu lassen, die sich mit der speziellen Frage der landwirtschaftlichen Siedlung im Ostgebiet befassen soll. Hierzu hatte der Reichswirtschaftsminister bestimmte Richtlinien vorgetragen, die sich auf den Abbau des Ausnahmezustandes im Ostgebiet und im Zusammenhang damit auf den Erwerb, die Auswahl und die Bereitstellung geeigneten Siedlungsgeländes im Osten beziehen. Zu der Chefbesprechung soll auch der Ostkommissar zugezogen werden16.

16

Ein Vermerk über diese Besprechung konnte in den Akten der Rkei nicht ermittelt werden.

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