1.206.4 (bru3p): 4. Ratifizierung des Genfer Arbeitszeitabkommens für den Kohlenbergbau.

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4. Ratifizierung des Genfer Arbeitszeitabkommens für den Kohlenbergbau.

Der Reichswirtschaftsminister nahm Bezug auf seine den Reichsministern zugegangene schriftliche Vorlage vom 8. April […] und wiederholte, daß er den vom Reichsarbeitsministerium formulierten Vorbehalt zur Frage der Ratifizierung des Genfer Arbeitszeitabkommens für den Kohlenbergbau für unzureichend halte13.

13

Über die Zweckmäßigkeit der Ratifizierung des Genfer Arbeitszeitabkommens für den Kohlenbergbau hatte es bereits im Mai 1931 einen Schriftwechsel zwischen StS Trendelenburg und dem RArbM gegeben: R 43 I /2075 , Bl. 40–50. In seiner Vorlage vom 8.4.32 hatte der RWiM vier Vorbehalte gegen die Ratifizierung zum gegenwärtigen Zeitpunkt gemacht: 1) die Aufgabe des Goldstandards durch England habe eine völlige Verschiebung der Voraussetzungen bewirkt; 2) die weitgehenden psychologischen Rückwirkungen auf die Unternehmer, die nach den maßgeblichen Regierungserklärungen ein Abgehen von den im Augenblick undurchführbaren sozialpolitischen Grundsätzen erwarteten; 3) Rückwirkungen in reparationspolitischer Hinsicht, weil wichtige Reparationsgläubiger, wie Großbritannien, eine positivere Erklärung zur Ratifizierung ablehnten; 4) die Lage des dt. Kohlenbergbaus, der keine zusätzliche Kostenbelastung vertrüge (R 43 I /2075 , Bl. 125–126).

Der Reichsarbeitsminister vertrat den gegenteiligen Standpunkt.

Ministerialdirektor Sitzler verlas den Wortlaut der beabsichtigten Vorbehaltserklärung, so wie er sich aus der Anlage ergibt14. Ergänzend fügte er hinzu, daß die[2452] Abgabe einer schriftlichen Erklärung bei der bevorstehenden Genfer Tagung nicht infrage komme, daß der Standpunkt der Länderregierung vielmehr üblicherweise dort nur mündlich vorgetragen werde. Im übrigen trage der Entwurf der von ihm beabsichtigten mündlichen Erklärung nach der Auffassung des Reichsarbeitsministeriums den Bedenken des Reichswirtschaftsministeriums voll Rechnung. Die spätere Entscheidung darüber, ob der Tatbestand des Vorbehalts erfüllt sei oder nicht, stehe der Reichsregierung zu. Infolgedessen könne die Reichsregierung demnächst frei darüber entscheiden, ob sie ratifizieren wolle oder nicht. Die in Genf abzugebende Erklärung noch negativer zu fassen wie vorgesehen, halte er angesichts der Vorgeschichte der Verhandlungen und der von Deutschland dabei eingenommenen Haltung aus politischen und taktischen Gründen nicht für angängig.

14

In dieser Erklärung hieß es u. a.: „Bei der letzten Zusammenkunft der beteiligten Regierungen in Genf hatte sich die Deutsche Regierung auf den Standpunkt gestellt, daß die unklare politische und wirtschaftliche Lage einer endgültigen Entscheidung Deutschlands in dieser Frage hindernd im Wege stände. Wenn die Deutsche Regierung heute trotzdem eine positive Haltung zur Frage der Ratifikation des Übereinkommens einnimmt, so tut sie das in der sicheren Erwartung, daß die bevorstehenden politischen und wirtschaftlichen Verhandlungen der Lage Deutschlands gerecht werden und die notwendige Entlastung für die deutsche Wirtschaft mit sich bringen. Sollten diese Erwartungen nicht in Erfüllung gehen, so müßte sich die Deutsche Regierung vorbehalten, die Angelegenheit erneut einer Nachprüfung zu unterziehen“ (R 43 I /2075 , Bl. 127–128, hier Bl. 127).

Der Reichswirtschaftsminister erklärte sich daraufhin bereit, seinen Widerspruch fallen zu lassen, wenn im Protokoll festgestellt werde, daß die demnächstige Entscheidung darüber, ob der Tatbestand des Vorbehalts, d. h. also, ob „die sichere Erwartung, daß die bevorstehenden politischen und wirtschaftlichen Verhandlungen der Lage Deutschlands gerecht werden und die notwendige Entlastung für die deutsche Wirtschaft mit sich bringen“ vom Reichskabinett selbständig getroffen werden müsse.

Der Reichsarbeitsminister war hiermit einverstanden.

Für den Reichskanzler, der die Sitzung wegen seiner bevorstehenden Abreise nach Genf vorzeitig verlassen mußte15, stellte der den Vorsitz führende VizekanzlerDietrich fest, daß das Reichskabinett mit dieser Feststellung in der Niederschrift einverstanden sei16.

15

Zur Teilnahme an der Genfer Abrüstungskonferenz.

16

Das Abkommen ist 1932 nicht ratifiziert worden.

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