1.189 (bru3p): Nr. 703 Staatssekretär Pünder an den Bayerischen Ministerpräsidenten. 29. März 1932

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Nr. 703
Staatssekretär Pünder an den Bayerischen Ministerpräsidenten. 29. März 1932

Nachl. Pünder 680, Durchschrift

[Betrifft: Wahl des Reichspräsidenten]

Hochverehrter Herr Ministerpräsident!

Zu seinem lebhaftesten Bedauern ist der Herr Reichskanzler vor seiner Abreise zu kurzem und wohlverdienten Osterurlaub1 nicht mehr dazu gekommen, Ihnen persönlich für Ihr gütiges handschriftliches Schreiben vom 15. d. Mts.2 zu danken. Er hat sich über Ihre Zeilen, wie ich persönlich weiß, außerordentlich gefreut und bis zur letzten Minute gehofft, sie in gleicher Weise persönlich beantworten zu können. Wie üblich, drängten die Geschäfte aber derart, daß es nicht mehr dazu kam, weswegen ich mich im besonderen Auftrage des Herrn Reichskanzlers mit wenigen Zeilen an Sie wenden darf.

1

RK Brüning hielt sich vom 24. 3.–4.4.32 über Ostern zum Urlaub in Badenweiler auf (Nachl. Pünder  Nr. 44, Bl. 61); vgl. Brüning, Memoiren, S. 534–536.

2

Vgl. Dok. Nr. 696.

Zunächst ist es des Herrn Reichskanzlers Wunsch, dem auch ich mich in aller Herzlichkeit anschließen darf, daß Sie möglichst bald wieder im Vollbesitz Ihrer Kräfte sein möchten. Hoffentlich hat der Frühling in Lugano Ihre Wiedergenesung beschleunigt. Nicht nur aus sachlichen und politischen Gründen, sondern auch aus Gründen herzlicher persönlicher Anteilnahme würde der Herr Reichskanzler außerordentlich die Nachricht begrüßen, daß Sie wieder Ihr schwieriges und bedeutsames Amt als Leiter der bayerischen Geschicke in München in Ihre bewährten Hände genommen haben.

Den Ausfall des ersten Wahlgangs zur Reichspräsidentenwahl3 hatten wir, wenn ich dies offen aussprechen darf, nicht ganz so gewertet, wie Sie es anscheinend getan haben. Der Erfolg des Herrn Reichspräsidenten von Hindenburg war doch, selbst wenn auch die letzten paar hunderttausend Stimmen fehlten, ein überwältigend großer. Wenn auch, was kein verständiger Deutscher bestritten hat, die Nationalsozialisten jetzt zweifellos die stärkste politische Partei Deutschlands darstellen, so stehen hinter der Bewegung entgegen allen überheblichen nationalsozialistischen Prophezeiungen doch halt nur 30% des deutschen Volkes. Daß der Bewegung unter allen Umständen sorgfältigste Beobachtung geschenkt werden muß, ist natürlich selbstverständlich. Die feste Haltung der Reichsregierung gegenüber den[2402] Braunschweigischen Osterplänen4 hat es ja eben erst wieder gezeigt. Wenn Vorkommnisse des vergangenen Jahres Zweifel in bezug auf die Haltung der Reichsregierung vielleicht da und dort hatten aufkommen lassen, so sind diese doch durchaus unbegründet. Vor wenigen Tagen teilte mir Herr Staatspräsident Dr. Schmitt von Baden in Weimar mit5, daß die süddeutschen Innenminister aus ähnlichen sorgenvollen Erwägungen heraus die Absicht hätten, in Berlin eine baldige Besprechung mit dem Herrn Reichswehr- und Innenminister Groener zu haben. Ich empfahl ihm, dieserhalb sofort mit dem gleichfalls anwesenden Herrn Reichsinnenminister zu sprechen, wobei ich gleich hinzufügte, daß der Herr Staatspräsident gewiß absolut beruhigt über diese Besprechung sein werden. Tatsächlich verlief auch die Aussprache der beiden Herren so, wie ich vorher gesagt hatte6. Über das, was unmittelbar nach den politischen Wahlen zu geschehn hat, wird man im gegebenen Augenblick mit den deutschen Länderregierungen von hier aus noch sprechen7; soweit ich beurteilen kann, wird eine verschiedene Auffassung nicht bestehen.

3

Vgl. Dok. Nr. 696, Anm. 1.

4

Die Braunschweigische Landesreg. wollte beim Reichsgericht Einspruch gegen die NotVo. über den Osterfrieden (Dok. Nr. 697, Anm. 4) einlegen: Goebbels, Vom Kaiserhof zur Reichskanzlei, S. 67.

5

Am 22.3.32 hatte die Gedächtnisfeier zu Goethes hundertstem Todestag in Weimar stattgefunden: vgl. Nachl. Pünder  Nr. 44, Bl. 72 und Brüning, Memoiren, S. 534.

6

Zum Osterfrieden siehe Dok. Nr. 697, P. 1.

7

Vgl. Dok. Nr. 710.

Von der Vorbereitung des zweiten Wahlganges, die ja – angesichts des Osterfriedens – einstweilen sich sozusagen hinter den Kulissen vollziehen muß, hören wir hier durchaus günstiges. Manche Fehler und Versäumnisse, die beim ersten Wahlgang zutage getreten sind, müssen beseitigt werden. Das Ziel muß sein, die Zahl der Wähler des Herrn Generalfeldmarschalls von Hindenburg auf über 20 Millionen zu steigern8.

8

Zum Ausgang der Stichwahl vom 10.4.32 siehe Dok. Nr. 715, Anm. 1.

Zum Schluß darf ich Ihnen, hochverehrter Herr Ministerpräsident, nochmals von ganzem Herzen baldige völlige Wiedergenesung im Namen des Herrn Reichskanzlers wie auch im eigenen Namen wünschen. In der Hoffnung, daß Sie im Kreise der hochverehrten Ihrigen ein frohes Osterfest verlebt haben, bin ich mit den ehrerbietigsten Grüßen

Ihr

gez. Dr. Pünder.

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