2.115.1 (lut1p): 1. Amnestie.

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Die Kabinette Luther I und II (1925/26), Band 1.Das Kabinett Luther I Bild 102-02064Reichspräsident Friedrich Ebert verstorben Bild 102-01129Hindenburgkopf Bild 146-1986-107-32AStresemann, Chamberlain, Briand Bild 183-R03618

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[399]1. Amnestie.

Reichsminister des Innern Der Reichsarbeitsminister werde ihm bestätigen, daß eine Besprechung zwischen Deutschnationalen und Zentrum über die Amnestie zur Zeit keinen Zweck habe. Die Dinge seien im Zentrum noch nicht geklärt. Es sei am besten, wenn er (Minister Schiele) zunächst mit einigen Herren seiner Fraktion spreche und wenn Minister Brauns dasselbe tue. Im allgemeinen wolle er bemerken, daß die Gesamtsituation zu gespannt sei, als daß man jetzt auch noch diese Belastung sich aufladen solle. Es sei besser, die Amnestie bis zum Herbst zurückzustellen.

Staatssekretär Dr. Joel: Wenn man sich zu einer Zurückstellung der Amnestie bis zum Herbst entschließe, dann sei es auch nötig, das zur Kenntnis der Länder zu bringen.

Der Reichskanzler Eine Vertagung bis zum Herbst sei dann tragbar, wenn auch wirklich begründete Aussichten über eine Verständigung zwischen den Fraktionen beständen.

Der Reichsarbeitsminister bezeichnete es als wünschenswert, wenn die Parteien genau darüber ins Bild gesetzt würden, wie die Amnestie nach rechts und nach links wirke.

Staatssekretär Dr. Joel: Die Parteien, besonders auch das Zentrum, seien genau unterrichtet. Bei einer kürzlich im Reichsjustizministerium stattgehabten Besprechung habe das Zentrum u. a. erklärt, daß es grundsätzlich Gegner von Amnestien sei1. Nur wenn eine allgemeine politische Befriedung durch die Amnestie erreicht werde, sei eine Amnestie tragbar. Eine allgemeine politische Befriedung werde aber nicht erreicht, wenn die Sozialdemokratie gegen die Amnestie stimme.

1

Eine Aufzeichnung hierzu nicht in R 43 I.

Reichsminister des Auswärtigen Die SPD sei Oppositionspartei; an diesen Gedanken müsse man sich gewöhnen. Es sei auch durchaus zu verstehen, wenn die Sozialdemokratie aus ihrer grundsätzlichen Opposition heraus gegen einen Gesetzentwurf stimme, obwohl sie grundsätzlich gegen den Entwurf nichts einzuwenden habe.

Staatssekretär Dr. Joel: Die Sozialdemokratie habe ein unmittelbares Interesse an dem Zustandekommen einer Amnestie. Man dürfe nicht vergessen, daß durch die geplante Amnestie ungefähr 60 Ebert-Prozesse aus der Welt geschafft werden würden.

Staatssekretär Dr. Weismann: Er wolle noch einmal den grundsätzlichen Standpunkt Preußens dahin festlegen, daß Preußen die Amnestie begrüße. Allerdings hätte Preußen gewünscht, daß auch die Delikte nach § 92 Ziff. 1 des Strafgesetzbuchs in den Gesetzentwurf des Reichs einbezogen würden2. Auf jeden Fall müsse nach der Ansicht des Ministerpräsidenten die Einbringung des Gesetzentwurfs beschleunigt werden.

2

S. Anm. 6 zu Dok. Nr. 103.

Der Reichskanzler stellte folgendes fest:

[400] Der Reichsminister der Justiz solle die Parteiführer der Regierungsparteien zu einer Besprechung laden, in der die grundsätzliche Haltung der Regierungsparteien zu dem Referentenentwurf des Reichsjustizministeriums über Amnestie festgelegt werden solle3. Mit einer Vertagung der Amnestie bis zum Herbst könne sich die Regierung auf Wunsch der Regierungsparteien dann einverstanden erklären, wenn die Parteien ihre grundsätzliche Zustimmung zu dem Referentenentwurf4 vorbehaltlich der erforderlichen redaktionellen Änderungen in einer Kommission erklärten.

3

Über diese Besprechung, die am 3. 7. im RJMin. stattfindet, vermerkt Wienstein am 7. 7.: „Mit Ausnahme des Zentrums sollen die Regierungsparteien ihre grundsätzliche Geneigtheit für eine Amnestie zu erkennen gegeben haben. Das Zentrum habe erklärt, daß es kein besonderes Interesse an der Amnestie habe und auf keinen Fall die Initiative in dieser Angelegenheit ergreifen könne. Es sei für das Zentrum schwer tragbar, wenn sich nicht die beiden Parteien, die an der Amnestie besonders interessiert seien, nämlich Deutschnationale und Sozialdemokraten, im wesentlichen auf einen Gesetzentwurf einigten.“ Der Abg. Kahl (DVP) sei gebeten worden, in dieser Angelegenheit mit der SPD Fühlung zu nehmen (R 43 I /1242 , S. 443).

4

S. Dok. Nr. 97, P. 1, dort bes. Anm. 2.

Sollten die Regierungsparteien mit dem Referentenentwurf sich nicht einverstanden erklären, so werde die Regierung vielleicht mit Initiativanträgen der Parteien rechnen müssen.

Das Kabinett hatte hiergegen nichts einzuwenden.

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