2.12.4 (lut1p): 4. Steuergesetzentwürfe, und zwar

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4. Steuergesetzentwürfe, und zwar

a)

Entwurf eines Steuerüberleitungsgesetzes,

b)

Entwurf eines Einkommensteuergesetzes,

c)

Entwurf eines Körperschaftsteuergesetzes,

d)

Entwurf eines Bewertungsgesetzes,

e)

Entwurf eines Gesetzes über Vermögens- und Erbschaftsteuer,

f)

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Verkehrssteuern und des Verfahrens,

g)

Entwurf eines Gesetzes über Erhöhung der Bier- und Tabaksteuer

.

[38] Nach kurzer Einleitung durch den Minister v. Schlieben begründete Staatssekretär Dr. Popitz die Steuergesetzentwürfe in einem eingehenden Vortrage1.

1

Über Inhalt und Bedeutung der Steuergesetzentwürfe s. den ausführlichen Überblick, den der RFM mit seiner Kabinettsvorlage am 23.1.25 übersandt hatte (Dok. Nr. 7).

Zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung wurde beschlossen, den Ressorts bis zum Mittwoch, dem 4. Februar 1925, Gelegenheit zur Mitteilung etwaiger Abänderungswünsche an das Reichsfinanzministerium zu geben und am Donnerstag, dem 5. Februar d. J., eine 2. Lesung im Kabinett zu veranstalten2. Bis dahin sollen die Vertrauensmänner der der Regierung nahestehenden Parteien mit ihren Fraktionen Fühlung nehmen. Von seiten des Reichsfinanzministeriums wurde in Aussicht gestellt, daß, falls noch nachträglich berechtigte Wünsche auf Abänderung sich ergeben sollten, diese durch Herbeiführung anonymer Anträge im Reichsrat oder Reichstag verwirklicht werden würden; soweit die Zustimmung des Reichsfinanzministers nicht erteilt werden könne, werde die Entschließung des Kabinetts herbeizuführen sein.

2

S. Dok. Nr. 16, P. 1.

Der Reichskanzler schlug vor, die Einwendungen auf wichtige Dinge zu beschränken und Fragen von grundsätzlicher Art bis zum Mittwoch möglichst nicht anzuschneiden.

Einwendungen dagegen wurden nicht erhoben.

Nach Beendigung des Vortrages des Staatssekretärs Dr. Popitz regte Minister Dr. Brauns hinsichtlich der Rückzahlung der Einkommensteuervorauszahlungen 1924 an, die Rückzahlung nicht zuzulassen, sondern die Fragen für ein Kompromiß im Reichstag offenzuhalten3.

3

Zur Frage der Einkommensteuervorauszahlungen 1924 s. Dok. Nr. 7. Der RT findet sich bei seiner dritten Lesung des Steuerüberleitungsgesetzes am 27. 5. mit dem Verzicht auf Rückerstattung zuviel gezahlter Vorauszahlungen ab und nimmt das Gesetz mit großer Mehrheit an (RT-Bd. 385, S. 2062 , 2068 , 2071, 2095).

Die Minister Dr. Brauns und Graf Kanitz gaben der Befürchtung Ausdruck, daß von seiten der Industrie und Landwirtschaft sehr viele Härten nachgewiesen und Rückzahlungen in großem Umfange gefordert würden, somit also die Berücksichtigung ihrer Ansprüche starken finanziellen Ausfall bringen würde.

Auf Vorschlag des Reichsfinanzministers soll jedoch an dem Standpunkt des Entwurfs festgehalten werden.

Auf Anregung des Grafen Kanitz unterblieb ein Eingehen in die Einzelheiten der Entwürfe; es wurden nur noch die grundsätzlichen Fragen der Behandlung der Kinderreichen und der Erbschaftsteuer besprochen.

Über diese Fragen erstattete Staatssekretär Dr. Popitz ebenfalls eingehenden Vortrag und wies dabei darauf hin, daß das Reichsfinanzministerium hinsichtlich des Erbschaftsteuergesetzes seinen Eventualvorschlag zur Annahme empfehle4.

4

Der Eventualvorschlag ist der Vorlage maschinenschrl. beigefügt (R 43 I /2396 , Bl. 168 f. und 1398, R 43 I /1398 , Bl. 287 f.). Er soll den § 9 Abs. 1 des Erbschaftsteuergesetzes vom 7.8.22 (RGBl. I, S. 695 ), der den Erwerb des Ehegatten nur dann für steuerpflichtig erklärt, wenn der Altersunterschied mehr als 20 Jahre beträgt und zugleich die Ehe noch nicht 5 Jahre bestanden hat, durch folgende Bestimmung ersetzen: Der Erwerb des Ehegatten ist steuerfrei, wenn Kinder oder Abkömmlinge dieser Kinder leben. Diese Befreiung tritt jedoch nicht ein, wenn nur Stiefkinder, Abkömmlinge von diesen oder Abkömmlinge von an Kindes Statt angenommenen Personen, auf die sich die Annahme an Kindes Statt nicht erstreckt, vorhanden sind.

[39] Auf Anfrage des Ministers Dr. Brauns wurde die Auskunft gegeben, daß eine Heraufsetzung der Grenze für die Steuerfreiheit auf 100 Mark monatlich einen Ausfall von jährlich etwa 600 Millionen Mark, und auf 75 Mark von jährlich etwa 300 Millionen Mark bringen würde und daher von seiten der Reichsregierung nicht angeregt werden könne; hier werde bei den Reichstagsverhandlungen, falls nötig, im Kompromißwege nachzugeben sein5.

5

Bezieht sich wohl auf § 58 des vorliegenden Einkommensteuergesetzentwurfs, der einen vom Steuerabzug freien Betrag vom Arbeitslohn in Höhe von 60 RM vorsieht. In der Endfassung des Gesetzes ist dieser Satz auf 80 RM monatl. heraufgesetzt (RGBl. 1925 I, S. 202 ).

An der Erbschaftsteuer soll, obwohl sie mehr kostet als sie einbringt, aus politischen Gründen festgehalten werden.

Die Minister Dr. Brauns und Graf Kanitz regten ein Steuerprivileg hinsichtlich der Erbschaftsteuer für den landwirtschaftlichen Grundbesitz, insbesondere auch den Kleingrundbesitz an.

Von seiten des Reichsfinanzministeriums wurde aber mit Rücksicht auf die höheren Erbschaftsteuertarife im Auslande eine Senkung des Tarifs unter die Grenze des Entwurfs für politisch nicht vertretbar gehalten; es müsse hinsichtlich Erlasses oder Ermäßigung der Steuer bei den Möglichkeiten bleiben, die nach den Bestimmungen der Reichsabgabenordnung gegeben sind6.

6

S. § 108 der „Reichsabgabenordnung“ vom 13.12.1919 (RGBl., S. 1933 ).

Minister Dr. Neuhaus regte für die kleinen Gewerbetreibenden ähnliche Stundungsbestimmungen an, wie sie für den Grundbesitz vorgesehen sind.

Auch dieser Vorschlag wurde vom Reichsfinanzministerium wegen der technischen Schwierigkeiten als nicht durchführbar bezeichnet, vielmehr auf die Stundungsmöglichkeiten nach der Reichsabgabenordnung verwiesen7.

7

S. dort §§ 104–107.

Minister Schiele fürchtete, insbesondere für die Landwirtschaft, Schwierigkeiten, die sich aus einer verschiedenen Bewertung der Waren, insbesondere der Preise für die landwirtschaftlichen Erzeugnisse insofern ergeben könnten, als die gegenüberzustellenden Jahreseröffnungs- und Schlußbilanzen unter Umständen einen dem inneren Wert nicht entsprechenden rechnungsmäßigen Gewinn ergeben könnten.

Minister Graf Kanitz teilte diese Befürchtungen nur zum Teil, befürchtete aber eine Gefährdung der Mark, wenn etwa eine den Anregungen des Ministers Schiele entsprechende Valorisierungsklausel in das Gesetz aufgenommen würde.

Staatssekretär Dr. Popitz hielt die Bedenken nicht für berechtigt, lehnte jedenfalls für das Finanzministerium eine Valorisierungsklausel als unmöglich ab unter Hinweis darauf, daß Preisschwankungen auch im Frieden an der Tagesordnung gewesen wären. Dem trat das Kabinett bei.

Staatssekretär Dr. Popitz wies abschließend darauf hin, daß es unvermeidlich sein werde, die früheren Steuerbegünstigungen für die Betriebe der Länder und Gemeinden fallenzulassen. Die Länder würden dem voraussichtlich nicht zustimmen, wenn auch eine gleiche Besteuerung für die Reichsbetriebe vorgesehen sei, da ja eine Besteuerung der Reichsbahn nach dem Londoner[40] Abkommen unmöglich sei und auch eine Besteuerung der Post nicht in Frage komme. Ein Gesetzentwurf in diesem Sinne solle alsbald vorgelegt werden8.

8

Es handelt sich um den „Entwurf eines Gesetzes über die gegenseitige Besteuerung des Reichs, der Länder und der Gemeinden“, den der RFM am 30. 1. als Kabinettsvorlage übersendet. Zur Beratung und Annahme durch das Kabinett s. Dok. Nr. 16, P. 2.

Das Kabinett stimmte dem zu.

Der Reichskanzler stellte danach fest, daß die vorliegenden Gesetzentwürfe von dem Kabinett in erster Lesung genehmigt seien, und zwar der Entwurf eines Gesetzes über Vermögens- und Erbschaftsteuer gemäß dem vom Reichsfinanzministerium vorgelegten, mit der Schreibmaschine geschriebenen Eventualvorschlage.

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