2.153.3 (ma11p): 2. Leistungen aus der Reichsbahn.

Zum Text. Zur Fußnote (erste von 2). Zu den Funktionen. Zum Navigationsmenü. Zum Navigationsbaum

 

Bandbilder:

Die Kabinette Marx I und II, Band 1 Wilhelm Marx Bild 146-1973-011-02Reichskanzler Marx vor seinem Wahllokal Bild 102-00392Hochverratsprozeß gegen die Teilnehmer am PutschDawes und Young Bild 102-00258

Extras:

 

Text

RTF

[487]2. Leistungen aus der Reichsbahn.

Staatssekretär Vogt berichtete über den Stand der Verhandlungen in Paris hinsichtlich der Heranziehung der Reichsbahn zu Reparationsleistungen. Die Höhe dieser Leistungen sei von den Sachverständigen auf 6–800 Millionen jährlich beziffert. Die Absicht des Ausschusses laufe scheinbar darauf hinaus, eine Aktiengesellschaft mit 11 Milliarden Stammkapital zu schaffen, welche 11 Milliarden Obligationen herausgäbe. Neben den Stammaktien sollten zwei Kategorien Vorzugsaktien zu je 2 Milliarden geschaffen werden. Die Obligationen sollten mit 6%, die Vorzugsakten mit 8% verzinst werden. Dies würde also bedeuten, daß 980 Millionen Mark allein aufgebracht werden müßten zur Verzinsung der Obligationen und Vorzugsaktien. Der Verwaltungsrat solle 18 Stimmen haben, wovon die Hälfte dem Deutschen Reiche zukommen solle, vielleicht auch einige Stimmen der anderen Hälfte. Daneben sei die Einrichtung eines Zensors vorgesehen. Es bewege sich also der Plan scheinbar in ähnlichen Bahnen wie nach dem zuletzt empfangenen Bericht des Staatssekretärs Fischer. Im übrigen sei es jedoch noch nicht möglich, sich ein klares Bild zu machen.

Inzwischen seien aber noch französischerseits Sonderverhandlungen durch den Chef der Regiebahn, Bréaud, mit dem Geheimrat Wolf in Paris angeknüpft worden. Bréaud habe dabei zu erkennen gegeben, daß französischerseits auf der Sonderverwaltung für die Bahnen des besetzten Gebiets bestanden würde. Voraussetzung für die endgültige Übergabe der Bahn an das Reich sei ein Sicherheitsvertrag, an dem Großbritannien und Amerika beteiligt sein müßten, und ferner die Zahlung einer besonderen Entschädigung an die französische Regierung. Diese Entschädigung denke man sich etwa in Höhe der einjährigen Reineinnahmen, auf Friedensbasis berechnet, d. h. etwa 250 Millionen Goldmark8.

8

Am 22. 3. telegrafierte MinR Wolf aus Paris: „Direktor Bréaud heute mich im Hotel aufsuchte und mit mir die Frage der Rückgabe der Rhein-Ruhr-Bahnen an die dt. Verwaltung eingehend besprach. Bréaud andeutete, daß frz. Reg. gewillt sei, allgemeiner Reparationslösung hinsichtlich der Eisenbahnen nach den Vorschlägen des Sachverständigen-Komitees zuzustimmen. Da diese Vorschläge, wie man wohl annehmen könne, davon ausgehen, daß die Rhein-Ruhrbahnen wieder integrierender Bestandteil der gesamten Reichsbahnen werden müßten, ergebe sich für Frankreich die Notwendigkeit, die Bedingungen zu prüfen, unter denen es auf das Pfand der Regiebahnen verzichten könne. Diese Bedingungen bezögen sich einmal auf die Frage der Sicherheit, sodann auf die Frage der finanziellen Entschädigung für die Preisgabe des Pfandes. Vom Standpunkt der Sicherheit hält B. Verzicht auf Regiebahnen nur für möglich, wenn zwischen Deutschland und Frankreich ein gegenseitiger feierlicher Pakt abgeschlossen wird. Dieser Pakt müsse von allen größeren Nationen, insbesondere England und Amerika, garantiert werden. B. andeutete, daß neuerlicher Schriftwechsel zwischen Poincaré und MacDonald auf diese Frage sich beziehe. Da bis Abschluß solchen Paktes Monate vergehen, wäre vom Standpunkt Sicherheit ‚provisorische Zwischenlösung‘ erforderlich, etwa durch Bildung westlicher Gruppe beschränkt auf linkes Rheinufer. Was die finanzielle Seite betrifft, glaubt B., daß Frankreich Pfand nicht eher aus der Hand geben könne, als RB größere Leistungen für Reparationszwecke nachgewiesen habe. Leistung hätte baldmöglichst, also schon im Laufe 1924 zu erfolgen, und zwar in ungefährer Höhe normalen Nettoertrages Rhein-Ruhrbahnen. Betrag könne durch RB unschwer aufgebracht werden. B. bat um vertrauliche Behandlung seiner Mitteilungen, die nur eine persönliche Mitteilung darstellten. Ich habe Eindruck, daß B. im Auftrage frz. Reg. handelte.“ (Abschr. in R 38 /187 , neu in R 3301 /2187 , Bl. 408 f.).

Der Reichsverkehrsminister war der Auffassung, daß diese Sonderverhandlungen[488] nicht weitergeführt werden dürften, daß vielmehr die Franzosen an den Sachverständigenausschuß zu verweisen seien.

Der Reichsminister des Auswärtigen wies auf die Ähnlichkeit hin, welche zwischen diesen französischen Vorschlägen bezüglich des Sicherheitsvertrages und dem Angebot der Regierung Cuno9 bestünde; es scheine hier ein erheblicher belgischer Einfluß vorzuliegen. Ablehnen müsse man jedenfalls irgendwelche Zahlung, durch welche die Berechtigung der französischen Besitzergreifung der Reichsbahn anerkannt würde.

9

Gemeint ist der dt. Vorschlag eines Nichtangriffspaktes der am Rhein interessierten Staaten vom 13.12.22, abgedr. im Weißbuch des AA „Materialien zur Sicherheitsfrage“, Berlin 1925, S. 10; vgl. auch diese Edition, Das Kabinett Cuno, Dok. Nr. 32, Anm. 9.

Der Reichsminister der Finanzen äußerte die Auffassung, daß man die Verhandlungen nicht kurzer Hand abbrechen, sondern sie fortspinnen und danach trachten müsse, bez. der Reichsbahn in gleicher Weise eine neue Verhandlung herbeizuführen wie hinsichtlich der deutschen Steuerlage.

Die von Staatssekretär Vogt vorgelegte Frage, ob seine Beteiligung an den Verhandlungen in Paris erwünscht sei, wurde nach telefonischer Rücksprache mit dem Staatssekretär Fischer in Paris dahin entschieden, daß die Reise des Staatssekretärs Vogt dorthin zunächst unterbleiben, daß dagegen der Geheimrat Ruppel zur Berichterstattung hierher berufen werden solle.

Ferner wurde beschlossen, daß der Geheimrat Wolf auf telegraphischem Wege angewiesen werden solle, keiner von der Gegenseite vorgeschlagenen Regelung bezüglich der Reichsbahn zuzustimmen, ehe in Berlin auf Grund weiterer eingehender Orientierung Beschluß gefaßt sei.

Extras (Fußzeile):