2.120.5 (ma31p): 1. Erörterung der Lebensmittelpreise und der Fortdauer der landwirtschaftlichen Zölle.

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1. Erörterung der Lebensmittelpreise und der Fortdauer der landwirtschaftlichen Zölle.

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft erläuterte die Zusammenstellungen über die Preisentwicklung, die seinem Schreiben vom 4. November[348] 1926 beiliegen5. Er hielt die Gesamtpreislage trotz des Steigens der Getreidepreise in letzter Zeit nicht für beunruhigend.

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Nicht zu ermitteln. Angaben über die Preisentwicklung landwirtschaftlicher Erzeugnisse finden sich jedoch im Bericht des REM vom 1. 11. „über den Stand des Wirtschaftslebens und der Volksernährung im September 1926“ (R 43 I /2419 , Bl. 265–273). Vgl. auch Statistisches Jb. für das Dt. Reich 1927, S. 297 ff.

Zur Frage der Verlängerung der Geltungsdauer der Getreidezölle und des Mehlzolls6 sprach er sich dahin aus, daß es vermieden werden müsse, den Reichstag in der Angelegenheit zweimal anzugehen. Nur wenn mit großer Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden könne, daß bis zum 31. März 1927 die Zollfrage in einem Handelsvertrage geregelt sei, wäre er mit der Verlängerung der Geltungsdauer der Zölle bis zu diesem Termin einverstanden. Anderenfalls halte er es für richtig, jetzt bereits die Geltungsdauer bis 30. Juni 1927 in Aussicht zu nehmen.

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Die Geltungsdauer der ermäßigten Agrarzolltarife, die in Art. 2 des Gesetzes über den dt.-schwed. Handelsvertrag festgelegt waren, lief am 31.12.26 ab (siehe Dok. Nr. 1, Anm. 8). Auch die in der VO vom 30.7.26 festgesetzten Mehlzölle sollten zum 31.12.26 außer Kraft treten (RGBl. I, S. 428 , 468). – Lt. Vermerk Feßlers vom 10.11.26 vertraten der RFM, der REM und der RWiM den Standpunkt, daß die Geltungsdauer der Getreidezölle des dt.- schwed. Handelsvertrages aus handelspolitischen Gründen bis zum 1.4.27 verlängert werden solle. Eine entsprechende Anordnung könne von der RReg. mit Zustimmung des RR und eines Ausschusses des RT auf Grund des § 4 der Zolltarifnovelle vom 17.8.25 getroffen werden (R 43 I /2419 , Bl. 181).

Vortragender Legationsrat Eisenlohr bat, die Geltungsdauer der Zölle jetzt nur bis 31. März 1927 zu verlängern. Dadurch würde in den schwebenden und bevorstehenden Handelsvertragsverhandlungen für die Verhandlungsgegner ein Anreiz geschaffen, zur Vermeidung der autonomen Zölle rechtzeitig zu einem Abschluß zu gelangen. Bei einer Fristsetzung bis 30. Juni 1927 würde es nicht möglich sein, Gegenleistungen zu erzielen.

Im gleichen Sinne sprach sich Ministerialdirektor Ernst für das Reichsfinanzministerium und Ministerialdirektor Posse für das Reichswirtschaftsministerium aus.

Es wurde beschlossen:

1.

Die Geltungsdauer der Getreidezölle und des Mehlzolles soll bis 31. März 1927 verlängert werden.

2.

Der Herr Reichskanzler wird hierüber im Laufe der kommenden Woche mit den Regierungsparteien verhandeln7.

7

Am 26.11.26 fanden nacheinander Besprechungen mit den Regierungsparteien, mit der SPD, mit der DNVP und der VA statt. Die Vertreter der Regierungsparteien erklärten sich mit dem Vorschlag der RReg. einverstanden, die Geltung der Getreide- und Mehlzölle kurzfristig bis zum 31.3.27 zu verlängern. Gegen diesen Vorschlag äußerte der Abg. Hilferding namens der SPD schwere Bedenken. „Politisch sei es für die SPD sehr unerwünscht, wenn die Verlängerung nur auf 3 Monate erfolge. Es lasse sich nicht übersehen, wie die Lage sich alsdann gestalten werde. Der SPD könne dann daraus ein schwerer Vorwurf gemacht werden, daß sie der Verlängerung zugestimmt habe. Mit einer Herabsetzung der Getreidezölle von 5 auf 4 M für die Zeit vom 1. 1. bis 31.3.1927 würde die SPD einverstanden sein.“ In der Besprechung mit der DNVP und der VA stellten sich die Parteivertreter dagegen auf den Standpunkt, daß das Auslaufen der geltenden Zölle von der RReg. nicht gehindert werden solle. Es sei erforderlich, daß die (höheren) autonomen Zölle für Getreide und Mehl in Kraft treten. Demgegenüber wiesen der REM und die Ressortvertreter „auf das Kräfteverhältnis im Reichstag und darauf hin, daß dann eine Initiativvorlage der SPD mit Sicherheit zu erwarten sei, die sich mit den geltenden Zöllen nicht begnügen würde und daß der Ausgang von Beratungen im Reichstag sich nicht übersehen lasse“. Trotzdem erklärte Graf Westarp, daß die DNVP sich „die Bekämpfung der Regierungsvorlage vorbehalte“ (Protokoll in R 43 I /1020 , Bl. 299–302).

Am 14. 12. stimmte die Mehrheit des Volkswirtschaftlichen Ausschusses des RT dem von der RReg. vorgelegten Entwurf einer „Verordnung über Zolländerungen“ zu (Vermerk Feßlers vom 14. 12., R 43 I /2419 , Bl. 233–234). Die VO wurde noch am 14.12.26 erlassen (RGBl. I, S. 502 ). Sie bestimmte, daß die ermäßigten Agrarzölle des Art. 2 des Gesetzes über den dt.- schwed. Handelsvertrag vom 10.7.26 sowie die Mehlzölle der VO vom 30.7.26 bis zum 31.3.27 in Kraft bleiben.

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