2.16.1 (ma31p): 1. Fürstenauseinandersetzung.

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1. Fürstenauseinandersetzung.

Der Reichskanzler führte aus, daß nach seiner Auffassung der Gesetzentwurf der Regierungsparteien1 noch vor dem 20. Juni2 vom Reichstag in erster Lesung angenommen und dem Rechtsausschuß überwiesen sein müsse.

1

Gemeint ist der GesEntw. „über die vermögensrechtliche Auseinandersetzung zwischen den deutschen Ländern und den vormals regierenden Fürstenhäusern“, den die RReg. am 21.5.26 dem RT zugeleitet hatte. Vgl. Dok. Nr. 1, Anm. 2a.

2

Am 20. 6. sollte der Volksentscheid über den von KPD und SPD unterstützten „Entwurf eines Gesetzes über Enteignung der Fürstenvermögen“ stattfinden. (Text des GesEntw. und Stellungnahme der RReg. dazu: RT-Bd. 408 , Drucks. Nr. 2229 ).

Der Reichsminister des Innern vertrat demgegenüber den Standpunkt, daß der Gesetzentwurf vor dem 20. Juni vom Reichstag in allen drei Lesungen angenommen sein müsse. Die Gefahr eines Erfolges der Sozialdemokraten und Kommunisten beim Volksentscheid3 sei zur Zeit wieder größer denn je. Deshalb sei es unbedingt erforderlich, daß noch vor dem Termin des Volksentscheids der Regierungsentwurf vom Reichstag angenommen werde. Das sei auch dann zu erreichen, wenn die Regierung die von ihm vorgeschlagene Präambel wähle und den Entwurf demgemäß nicht für verfassungsändernd ansehe4. Die[35] Wirtschaftspartei werde für den Regierungsentwurf stimmen, die Sozialdemokraten würden bei der Abstimmung fehlen, so daß auf diese Weise der Entwurf mit einfacher Mehrheit vom Reichstag beschlossen werden könne.

3

Anm. 2.

4

Hierzu die Kabinettsvorlage des RIM Külz vom 3.6.26: Der GesEntw. über die vermögensrechtliche Auseinandersetzung mit den Fürstenhäusern (Anm. 1) „ist von der Reichsregierung im Hinblick auf Artikel 153 Abs. 2 der Reichsverfassung als verfassungsändernd angesehen worden. Wie das dem Rechtsausschuß erstattete Gutachten der Reichsregierung ergibt, war der tragende Grund für diese Auffassung der, daß die in dem Entwurf vorgesehene Enteignung privaten Eigentums der früheren Fürsten zum Teil nicht als zum Wohle der Allgemeinheit erfolgend angesehen werden könne, weil der durch die Enteignung erstrebte Vorteil über den der bloßen Vermögensverschiebung nicht hinausgehe, sondern rein fiskalischer Art sei. [Vgl. diese Edition, Die Kabinette Luther I/II, Dok. Nr. 334, Anm. 4 f.] Dieser entscheidende Grund für die Annahme einer Verfassungsänderung würde wegfallen, wenn der Gesetzgeber selbst durch eine ausdrückliche Bestimmung außer Zweifel stellte, daß er mit seiner Regelung, insbesondere mit der Enteignung keine rein fiskalischen Zwecke, sondern solche Zwecke verfolgt, die das Wohl der Allgemeinheit im Sinne der genannten Verfassungsvorschrift betreffen. Ich beabsichtigte daher, den Regierungsparteien folgende Präambel zu dem dem Reichstage vorliegenden Gesetzentwurf vorzuschlagen: ‚Nachdem durch die Staatsumwälzung des Jahres 1918 die Rechtsverhältnisse zwischen den ehemals regierenden Fürstenhäusern und zwischen den Staaten vernichtet worden sind und nachdem durch die gleiche Staatsumwälzung auch die rechtlichen Grundlagen und die Zweckbestimmungen der Vermögensnutzungen und des Eigentums der ehemaligen Fürstenhäuser ihrer Grundlage beraubt worden sind, wird zur Wiederherstellung geordneter Rechtsverhältnisse folgendes angeordnet …‘ Durch diese Fassung würde der Annahme, daß der Entwurf, soweit er eine Enteignung vorsieht, lediglich fiskalische Zwecke verfolge, der Boden entzogen und der wahre Zweck der Regelung, insbesondere auch der Zweck der Enteignung, in einer auch für die Gerichte verbindlichen Weise festgelegt werden. Daß dieser Zweck ein solcher des öffentlichen Wohles ist, erscheint mir nicht zweifelhaft. Die Aufnahme der Präambel würde daher die Möglichkeit eröffnen, den Gesetzentwurf im Reichstag mit einfacher Mehrheit zu verabschieden.“ (R 43 I /2207 , Bl. 29).

Staatssekretär Dr. Weismann wies darauf hin, daß auch die Preußische Staatsregierung die Gefahr des Gelingens des Volksentscheids als sehr groß ansehe.

Nachdem noch über die Frage der verfassungsändernden Natur des Regierungsentwurfs kurz debattiert worden war, stellte der Reichskanzler fest, daß die Mehrheit des Kabinetts den Regierungsentwurf mit der vom Reichsminister des Innern vorgesehenen Präambel für verfassungsgemäß und nicht für verfassungsändernd ansehe5.

5

Siehe dazu weiter Dok. Nr. 17 unter b).

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