2.14.1 (mu21p): 1) Deutsch-rumänische Verhandlungen.

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1) Deutsch-rumänische Verhandlungen2.

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Siehe hierzu die Ausführungen Schachts in Dok. Nr. 11.

Ministerialdirektor Ritter schilderte zunächst die Vorgeschichte der Finanzverhandlungen zwischen Deutschland und Rumänien. Deutschland habe im September vorigen Jahres den Vorschlag gemacht, diese Verhandlungen nunmehr vorläufig ruhen zu lassen. Für Rumänien sei ein neuer Anlaß zur Wiederanknüpfung der Verhandlungen durch den französischen Plan der finanziellen Sanierung Rumäniens gegeben worden. Außerdem sei die Mitwirkung der Reichsbank an der gemeinsamen Aktion der Notenbanken von der internationalen Finanz gewünscht3. Aus diesem Grunde habe sogar der Gouverneur der Banque de France4 sich persönlich nach Berlin begeben. Reichsbankpräsident Schacht habe seine grundsätzliche Bereitwilligkeit vorbehaltlich der Regelung[56] der Rentenfrage erklärt. Der provisorische Anleihevertrag sei jetzt unterzeichnet; alle anderen Notenbanken hätten zugesagt und vielleicht sei die Nichtteilnahme Deutschlands noch das letzte Hindernis für die endgültige Entscheidung in dieser Frage.

3

In der Vorlage des AA v. 7.8.28 war festgestellt worden, daß durch die internationale Anleihe und die Stabilisierungsverhandlungen Rumäniens eine günstige Gelegenheit bestehe, die Streitigkeiten zu beenden und der Wirtschaft Deutschlands in Rumänien eine überragende Stelle zu verschaffen; andernfalls ergebe sich keine baldige Gelegenheit zur Schlichtung der Auseinandersetzungen (R 43 I /129 , Bl. 97 f.).

4

Emile Moreau.

Die rumänische Delegation treffe am 10. August in Berlin ein. Die deutsche Delegation, die sich aus Vertretern des Auswärtigen Amts, des Reichsfinanzministeriums und des Reichswirtschaftsministeriums zusammensetze, beabsichtige folgende Richtlinien einzuhalten: Deutschland verlange, daß

1.

die Frage der rumänischen Renten geregelt werde,

2.

daß durch das jetzt bevorstehende Abkommen mit Rumänien alle rumänischen Ansprüche ein für allemal abzugelten seien,

3.

daß Rumänien keine Liquidationen deutschen Eigentums mehr durchführe,

4.

daß Rumänien, wie die meisten anderen Länder, einen Verzicht auf die Rechte aus § 18 der Anlage II des Friedensvertrages von Versailles ausspreche5.

5

Sanktionen bei Nichterfüllung deutscher Verpflichtungen aus dem Friedensvertrag.

Unsere Gegenleistungen seien dafür:

1.

Mitwirkung der Reichsbank an der Aktion der Notenbanken,

2.

Mitwirkung deutscher Banken, wenn auch nur durch geringe Beträge, bei der bevorstehenden internationalen Anleihe für Rumänien,

3.

Bereitstellung von Mitteln als Ausfallsgarantie für deutsche Industrielieferungen nach Rumänien – hierfür seien aus im Haushalt vorgesehenen Mitteln 75 Millionen Reichsmark zur Verfügung.

4.

Zahlung eines Barbetrages zur Abgeltung der rumänischen Forderungen. Hier werde an etwa 30 Millionen Reichsmark gedacht.

Bei Befriedigung der gesetzmäßigen Ansprüche der deutschen Renteninhaber durch eine 12%ige Aufwertung der rumänischen Friedensrenten in deutschem Besitz würde man etwa 40 Millionen Reichsmark benötigen.

Bedenklich sei das Abweichen von dem reparationspolitischen Grundsatz, daß alle aus dem Krieg herrührenden finanziellen Verpflichtungen Deutschlands durch die Dawes-Gesetzgebung geregelt seien. Hier müsse durch Besprechungen mit Parker Gilbert und der Reparationskommission sowie durch ausdrückliche Bezeichnungen des Verwendungszwecks der den Rumänen überlassenen Summe Vorsorge gegen unerwünschte Rückschlüsse getroffen werden. Desgleichen werde Sorge zu tragen sein, daß nicht Rückwirkungen auf die Verhandlungen in der belgischen Markfrage eintreten.

Man könne den Versuch machen, die Zahlung der 30 Millionen Reichsmark auf 3 Jahre zu verteilen.

Der Vertreter des Auswärtigen Amts wies abschließend auf die sehr erhebliche wirtschaftliche Bedeutung der Wiederanknüpfung deutsch-rumänischer Handelsbeziehungen hin.

Auf die Frage des Reichsministers der Finanzen, ob die Reichsbank etwa in der Lage sei, bei diesen Verhandlungen materielle Leistungen in Aussicht zu stellen, erklärte der Reichsbankpräsident daß die Reichsbank zunächst den[57] Verhandlungen gänzlich fernbleiben müsse, sie sei in diesen Fragen nur Depothalter.

Sollte es sich als notwendig erweisen, über die Summe von 30 Millionen Reichsmark in den Angeboten an Rumänien herauszugehen, so könne vielleicht erneut mit der Reichsbank verhandelt werden.

Der Reichspostminister stellte die Frage, in welcher Form die Zustimmung des Reichstags herbeigeführt werden solle.

Der Reichskanzler erklärte hierzu, daß ihm Beratung der Angelegenheit im Auswärtigen Ausschuß wie auch im Haushaltsausschuß geboten erscheine.

Auf die Frage des Reichsministers der Finanzen und des Reichsbankpräsidenten, wie man die Aussichten der oppositionellen Bauernpartei einzuschätzen habe, erklärte Ministerialdirektor Ritter, daß nach Meinung des Auswärtigen Amts in absehbarer Zeit nicht damit zu rechnen sei, daß die Bauernpartei ans Ruder komme6.

6

Nach der Parlamentsauflösung brachten Neuwahlen am 12. 12. der Regierungsliste der Bauernpartei entgegen dieser Prognose 90% der Stimmen und 348 Sitze im Parlament.

Der Reichswirtschaftsminister erklärte sich nachdrücklich für Erzielung eines Abkommens mit Rumänien. Die Eröffnung des rumänischen Marktes für die deutsche Wirtschaft sei von großer Wichtigkeit für Deutschland.

Das Reichskabinett erteilte der deutschen Delegation die Ermächtigung zu Verhandlungen in dem vom Auswärtigen Amt vorgetragenen Sinne und erklärte sich, unter besonderer Berücksichtigung der wichtigen deutschen Wirtschaftsinteressen in Rumänien, insbesondere mit dem Angebot der Summe von 30 Millionen Reichsmark an Rumänien, einverstanden. Falls im Laufe der Verhandlungen neue Entschlüsse der Reichsregierung notwendig werden sollten, wurde nochmalige Beratung im Reichskabinett in Aussicht gestellt. Baldige Unterrichtung des Auswärtigen Ausschusses und des Haushaltssausschusses des Reichstags wurde für erforderlich erachet7.

7

In einer Chefbesprechung am 30.8.28 berichtete MinDir. Ritter, zur Förderung der Verhandlungen sei notwendig, das deutsche Angebot auf 55 Millionen RM zu erhöhen. 5 Mio RM übernähme das Reich, den Rest die Rbk. Ob eine Einigung zu erzielen sei, erscheine unsicher, da Rumänien 65 Mio RM fordere (R 43 I /129 , Bl. 105). Vgl. zur weiteren Entwicklung Dok. Nr. 24.

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