2.184 (mu21p): Nr. 184 Der Reichsbankpräsident an den Reichskanzler. Paris 27. April 1929

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Nr. 184
Der Reichsbankpräsident an den Reichskanzler. Paris 27. April 19291

1

Abgedruckt bei Schacht, Das Ende der Reparationen, S. 61 ff.

R 43 I /277 , Bl. 166

[Betrifft: Deutsche Reparationsleistungen.]

Sehr geehrter Herr Reichskanzler!

Vor einigen Wochen schon mußte ich feststellen, daß die Rolle der deutschen Experten auf der Pariser Konferenz auf das Schwerste beeinträchtigt war durch die den übrigen Experten vor Beginn der Konferenz übermittelte Auffassung, Deutschland habe sich bereit erklärt, eine Annuität von zwei Milliarden Reichsmark anzunehmen2. Gestern vormittag nun hatte ich eine eingehende Unterredung mit Herrn Gilbert, die eine neue Überraschung für uns zutage förderte. Ich drückte Herrn Gilbert mein lebhaftes Bedauern darüber aus, daß von Mitte Oktober ab bis zum Beginn der Konferenz er überhaupt keine Fühlung mit mir unterhalten habe. Gilbert rechtfertigte sein Verhalten damit, daß er geglaubt habe, mit der Einfädelung der Konferenz sei seine Aufgabe zu Ende gewesen. Im übrigen habe er natürlich angenommen, daß die Reichsregierung uns Experten über das, was er der Regierung gesagt habe, informieren würde. Er wies insbesondere darauf hin, daß er bei den amtlichen Stellen in Berlin niemals einen Zweifel darüber gelassen habe, daß eine Reparationslösung auf dieser Konferenz nur bei einer Annuität von 2–2,2 Milliarden Reichsmark zu erreichen sei.

2

Siehe Dok. Nr. 130.

Ich habe Gilbert erwidern müssen, daß mir von seiten der Reichsregierung niemals eine Mitteilung gemacht worden sei, daß Gilbert eine solche Vorbedingung der Reichsregierung mitgeteilt habe. Ich habe für meine Person hinzugefügt, daß, wenn ich eine Mitteilung hierüber erhalten hätte, ich das Amt eines Sachverständigen niemals angenommen haben würde.

Meine drei Kollegen haben mir nach der Unterhaltung mit Gilbert auf meine Anfrage mitgeteilt, daß auch sie keine Ahnung von den dahingehenden Unterhaltungen Gilberts mit der Reichsregierung gehabt hätten und daß auch[589] sie das Amt als Sachverständige in Kenntnis dieser Mitteilung nicht angenommen haben würden.

Für den Fall, daß die Mitteilung von Gilbert zutrifft, ergibt sich die außerordentlich bedauerliche Tatsache, daß die deutschen Experten von vornherein auf der Konferenz in einer völlig unmöglichen Situation gewesen sind, insbesondere wenn man diese neue Enthüllung mit der früheren Mitteilung Gilberts zusammenhält, daß die Reichsregierung ihre Bereitschaft erklärt habe, zwei Milliarden Reichsmark anzunehmen. Unsere Gegenspieler auf der Konferenz mußten uns von vornherein für bloße Bluffer halten, und es erklärt sich hieraus leicht, warum in den letzten Wochen die Atmosphäre der Konferenz persönlich so unerfreulich geworden ist3.

3

Vgl. dazu die Berichterstattung Schachts und Vöglers am 21. 4. (Dok. Nr. 177).

Selbstverständlich vermögen wir nicht zu sagen, ob die Gilbertsche Behauptung richtig ist. Wir halten es aber für unsere Pflicht, Ihnen, Herr Reichskanzler, hiervon Mitteilung zu machen, damit wir feststellen können, ob Herr Gilbert die Gegenseite richtig informiert hat4.

4

Der RK trug das Schreiben in der Reparationssitzung am 29. 4. in Anwesenheit Schachts vor (Dok. Nr. 185). Schacht erbat eine Antwort und erhielt sie zugesagt (Vermerk Pünders auf diesem Schreiben).

Mit größter Hochachtung Ihr sehr ergebener

Dr. Hjalmar Schacht

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