1.32.1 (mu22p): Arbeitslosenversicherung.

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Text

RTF

Arbeitslosenversicherung.

Der Besprechung lagen die beiliegenden Vorschläge zugrunde1.

1

In der Anlage befindet sich der „Entwurf eines Gesetzes über befristete Änderungen in der ALV“.

Der Preußische Finanzminister machte darauf aufmerksam, daß der § 2 der beiliegenden Vorschläge eine andere Staffelung vorsehe als bisher. Nach den bisherigen Vorschlägen sollten die Lohnklassen VII–X sämtlich in ihren Unterstützungen auf die Lohnklasse VI herabgedrückt werden. Er betonte im übrigen, daß Preußen die beiliegenden Anträge im Reichsrat nicht stellen könne.

Der Reichsarbeitsminister bezeichnete es als unbedingt notwendig, daß Preußen diese Anträge stelle.

Der Preußische Finanzminister erwiderte, die Reichsregierung müsse die Initiative haben und dürfe die Führung nicht an den Reichsrat abgeben.

Ministerialdirektor Dr. Schäffer warnte vor einem theoretischen Defizit des Gesetzentwurfs wegen der sonst zu befürchtenden Erschütterung der Kreditwürdigkeit der deutschen Wirtschaft.

[922] Es wurden sodann die einzelnen Paragraphen der Anlage verlesen und erörtert2.

2

In § 1 des GesEntw. war vorgesehen, die Saisonarbeitslosen, soweit die folgenden Paragraphen nichts anderes bestimmten, nach dem AVAVG zu behandeln. § 2 bestimmte, daß die Lohnklassen VII–XI eine Unterstützung wie die Lohnklassen VI–VIII erhielten. In § 3 wurde die Wartezeit der Saisonarbeiter der Lohnklassen VII–XI nach zuschlagsberechtigten Angehörigen von drei bis zu einer Woche gestaffelt, soweit nicht eine Notlage ihre Verkürzung erforderlich machte. Durch § 4 sollte der Versicherungsbeitrag der Saisonarbeiter um 1% höher als bei anderen Arbeitern liegen. Die RAfAuA konnte mit Zustimmung des RArbM diese Erhöhung bei notleidenden Berufszweigen senken oder erlassen. § 5 legte fest, daß der RArbM Bestimmungen über die Saisonarbeitslosigkeit treffe. Durch § 6 wurde in Abs. 1 festgestellt, daß bei Arbeitslosen der Lohnklassen VII–XI eine verkürzte Wartezeit eintrete, wenn sie nicht saisonarbeitslos seien und in den 2 Jahren vor der Arbeitslosmeldung nicht mehr als 52 Wochen oder 12 Monate ohne Arbeitslosenunterstützung tätig waren. In Abs. 2 hieß es, daß bei erneuter Arbeitslosigkeit bisher nicht voll gezahlte Unterstützung nachzuleisten sei. Abs. 3 regelte die Bemessung versicherungspflichtiger Zeiten für die Unterstützung. Im § 7 des GesEntw. wurde reichseinheitlich der Beitragssatz zur ALV auf 3½% erhöht. Im § 8 wurde festgestellt, daß das Gesetz vom 1.11.29 bis zum 31.3.31 gültig sein solle und der § 7 bis zum 31.3.32, wenn nicht bis zum 28.2.31 eine Änderung beschlossen sei. Zum § 5 könnten von der RReg. schon vor dem 1.11.29 Anordnungen getroffen werden (R 43 I /2036 , Bl. 88-92, hier: Bl. 88-92).

Ministerialdirektor Dr. Schäffer erklärte, daß der Reichswirtschaftsminister dem § 4 nicht zustimmen könne.

Der Preußische Handelsminister erklärte dasselbe für seine Person.

Es wurde sodann eine gemeinsame Sitzung des Reichsministeriums und des Preußischen Staatsministeriums für den 12. September 12 Uhr mittags in Aussicht genommen3.

3

Siehe Dok. Nr. 289.

Der Reichsarbeitsminister führte aus, daß noch einzelne unbedeutende Punkte vorhanden seien, in denen er den Beschlüssen des Reichsrats nicht zustimmen könne. Es werde jedoch leicht sein, in diesem Punkte zu einer Übereinstimmung mit Preußen zu kommen.

Ministerialdirektor Dr. Weigert führte sodann diese Punkte an4:

4

Die angeführten Abweichungen beziehen sich auf Art. I des GesEntw. und zwar Nr. 4, § 30 Abs. 4; Nr. 7, § 65 a; Nr. 11, § 74 Abs. 3; Nr. 43, § 167 Abs. 3. Die Herabsetzung der Unterstützung betraf in Art. I Nr. 26 und 28, §§ 104, 107 a und b.

a) Nach dem Regierungsentwurf sollten die Kosten der Spruchkammern zur Hälfte von den Ländern erstattet werden. Der Reichsrat habe diese Verpflichtung der Länder gestrichen. Es sei Wiederherstellung der Regierungsvorlage nötig.

b) Nach dem Regierungsentwurf seien die Arbeitgeber verpflichtet, die neu besetzten Stellen den Landesarbeitsämtern mitzuteilen. Der Reichsrat habe diese Bestimmung gestrichen. Auch hier sei Wiederherstellung der Regierungsvorlage nötig.

c) Nach dem Regierungsentwurf sei auch das Lehrverhältnis der Lehrlinge versicherungspflichtig, die kein Entgelt bezögen. Der Regierungsentwurf fingiere hier das niedrigste Entgelt. Nach Streichung der Bestimmung durch den Reichsrat sei Wiederherstellung der Regierungsvorlage nötig.

d) Die Gemeinden seien zur Zahlung eines Fünftels der Krisenunterstützung an die Reichsanstalt verpflichtet. Für alle Fälle sehe der Regierungsentwurf[923] eine Zwangsetatisierung durch die Länder vor, die der Reichsrat gestrichen habe. Auch hier sei Wiederherstellung der Regierungsvorlage erforderlich.

e) Der Reichsratsentwurf ermächtige die Reichsregierung, notfalls die Unterstützungssätze herabzusetzen. Es sei hier zu überlegen, ob und in welcher Form diese vom Reichsrat eingesetzte Ermächtigung beibehalten werden solle.

Es bestand Übereinstimmung darüber, daß die zuständigen Referenten des Reichs und Preußens sogleich über diese Punkte eine Formulierung vereinbaren sollten.

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