1.50.4 (mu22p): 4. Außerhalb der Tagesordnung: Frage des Zündholzmonopols.

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4. Außerhalb der Tagesordnung: Frage des Zündholzmonopols12.

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Siehe hierzu die Begründung des Entwurfs eines Zündholzmonopolgesetzes (RT-Drucks. Nr. 1572, Bd. 439 ), in der die Lage der Zündholzindustrie und des Zündholzsyndikats wiedergegeben wird. Material hierzu auch in R 2 /10531  ff.

Der Reichsminister der Finanzen erklärte, das Reichswirtschaftsministerium habe während der Verhandlungen im Haag mitgeteilt, das Zündholz-Syndikat sei in finanzieller Bedrängnis, es hätte ⅓ seines Aktienkapitals verloren. Die russische Konkurrenz drohe, es zum Erliegen zu bringen. Sie unterbiete jeden deutschen Preis regelmäßig um 10% mit der Absicht, den Schwedentrust zu einem Abkommen mit der Russischen Regierung zu zwingen. Voraussichtlich würden aber bei einem Zusammenbruch des Syndikats die deutschen Fabriken sämtlich vom schwedischen Zündholztrust aufgekauft werden. Eine Sanierung des Syndikats sei also dringend nötig. Bei dieser Sachlage müsse die Schaffung[983] eines staatlichen Zündholz-Monopols erwogen werden. In Frage käme ein Zwangssyndikat unter Aufsicht des Reichs. Das Zwangssyndikat müsse allein das Recht haben zur Ein- und Ausfuhr von Zündhölzern und zur Übernahme der Erzeugung und des Absatzes der Fabriken in Deutschland. Es wäre ein reines Handelsmonopol. Der Übernahmepreis, die Handelsspanne und der Kleinverkaufspreis würden staatlich festgelegt werden. Das Handelsmonopol würde dem Schwedentrust, der etwa 65% der in Deutschland arbeitenden Fabriken besitze, nützlich sein. Deswegen müsse von ihm eine Gegenleistung verlangt werden. Darüber sei mit dem Schwedentrust Fühlung aufgenommen worden. Er sei bereit, eine Anleihe zu günstigen Bedingungen zu geben. Wenn das Monopol für 30 Jahre festgelegt würde, würde der Zündholztrust 500 Millionen Mark auf 50 Jahre zu einem Zinssatze von 6% leihen. Die Anleihe wäre nach 10 Jahren konvertierbar und nach 20 Jahren tilgbar. Über die Bestimmungen sei im einzelnen noch zu verhandeln. Der Typ der Anleihe würde auch für andere Geldaufnahmen im Ausland auf lange Zeit hinaus maßgebend werden. Der Reichsbankpräsident befürworte den Plan13. Außer den 6% würde der Zündholztrust ein weiteres Prozent durch das Monopol verdienen, so daß sich die Anleihe effektiv für ihn mit etwa 7% höchstens verzinsen würde. Mit dem durch die Anleihe erlangten billigen Gelde würde es möglich sein, die schwebenden kurzfristigen Anleihen zu liquidieren und dadurch erhebliche Zinsen zu sparen. Die Kassenlage des Reichs wäre durch die Anleihe für absehbare Zeit gesichert. Auch gegen Ausfälle, die sich etwa bei den Einnahmesätzen der Finanzreform ergäben, wäre dann eine Sicherheit geschaffen. Nach seiner Ansicht könnten gegen den Plan keine berechtigten Gegengründe geltend gemacht werden. Schweden gegenüber sei Deutschland nicht in einer Zwangslage. Das Monopol müsse geschaffen werden, um die deutsche Zündholzwirtschaft nicht zu Grunde gehen zu lassen.

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Demgegenüber hieß es in einer Stellungnahme der Rbk zu einem Artikel der Zeitung „Der Deutsche“ vom 15. 10.: „Niemals hat die Beratungsstelle oder die Rbk oder der RbkPräs. auch nur das Geringste getan zur Begünstigung der Monopolbildung für irgendwelche Anleihen. Niemals hat der RbkPräs., der sich durchaus als Bankier des Reichs fühlt und sich der Verantwortung der Stelle stets in vollem Umfange bewußt ist, die Möglichkeit gehabt, durch Vermittlung von ausländischen Notenbankpräsidenten oder sonst in einer der Würde des Reiches entsprechenden Weise diese Auslandsanleihen zu vermitteln“ (WTB Nr. 2119 vom 16. 10.; R 43 I /2431 , Bl. 107, hier: Bl. 107).

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft sprach sich entschieden gegen den Plan aus. Bei einer 7%igen Verzinsung würde die Anleihe mit 85,7% des Nominalwertes gegeben. Gegen das Verkaufsmonopol beständen die größten grundsätzlichen Bedenken. Der Zündholztrust würde die gesamte deutsche Zündholzwirtschaft in die Hand bekommen. Die Preise würden dann schon trotz der staatlichen Einwirkung so fest gelegt werden, daß einige 100% verdient würden.

Der Reichswirtschaftsminister wies darauf hin, daß tatsächlich die deutsche Zündholzwirtschaft zusammenbrechen würde, wenn der gegenwärtige Zustand noch länger andauerte. Die Schweden würden aus dem Zusammenbruch sämtliche deutsche Fabriken erwerben; sie hätten dann tatsächlich ein[984] Privatmonopol. Die Veröffentlichung über den Plan bedeute eine sehr starke Belastung. Im Reichstag würde es nicht möglich sein, eine Mehrheit für das Monopol zu bekommen. Die Gefahr der Überfremdung und des Ausverkaufs der deutschen Wirtschaft würde bei Verhandlungen im Reichstage entscheidend in den Vordergrund gerückt werden.

Der Reichskanzler führte aus, daß die Veröffentlichungen in der Presse wahrscheinlich von schwedischer Seite veranlaßt worden seien. Es sei falsch, sich im gegenwärtigen Moment festzulegen. Beschlüsse seien nicht zu fassen.

Das Kabinett nahm den eingehenden Bericht des Reichsministers der Finanzen über ein Verkaufsmonopol für Zündhölzer und Anleihevorschüsse des schwedischen Zündholztrusts entgegen.

Beschlüsse wurden nicht gefaßt14.

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In Rußland löste das beabsichtigte Zündholzmonopol scharfe Proteste aus, da in dem Monopol eine einseitige Bevorzugung Schwedens gesehen wurde (Telegramme Nr. 814 und 815 des Botschaftsrats v. Twardowski v. 12. 10.; R 43 I /2431 , Bl. 102 f., hier: Bl. 102 f.). Der Vertrag des Reichs mit Ivar Kreuger wurde am 26. 10. geschlossen; siehe Schultheß 1929, S. 194.

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