1.175 (mu22p): Nr. 431 Aufzeichnung des Reichskanzlers über eine Unterredung mit dem Reichsbankpräsidenten betr. dessen Status am 3. Februar 1930

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[1420] Nr. 431
Aufzeichnung des Reichskanzlers über eine Unterredung mit dem Reichsbankpräsidenten betr. dessen Status am 3. Februar 1930

R 43 I /962 , Bl. 182 f., hier: Bl. 182 f. Durchschrift

Heute Nachmittag 5 Uhr hatte ich eine Besprechung mit dem Herrn Reichsbankpräsidenten Schacht, die auf Grund einer telefonischen Unterredung zwischen Herrn Schacht und Herrn Staatssekretär Pünder stattfand1. Herr Schacht hatte das Bedürfnis wegen der Angriffe, die in der Öffentlichkeit gegen ihn erhoben worden sind, mit mir zu sprechen. Soweit die Angriffe von demokratischer Seite gegen ihn gerichtet waren, sei die Angelegenheit mit führenden Herren dieser Partei zur Zufriedenheit für ihn erledigt. Die Angriffe der sozialdemokratischen Fraktion würden bei den Reichstagsverhandlungen sicherlich ihr Echo finden. Er habe sich bisher zu diesen Angriffen ruhig verhalten. Das Reichsbankdirektorium sei jedoch angegriffen und dieses müsse sich vorbehalten, in der Öffentlichkeit zu antworten.

1

Siehe Dok. Nr. 427.

Ich erwiderte dem Herrn Reichsbankpräsidenten, daß die Presseangriffe im Reichstag sicher ein Echo finden würden. Nach dem Gang der Verhandlungen mit den Regierungsparteien sei jedoch anzunehmen, daß Anträge zur Änderung des Reichsbankgesetzes bei Beratung der Young-Gesetze kaum mehr eingebracht werden würden. Es sei ihm bekannt, daß ich eine andere Haltung eingenommen hätte als der Fraktionsvorstand2. Diese Tatsache würde dazu führen, die Angelegenheit im Reichstag vor neuen Komplikationen zu bewahren. Anträge, die jetzt gestellt würden, kehrten ihre Spitze auch gegen den Reichskanzler. Darüber aber dürfte kein Zweifel sein, daß öffentliche Auseinandersetzungen zwischen Reichsregierung und Reichsbankdirektorium in Zukunft vermieden werden müßten. Es könne politisch nicht zwei Gewalten nebeneinander geben. In anderen Ländern seien solche Auseinandersetzungen nicht denkbar, z. B. in England, wo der Governor der Bank of England noch unabhängiger von der Regierung sei als in Deutschland der Reichsbankpräsident. Die Auseinandersetzungen in der sozialdemokratischen Fraktion seien deshalb so zugespitzt gewesen, weil von französischer Seite Informationen vorgelegen hätten, die auf amerikanische Quellen zurückzuführen seien3. Ich glaubte nicht fehl zu gehen, daß die Angriffe gegen Schacht z. T. auf Informationen beruhten, die Parker Gilbert den Amerikanern gegeben hätte. Trotzdem hätte ich mich aus wirtschaftspolitischen Gründen gegen Anträge auf Änderung des Reichsbankgesetzes gewehrt. Wenn jedoch erneut öffentliche Auseinandersetzungen stattfänden, würde ich zum Herrn Reichspräsidenten gehen und erklären, daß ich[1421] unter diesen Umständen die Geschäfte nicht weiter führen könne, und den Herrn Reichspräsidenten bitten, sich mit Herrn Schacht zu beraten, ob er oder auf seinen Vorschlag ein Anderer eine einheitliche Geschäftsführung des Reiches garantieren könne.

2

Gemeint ist wohl die Abstimmung im Fraktionsvorstand der SPD vom 13.1.30, in der Müller und Wissell der Forderung unterlegen waren, daß die Rbk von der RReg. abhängig werden solle.

3

Siehe Dok. Nr. 414.

Der Reichsbankpräsident war mit mir der Meinung, daß allerdings solche öffentlichen Auseinandersetzungen vermieden werden müßten. Er sei in diese Lage überhaupt erst gekommen durch seine Stellung als Sachverständiger in Paris. Er habe damals, als er in Meinungsverschiedenheiten mit der Regierung geraten sei, geglaubt, die Verhandlungen mit zu Ende führen zu müssen, damit die Entscheidungen nicht von einem rein politischen Gremium ohne wirtschaftlich geprüfte Unterlagen gefällt würden. Wenn er auch mit dahin arbeiten wolle, daß in Zukunft solche Differenzen ausgeschaltet würden, so könnten andererseits doch Differenzen entstehen, wenn das Reich Geldbedürfnisse habe. Da könne er mit jeder Regierung in Meinungsverschiedenheiten geraten.

Ich erwiderte ihm, daß ich in allen Phasen der Beratungen mich für die Unabhängigkeit der Reichsbank eingesetzt hätte, und zwar aus innerdeutschen Gründen nicht wegen des Dawes-Plans. Ich hätte bei jeder Gelegenheit betont, daß auch eine indirekte Inflation ausgeschlossen bleiben müsse, und dahingehende Zumutungen an die Reichsbank von keiner Regierung gestellt werden dürften. Die Souveränität der Regierung müsse durch die Sanierung der Kassenlage hergestellt werden.

Herr Reichsbankpräsident Schacht teilte dann noch mit, daß das in der „Welt am Montag“ und anderen Blättern zu Angriffen verarbeitete Material diesen zum Teil von der republikanischen Beschwerdestelle übermittelt worden wäre, die sich sogar an frühere Beamte zirkularmäßig gewandt hätte. In letzter Linie seien diese Angriffe auf einen Herrn Immanuel zurückzuführen, der bis vor kurzem in der Reichsbank gearbeitet hätte und der ihm seiner Zeit von sozialdemokratischer Seite einmal empfohlen worden sei, als er noch der Danatbank angehört habe. Im Reichsratsausschuß seien über die Gehaltsverhältnisse des Reichsbankdirektoriums Auskünfte gegeben worden. Die Zeitungsnachrichten über die Höhe dieser Einnahmen seien falsch. Die Reichsbank habe es abgelehnt, öffentlich Berichtigung zu geben. Wenn der Reichstag das verlange, so müsse er auch bei der Reichskreditgesellschaft, der Viag, der Bahn Offenlegung verlangen. Hörsing habe erklärt, daß er im Plenum des Reichstags darauf zurückkommen werde4.

4

Nachdem der Abgeordnete Thälmann die Einnahmen des RbkPräs. mit 340 000 RM und der Direktoren mit 180 000 im Jahr und die Abfindungssumme des Präs. mit 2 720 000 RM, die der Direktoren mit 1 440 000 RM beziffert hatte (11.2.29, RT-Bd. 426, S. 3937 ), wurde vom RFM entgegnet, der RbkPräs. beanspruche nur die Pension von 300 000 RM. Über Abfindungen gebe es keine Absprache (7.3.30; RT-Bd. 426, S. 4208 ). Wegen der umlaufenden und sich widersprechenden Mitteilungen über die Bezüge des RbkPräs. und des Rbk-Direktoriums sowie des Generaldirektors und der Direktoren der RB wurde von der SPD-Fraktion am 12.3.30 eine Offenlegung gefordert (RT-Drucks. Nr. 1732, Bd. 440 ). Eine Beantwortung wurde nicht ermittelt.

Ich erwiderte, daß ich über die Verhandlungen im Reichsratsausschuß[1422] keinen Bericht bekommen hätte, mich aber erkundigen wolle. Im übrigen seien ja die Gehaltsbestimmungen durch das Haager Gesetz gebunden5.

5

Nach dem unveränderten § 10 des Rbk-Gesetzes wurden die Vorschriften über die Bezüge des RbkPräs. und des Direktoriums vom Generalrat der Rbk erlassen (RGBl. 1924 II, S. 237  f.).

Ich teilte dem Herrn Reichsbankpräsidenten mit, daß in der Regierung erwogen würde, die Beratungsstelle Ende Februar nicht mehr zu erneuern, was allerdings eine Handhabung des Gemeindeaufsichtsrechts der Länderregierungen in Bezug auf die Anleihepolitik zur Folge haben müsse. Es sei allerdings eine Illusion anzunehmen, daß den Gemeinden dadurch Gelegenheit gegeben wäre, große Anleihen zu bekommen6.

6

Siehe Dok. Nr. 425.

Zum Schluß der Unterredung verständigten wir uns dahin, daß der Herr Reichsbankpräsident sich mit mir in Verbindung setzen würde, wenn etwa bei der Beratung im Reichstag Angriffe erfolgten, denen gegenüber das Reichsbankdirektorium eine Widerlegung für notwendig halten sollte.

M[üller]

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