1.107 (str2p): Nr. 221 Das Auswärtige Amt an den Vertreter der Reichsregierung in München. 4. November 1923

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Nr. 221
Das Auswärtige Amt an den Vertreter der Reichsregierung in München. 4. November 1923

R 43 I /2193 , Bl. 85 Abschrift

[Betrifft: Polnische Reaktionen auf die Judenausweisungen.]

Dem Vernehmen nach beabsichtigt die Bayerische Regierung, 40 polnische Staatsangehörige in angesehenerer Stellung aus Bayern auszuweisen. Die Gründe hierfür sind hier zur Zeit nicht bekannt1.

1

S. Dok. Nr. 211.

Da aus der Presse bekannt sein dürfte, daß die Polnische Regierung die Ausweisung polnischer Arbeiter aus Deutschland wiederholt zum Anlaß von Repressalien gegen das Deutschtum im abgetretenen Gebiet genommen hat, ist mit Sicherheit darauf zu rechnen, daß Polen die bayerischen Ausweisungen wiederum durch Gegenmaßnahmen beantworten und weiter Reichsdeutsche aus Polen ausweisen wird2. Hierdurch würde das Deutschtum im abgetretenen Gebiet, auf dessen Erhaltung das größte Gewicht gelegt werden muß, aufs schwerste getroffen werden. Sind doch schon jetzt zahlreiche Deutsche, und zwar vorzugsweise solche, die in geistiger und wirtschaftlicher Hinsicht führende Stellungen innehatten, z. B. Großgrundbesitzer, Gewerbetreibende und Geistliche, auf diese Weise zum Verlassen Polens gezwungen worden. Um derartigen schweren Schädigungen der deutschen Sache vorzubeugen, ist seitens des Auswärtigen Amtes seinerzeit auf eine Änderung der preußischen Ausweisungspraxis hingewirkt und erreicht worden, daß Ausweisungen preußischerseits nur aus völkerrechtlich allgemein anerkannten Gründen (nachgewiesene staatsfeindliche Betätigung, gerichtliche Bestrafung, Inanspruchnahme der[965] öffentlichen Armenpflege) vorgenommen werden. Hierauf ist es zurückzuführen, daß in letzter Zeit auch die Ausweisungen von Deutschen aus Polen stark nachgelassen haben und sogar kürzlich durch Polen verfügte Ausweisungen zurückgenommen worden sind. Die von der Bayerischen Regierung beabsichtigten Ausweisungen würden der Polnischen Regierung wiederum Handhaben zu dem ihr aus politischen Gründen durchaus erwünschten Vorgehen gegen das führende Deutschtum in Polen bieten und die im deutschen Interesse erreichte Beruhigung gefährden. Da auch das Deutschtum in Polen wiederholt auf das dringlichste gebeten hat, Ausweisungen polnischer Staatsangehöriger aus Deutschland höchstens dann vorzunehmen, wenn dafür die erwähnten und erforderlichenfalls ohne weiteres zu belegenden völkerrechtlich allgemein anerkannten Gründe vorliegen, wäre das Auswärtige Amt äußerst dankbar, wenn die Bayerische Regierung diesen Grundsätzen Rechnung tragen und soweit irgend möglich, von den beabsichtigten Ausweisungen absehen wollte. Die anderenfalls mit Sicherheit zu gewärtigenden, das Deutschtum in Polen sehr viel schwerer treffenden Repressalien würde die öffentliche Meinung zweifellos auf die bayerischen Maßnahmen zurückführen.

2

S. Anm. 4 zu Dok. Nr. 211.

Euer Hochwohlgeboren werden gebeten, in diesem Sinne bei der dortigen Regierung mit möglichster Beschleunigung vorstellig zu werden und über das Ergebnis zu berichten3.

3

Haniel teilte am 15.11.23 dem AA als Antwort den in Anm. 4 zu Dok. Nr. 211 mitgeteilten bayerisch-polnischen Schriftwechsel mit. S. a. Dok. Nr. 224.

gez. Maltzan

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