1.101 (vpa2p): Nr. 230 Erlaß des Preußischen Staatsministeriums vom 24. November 1932

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Nr. 230
Erlaß des Preußischen Staatsministeriums vom 24. November 19321

1

Zu diesem Erlaß veröffentlichte die pr. Kommissariatsregierung am 26. 11. folgende Erklärung: „Der Erlaß des Preußischen Staatsministeriums vom 24. November 1932 enthält geschäftsordnungsmäßige Bestimmungen, die nur innerhalb der dem Staatsministerium nach dem Urteil des Staatsgerichtshofs vom 25. Oktober belassenen Zuständigkeiten und innerhalb der in der Anordnung des Herrn Reichspräsidenten vom 18. November [vgl. Dok. Nr. 220, Anlage] gezogenen Grenzen und nur gegenüber den den preußischen Staatsministern unmittelbar unterstehenden Beamten wirksam werden können. Dagegen kann das Staatsministerium nicht in die den Kommissaren des Reichs zustehende Exekutive eingreifen, insbesondere nicht unter Ausschaltung des Reichskanzlers in seiner Eigenschaft als Reichskommissar für das Land Preußen unmittelbare Anweisungen an die ihm nicht unterstellten Beamten geben.“ (WTB Nr. 2538 in R 43 I /2281 , S. 379). – Zur weiteren Reaktion der pr. Kommissariatsregierung und des RK auf diesen Erlaß s. Dok. Nr. 235, P. 2 und Dok. Nr. 237.

R 43 I /2281 , S. 375–378 Druck2

2

Von StS Nobis (pr. Kommissariatsregierung) am 26. 11. mit formlosem Begleitschreiben an die Rkei übersandt. Daraus geht hervor, daß der gedruckte Erlaß von der PrStReg. Braun zur Weiterleitung an sämtliche Staatssekretäre, Abteilungsleiter und Referenten der pr. Ministerien bestimmt war. Die Weiterleitung – wie ebenso auch die von der Reg. Braun gewünschte Veröffentlichung des Erlasses im Reichsanzeiger und in den pr. Ministerialblättern – wurde jedoch auf Anordnung des RK verhindert. Vgl. dazu Dok. Nr. 237.

Das Preußische Staatsministerium hat in seiner Sitzung vom 24. November 19323 folgende Richtlinien über die Weiterführung der Geschäfte beschlossen:

3

Hierzu nichts ermittelt.

[1005] I. Nach der Entscheidung des Staatsgerichtshofs vom 25. Oktober 1932 ist gegenwärtig Preußischer Ministerpräsident lediglich der Preußische Ministerpräsident Dr. Braun, Stellvertreter des Ministerpräsidenten und Ministers für Volkswohlfahrt Staatsminister Dr. Hirtsiefer, Preußischer Minister des Innern Staatsminister Dr. Severing, Preußischer Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten Staatsminister Dr. Steiger, Preußischer Minister für Handel und Gewerbe Staatsminister Dr. Schreiber, Preußischer Justizminister Staatsminister Dr. Schmidt, Preußischer Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung Staatsminister Grimme und Preußischer Finanzminister Staatsminister Klepper.

II. Nach der Entscheidung des Staatsgerichtshofs bilden gegenwärtig allein Ministerpräsident Dr. Braun und die genannten Staatsminister die Preußische Staatsregierung, die Preußische Landesregierung und das Preußische Staatsministerium.

III. Nach der Entscheidung des Staatsgerichtshofs hat die Verordnung vom 20. Juli 1932 den Reichskommissar für das Land Preußen ermächtigt, alle Zuständigkeiten der Minister, die nach der Reichsverfassung auf einen Reichskommissar übertragen werden können, vorübergehend von der Landesregierung abzutrennen und auf sich und die übrigen Kommissare als Organe des Reichs zu übertragen. Die Preußische Staatsregierung strebt die Aufhebung dieser nach ihrer Ansicht sachlich ungerechtfertigten Maßnahmen an. Solange sie besteht, sind nach der Entscheidung des Staatsgerichtshofs ausdrücklich folgende Befugnisse von der Übertragung auf die Kommissare des Reichs ausgeschlossen:

1.

die Vertretung des Landes Preußen im Reichstag,

2.

die Vertretung des Landes Preußen im Reichsrat,

3.

die sonstige Vertretung des Landes Preußen gegenüber dem Reiche,

4.

die Vertretung gegenüber dem Landtage,

5.

die Vertretung gegenüber dem Staatsrate,

6.

die Vertretung des Landes Preußen gegenüber den anderen Ländern.

Ob noch andere Zuständigkeiten zu den unübertragbaren Zuständigkeiten gehören, ist zwischen der Staatsregierung und dem Reiche oder dem Reichskommissare strittig (vgl. die Anlage).

IV. Sitz des Staatsministeriums und des Preußischen Ministerpräsidenten als Behörde ist, solange das Gebäude Wilhelmstraße 63 für das Staatsministerium nicht freigegeben ist, bis auf weiteres zufolge der Verordnung vom 18. November 1932 (Reichsanzeiger Nr. 271)4 das Dienstgebäude Leipziger Straße 35.

4

Erlaß des RPräs. vom 18.11.32. Vgl. Dok. Nr. 220 (Anlage).

5

Amtsgebäude des auf Grund der VO vom 29.10.32 (Pr. Gesetzsammlung, S. 333) aufgehobenen pr. Ministeriums für Volkswohlfahrt.

Alle an das Preußische Staatsministerium oder den Preußischen Ministerpräsidenten gerichteten Briefe sind uneröffnet dem Büro des Staatsministeriums Leipziger Straße 3 zuzuleiten. Wenn die Briefe nach ihrem Inhalte zur Zeit zur Zuständigkeit des Reichskommissars für das Land Preußen gehören, wird das Staatsministerium sie nach der Öffnung auf dem schnellsten Wege dorthin abgeben.

Vertretender Beamter für den Ministerpräsidenten und das Staatsministerium[1006] als Behörde ist Ministerialdirektor Dr. Brecht, der in Vertretung zeichnet. Ihn vertreten bei Behinderung die Ministerialdirektoren Dr. Badt und Coßmann. Verwaltungsdirektor und zugleich Leiter des Büros ist, neben seiner Tätigkeit als Referent, Ministerialrat Pfeiffer.

Soweit die Vertretung des Ministerpräsidenten nach den üblichen Grundsätzen durch einen Staatsminister zu erfolgen hat, wird der Ministerpräsident im Falle der Behinderung durch den Staatsminister Dr. Hirtsiefer vertreten.

V. Der Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten Dr. Steiger (Amtssitz Leipziger Platz 10), der Minister für Handel und Gewerbe Dr. Schreiber (Amtssitz Leipziger Straße 2), der Justizminister Dr. Schmidt (Amtssitz Wilhelmstraße 65), der Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung Grimme (Amtssitz Unter den Linden 4) und der Finanzminister Klepper (Amtssitz Am Festungsgraben 1) werden durch die Staatssekretäre ihrer Ministerien und die übrigen Beamten in der üblichen Weise vertreten.

Die an diese Minister gerichteten Briefe werden, soweit sie nicht eine persönliche Anschrift tragen, in den Hauptbüros geöffnet und in der üblichen Weise geschäftlich behandelt. Ergibt sich aus dem Inhalte des Briefes, daß die Erledigung zur Zeit zur Zuständigkeit des betreffenden Kommissars des Reichs gehört, so wird der Brief kurzerhand in den Geschäftsgang des Kommissrs gegeben.

Die bisher im Preußischen Ministerium für Volkswohlfahrt bearbeiteten Angelegenheiten gehören im Staatsministerium bis auf weiteres zur Zuständigkeit des Staatsministers Dr. Hirtsiefer.

Der Minister des Innern Dr. Severing wird bis auf weiteres, soweit nichts anderes bestimmt wird, ebenso wie der Ministerpräsident vertreten.

VI. Die Vertretung des Landes Preußen im Reichstag wird in der bisher üblichen Weise durch den Ministerpräsidenten und die Staatsminister sowie in ihrer Vertretung durch die Hauptbevollmächtigten zum Reichsrat, Ministerialdirektoren Dr. Brecht, Dr. Badt und Coßmann, ausgeübt, in Einzelfragen nach besonderer Verständigung durch die übrigen zuständigen Beamten.

VII. Die Vertretung des Landes Preußen im Reichsrat wird, soweit sie nicht von den Mitgliedern des Staatsministeriums persönlich wahrgenommen wird, in der bisher üblichen Weise durch die stellvertretenden Bevollmächtigten zum Reichsrat ausgeübt. Stimmführender Bevollmächtigter Preußens zum Reichsrat ist Ministerialdirektor Dr. Brecht. Seine Vertreter in der Stimmführung sind die Ministerialdirektoren Dr. Badt und Coßmann.

Inwieweit Reichsratssachen in weiterem Umfang als bisher zum Vortrag beim Minister zu bringen sind, regelt jeder Minister für seinen Geschäftsbereich.

Die in den einstweiligen Ruhestand versetzten Ministerialbeamten, die zu stellvertretenden Bevollmächtigten zum Reichsrat bestellt waren, behalten bis auf weiteres diese Vollmacht; in welchem Umfange sie zur Vertretung herangezogen werden, wird besonders bestimmt.

Die auf Stellen außerhalb der Ministerien versetzten früheren Ministerialbeamten verlieren die Eigenschaft als stellvertretender Bevollmächtigter zum Reichsrat, soweit nichts anderes bestimmt wird.

[1007] VIII. Die sonstige Vertretung des Landes Preußen gegenüber dem Reiche geschieht, soweit sie nicht vom Ministerpräsidenten oder von den Staatsministern persönlich oder durch besondere Vertreter wahrgenommen wird, in der üblichen Weise durch die Staatssekretäre und Beamten der Ministerien im Namen des Staatsministers.

Alle Einladungen, die an das Preußische Staatsministerium oder die Preußischen Ressortminister zu kommissarischen Besprechungen mit Reichsministerien ergehen, sind in diesem Sinne dienstlich zu behandeln, ebenso alle übrigen Schreiben, bei denen es sich um die Vertretung des Landes Preußen gegenüber dem Reiche handelt.

Die Befugnis der Kommissare des Reichs, auf Einladung Vertreter zu Besprechungen mit Reichsministerien auch ihrerseits zu entsenden, wird hierdurch nicht berührt. Doch steht den Vertretern insoweit nicht die Vertretung des Landes Preußen, sondern nur die Vertretung der Kommissare zu.

IX. Die Vertretung der Staatsregierung gegenüber dem Landtag und dem Staatsrat richtet sich nach dem bisher üblichen Verfahren. Die Vertreter der Minister haben dafür zu sorgen, daß die Minister bei den Beratungen des Landtags und Staatsrats in der üblichen Weise vertreten sind. Die Minister regeln, in welchem Umfange vorher bei ihnen Vortrag zu halten ist.

X. Auch die Vertretung des Landes Preußen gegenüber anderen Ländern richtet sich nach der bisherigen Übung. Alle Schreiben anderer Länder, die an das Staatsministerium oder die Minister gerichtet sind, werden in den zuständigen Büros für sie geöffnet und von den zuständigen Vertretern für sie bearbeitet.

XI. Alle Beamten dürfen als Vertreter des Staatsministeriums, der Staatsregierung, des Ministerpräsidenten und eines Staatsministers gegenüber dem Reichstag, Reichsrat, Landtag und Staatsrat sowie in Vertretung des Landes Preußen gegenüber dem Reich und den anderen Ländern nur Ansichten vertreten, die den allgemeinen oder besonderen Anweisungen des Ministerpräsidenten oder der zuständigen Staatsminister entsprechen. In Zweifelsfällen haben sie sich durch Vortrag hierüber Gewißheit zu verschaffen.

Wenn Meinungsverschiedenheiten zwischen der Staatsregierung und den Kommissaren des Reichs bestehen, kann über die Stellungnahme der Kommissare, soweit nicht besondere Anordnung erfolgt, sachliche Auskunft gegeben werden.

XII. Alle Beamten werden ausdrücklich darauf hingewiesen, daß es ihnen nicht gestattet ist, namens der „Staatsregierung“, der „Landesregierung“, des „Preußischen Ministerpräsidenten“ oder der „Preußischen Staatsminister“ mündlich oder schriftlich Erklärungen abzugeben, die in Wirklichkeit in Vertretung der Kommissare des Reichs und nicht in Vertretung des Staatsministeriums oder der Staatsminister erfolgen. Es ist ihnen ferner nicht gestattet, in mündlichen oder schriftlichen Erklärungen von der „kommissarischen Staatsregierung“ zu sprechen, da nach der Entscheidung des Staatsgerichtshofs an die Stelle der Landesregierung auch vorübergehend kein anderes Organ gesetzt werden kann.

XIII. Schreiben des Ministerpräsidenten und der Staatsminister oder ihrer Vertreter an die Kommissare des Reichs erhalten folgende Anschrift:

1.

An

den Herrn Reichskommissar für das Land

Preußen,

Wilhelmstr. 63.

2.

An

den Herrn Kommissar des Reichs für den

Geschäftsbereich des … Ministeriums

Straße und Hausnummer des betreffenden Fachministeriums.

XIV. Diese Richtlinien sind von allen Beamten bei der Vertretung der Staatsregierung und der Bearbeitung von Angelegenheiten für die Staatsregierung zu beobachten.

Berlin, den 24. November 1932.

Das Preußische Staatsministerium

Braun

Hirtsiefer zugleich für den Staatsminister Severing

Steiger

Schreiber

Schmidt

Grimme

Klepper

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