1.65 (vpa2p): Nr. 194 Vermerk des Ministerialrats Feßler über eine Besprechung des Reichskanzlers mit Vertretern der nordwestdeutschen Viehweidewirtschaft und des Reichslandbundes am 5. November 1932

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Nr. 194
Vermerk des Ministerialrats Feßler über eine Besprechung des Reichskanzlers mit Vertretern der nordwestdeutschen Viehweidewirtschaft und des Reichslandbundes am 5. November 19321

1

Der Vermerk ist datiert vom 8.11.32.

R 43 I /1275 , Bl. 261

[Niederschlagung der Gräserkredite; Kontingentierung landwirtschaftlicher Einfuhren]

Der Reichskanzler empfing am 5. November Vertreter der nordwestdeutschen Viehweidewirtschaft2, die mit dem Präsidenten des Reichslandbundes, Graf Kalckreuth, und dem Direktor Dr. Siburg erschienen waren. Sie trugen ihre Wünsche vor und begründeten sie mit beiliegenden Ausführungen, die teilweise in der Sitzung überreicht wurden3.

2

Mit Schreiben an die Rkei vom 4. 11. hatte die Präsidialabteilung des Reichslandbundes die Teilnahme folgender Persönlichkeiten (Vorsitzende und stellv. Vorsitzende der norddt. Provinzial- bezw. Landesabteilungen des Reichslandbundes) an dieser Besprechung angekündigt: Cordes, Beeken, Agena, Andreessen, Battermann, Tietjen, Graf Kielmansegg, Tönnsen, Jensen (R 43 I /1275 , Bl. 260).

3

Beigefügt sind diesem Vermerk u. a. 1) graphische Darstellungen der Viehpreisbewegung 1929–1932, woraus hervorgeht, daß die Gräserwirtschaften z. B. im Frühjahr 1931 Magervieh zu einem Preis von 45–52 RM pro Ztr. ankaufen mußten, aus dem Verkauf des Mastviehs im Herbst desselben Jahres jedoch nur einen Erlös von 28–41 RM für den Ztr. erzielen konnten; 2) ein Schreiben des Reichslandbundes an den RK vom 3.11.32, worin es heißt: „Die Gräserwirtschaften Nordwestdeutschlands sind heute am Ende ihrer Wirtschaftskraft und drohen vollends zusammenzubrechen.“ Dankenswerterweise habe das REMin. versucht, „eine der Notlage gerecht werdende Erleichterung, die nur in einer Festschreibung der Gräserkredite bestehen kann, bei der Reichsbank zu erwirken. Aus beigefügtem Schreiben des Reichsministers für Ernährung und Landwirtschaft vom 1.10.32 [an den Reichslandbund, s. R 43 I /1275 , Bl. 258] geht hervor, daß die Reichsbank generelle Stundungsmaßnahmen grundsätzlich ablehnt. Daß die Reichsbank die Notlage in den Gräserbezirken völlig verkennt und sich keinen Begriff von der Rückzahlungsmöglichkeit der Gräser macht, ergibt sich aus dem beigefügten Schreiben der Reichsbankstelle Husum vom 17.10.32 [ebd., Bl. 259], in dem zum Ausdruck gebracht wird, daß die Reichsbank als Hüterin der Währung nunmehr versuchen wird, mit allen ihr gesetzlich zur Verfügung stehenden Mitteln ihre Gelder zurückzuerhalten. Dieses Schreiben hat begreiflicherweise bei den um ihre Existenz schwer kämpfenden alteingesessenen Bauern der nordwestdeutschen Weidemastgebiete erhebliche Beunruhigung hervorgerufen, um so mehr, als es sich bei den Gräserkrediten nur um einen Gesamtbetrag von ca. 25 Millionen RM, davon Rückstände aus dem Jahre 1931 in Höhe von 15–18 Millionen, handelt, also um eine Summe, die unter Berücksichtigung der festgeschriebenen großen Beträge bei Banken und Industrie nicht ins Gewicht fällt.“ (R 43 I /1275 , Bl. 255–257).

[883] Im Vordergrund stand der Antrag auf Niederschlagung der Gräserkredite. Der Reichskanzler sagte zu, daß dieserhalb mit der Reichsbank Verbindung aufgenommen werden würde4. Er dankte im übrigen für die Ausführungen und wies die Auffassung zurück, daß sich im Kabinett bei der Frage der Kontingente verschiedene Weltanschauungen begegneten5. Die Absatzfrage sei ein Problem nicht nur der Preise, sondern auch der Konsumkraft der Abnehmer. Die Erzeugung müsse durch Verringerung der Lasten und Zinsen verbilligt werden. Die Schwierigkeit der Kontingentsfrage wurde von den Interessenten erkannt. Die Schweiz habe erklärt, sie werde sämtliche Devisen sperren, wenn Deutschland autonome Kontingente festsetzen würde. Es handele sich um 400 Millionen im Jahre. Würden Dänemark und Holland sich anschließen, so wäre die deutsche Währung nicht zu halten. Vom 1. Januar 1933 an könne das gleiche Ziel statt durch Kontingente durch Zölle erreicht werden. Bis dahin müsse versucht werden, den Zwischenraum zu überbrücken. Den Weg der Beschränkung der Einfuhr sollten die Interessenten der Regierung überlassen.

4

Geschehen durch Schreiben Feßlers an den RbkPräs. vom 8. 11., in dem nach eingehender Schilderung des Sachverhalts betont wurde, der RK wäre dankbar, „wenn im Rahmen des Möglichen der schwerleidenden nordwestdeutschen Viehwirtschaft auch über das bereits Geschehene hinaus geholfen werden könnte“ (R 43 I /1275 , Bl. 262). Das Rbk-Direktorium antwortete hierauf am 17.11.32: „Jeder Kreditgeber auf diesem Gebiet muß naturgemäß erwarten können, daß aufgenommene Kredite nach Verwertung der mit ihnen angekauften Viehsubstanz nach bestem Können abgedeckt werden, wenn seine Bereitschaft, künftig neue Kredite zu geben, nicht zerstört werden soll. Andererseits ist aber vielfach ein Notstand nicht zu verkennen; er wird in manchen Fällen dazu führen, daß die aufgenommenen Kredite nicht in vollem Umfang aus dem Erlös von Viehverkäufen abgezahlt werden können. Soweit bei einer solchen Entwicklung Kredite der Reichsbank in Frage kommen, wird sie durch schonende Behandlung die Möglichkeit zu allmählicher Regulierung der Kreditreste gewähren und eine verständige Mitarbeit der Berufsverbände in dieser Hinsicht begrüßen.“ (Ebd., Bl. 295).

5

Zu den Auseinandersetzungen in dieser Frage zwischen dem RWiM und dem REM s. z. B. Dok. Nr. 141; 146, P. 5; 152; 153, P. 1.

Die neuen Bestimmungen über den Vollstreckungsschutz in der Landwirtschaft6 müßten sich erst auswirken.

6

Hierzu vgl. die VO des RPräs. „über landwirtschaftliches Vermittlungsverfahren, Vollstreckungsschutz und Pächterschutz“ vom 27.9.32 (RGBl. I, S. 473 , 478).

F[eßler]

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