2.41 (wir1p): Nr. 39 Das Garantiekomitee der Reparationskommission an den Reichskanzler. Berlin, 28. Juni 1921

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Nr. 39
Das Garantiekomitee der Reparationskommission an den Reichskanzler. Berlin, 28. Juni 1921

R 43 I /20 , Bl. 393 Umdruck

[Betrifft: Durchführung des Londoner Ultimatums]

Herr Reichskanzler!

Das Garantiekomitee hat die Prüfung der Bedingungen in Angriff genommen, unter welchen es die Ausführung der Bestimmungen des von der Reparationskommission der Deutschen Regierung am 5. Mai 1921 mitgeteilten Zahlungsplans sicherzustellen hat1.

1

Das Garantiekomitee war aufgrund des Art. VI des Londoner Zahlungsplanes (RT-Drucks. Nr. 1979, Bd. 367 ) gebildet worden (s. auch Dok. Nr. 31, Anm. 1). Art. VII bestimmte seine Aufgabe, es solle „die Anwendung der Art. 241 und 248 des Vertrages von Versailles“ sicherstellen (Art. 241: „Deutschland sagt zu, alle Gesetze, Verordnungen und Verfügungen bekanntzumachen, in Kraft zu halten und zu veröffentlichen, die für die vollständige Erfüllung gegenwärtiger Bestimmungen nötig werden.“ Art. 248: „Unter Vorbehalt der vom Wiedergutmachungsausschuß etwa bewilligten Ausnahmen haften der gesamte Besitz und alle Einnahmequellen des Deutschen Reiches und der deutschen Staaten an erster Stelle für die Bezahlung der Kosten der Wiedergutmachung und aller anderen Lasten, die sich aus dem gegenwärtigen Vertrag oder aus allen ihn ergänzenden Verträgen und Übereinkommen oder aus den zwischen Deutschland und den alliierten und assoziierten Mächten während des Waffenstillstandes und seinen Verlängerungen geschlossenen Abmachungen ergeben.“) Bezogen auf das Londoner Ultimatum hatte sich das Garantiekomitee in erster Linie mit den von Dtl. geforderten bzw. ersatzweise angebotenen Sicherheiten für die variable Annuität auseinanderzusetzen.

[98] Es hat andererseits auch die Vorschläge, Anregungen und Bemerkungen geprüft, welche ihm von der Deutschen Regierung hinsichtlich der Anwendung der Bestimmungen der Artikel IV und VII des gen. Zahlungsplans unterbreitet worden sind2.

2

Siehe dazu Dok. Nr. 31, Anm. 2.

Das Garantiekomitee beehrt sich, Ihnen beifolgend 5 Noten mit den von ihm heute getroffenen Entscheidungen zu übermitteln, die sich auf die nachstehend erwähnten Gegenstände beziehen.

Note Nr. 1

Allgemeine Bestimmungen, Art der Sicherheiten, besondere Bestimmungen für das Jahr 1921/1922.

Note Nr. 2

Auslegung des Worts Ausfuhr und etwaiger Ersatz des Ausfuhrindexes;

Note Nr. 3

Abgabe von 25% auf den Wert der Ausfuhr Deutschlands;

Note Nr. 4

Verwendung der Zolleinnahmen für die Sicherstellung der Schuldverschreibungen;

Note Nr. 5

Organisation der Überwachung.

Das Komitee ist bereit, der Deutschen Regierung die von ihr etwa gewünschten ergänzenden Nachrichten zu geben. Diese Nachrichten könnten bis Mittwoch, den 29. Juli mittags mündlich gegeben werden3. Nach diesem Zeitpunkt müssen Mitteilungen, welche die Deutsche Regierung an das Komitee zu richten hätte, da das Komitee Berlin am genannten Tag um 2 Uhr Mittag verläßt, ihm durch Vermittlung des Vorsitzenden der Delegation des Garantiekomitees in Berlin, Prinz Albrechtstr. 9, zugehen.

3

Am 29.6.1921 hat StS Schroeder eine Besprechung mit den Hauptmitgliedern des Garantiekomitees. Einer abschriftlich in die Akten des Wiederaufbauministeriums gelangten Aufzeichnung zufolge hat er dabei erklärt, „daß es bei der kurzen Zeit seit der Übergabe der uns nur in einem Exemplar überreichten Noten noch nicht möglich gewesen sei, eine Stellungnahme der zuständigen Ressorts herbeizuführen, so daß eine förmliche Sitzung mit dem Garantiekomitee vor seiner Abreise zwecklos gewesen wäre. Ich legte aber Wert darauf, einige Punkte mit den Mitgliedern vor ihrer Abreise nach Paris persönlich zu erörtern.“ Es folgen Anmerkungen zu den Noten 1 und 5 (s. Anm. 13 und 28) sowie zur Frage der Veröffentlichung des Notenbündels. In diesem Punkt lautet die Aufzeichnung: „Es wurde dann über ein Veröffentlichen des Ergebnisses der Verhandlungen durch die Presse gesprochen und verabredet, die Noten einstweilen nicht im Wortlaut zu veröffentlichen, sondern alsbald in einem kurzen Auszug mitzuteilen, der noch heute zwischen Herrn Kastl und Haguenin festgestellt werden solle. Ich betonte insbesondere die Wichtigkeit zu veröffentlichen, daß Deutschland außer der einen Milliarde Mark bis zum 1. Mai 1922 nur noch 300 Millionen Goldmark in Devisen zu zahlen haben werde, und daß die übrigen Fälligkeiten durch die Sachleistungen als getilgt angesehen werden unter der Voraussetzung, daß die Sachleistungen den vom Garantiekomitee gewährten Umfang haben würden.“ (R 38 /122 , neu in R 3301 /2122 , Bl. 37-40; Zusammenfassung der Noten siehe WTB Nr. 1239 vom 1.7.1921 in R 38 /122 ).

[99] Genehmigen Sie, Herr Reichskanzler, die Versicherung unserer Hochachtung.

gez. Bemelmans

d’Amelio

Mauclère

Leith-Ross

Note Nr. 1:

Allgemeine Bestimmungen, Art der Garantien. Sonderbestimmungen für das

Jahr 1921/1922.

Das Garantie-Komitee hat die Bemerkungen und die Vorschläge, die ihm die Vertreter der Deutschen Regierung in Ansehung der Ausführung des Zahlungsplans mündlich wie schriftlich gemacht haben, aufmerksam geprüft.

Das Komitee würdigt ihrem tatsächlichen Werte entsprechend die Gründe, die vorgebracht worden sind, um die in Artikel VII unter a und b des Zahlungsplans ausdrücklich genannten Fonds durch bestimmte andere Einnahmequellen zu ersetzen4. Wenn aber das Komitee gewillt ist, – wie die Deutsche Regierung aus den verschiedenen der aufgeworfenen Fragen besonders behandelnden Noten ersehen kann, die ihr gleichzeitig mit dieser Note zugehen werden –, diesen Beweisgründen Rechnung zu tragen und sogar in gewissem Umfang und unter bestimmten Vorbehalten den von der Deutschen Regierung angedeuteten Weg zu beschreiten, so glaubt das Komitee nicht schon jetzt diese Ersetzung zulassen und namentlich bereits von heute ab Einnahmequellen als Sicherheit annehmen zu können, die meist nur als Projekt vorhanden sind.

4

Im Londoner Zahlungsplan Ziffer VII a) und b) waren die Einnahmen aller dt. See- und Landzölle, die Abgaben und Erträgnisse aller Einfuhr- und Ausfuhrabgaben sowie die Erträgnisse der 25% Ausfuhrabgabe gefordert worden (RT-Drucks. Nr. 1979, Bd. 367 ). Bei dem Besuch des Garantiekomitees in Berlin (s. Dok. Nr. 31, Anm. 2) hatte StS Hirsch in seinen Ausführungen zur Ausfuhrabgabe es als wünschenswert bezeichnet (und damit auch einen Zielpunkt der Regierungserklärung aufgegriffen), daß zur Festsetzung der variablen Annuität der Index der Ausfuhr möglichst bald durch einen anderen Index für die variable Annuität ersetzt würde (R 43 I /20 , Bl. 417-422). In der Sitzung mit dem Garantiekomitee vom 18.6.1921 vormittags, in der der Reichshaushaltsplan zur Debatte stand, hatte die dt. Reg. zur Begleichung der aus dem Zahlungsplan erwachsenen Verbindlichkeiten die folgenden Steuereinnahmen benannt: 1. Kapitalertragssteuer (1,4 Mrd. Papiermark), 2. Zuckersteuer (1,2 Mrd. Papiermark), 3. Branntweinmonopol (1,5 Mrd. Papiermark), 4. Tabaksteuer (2,7 Mrd. Papiermark), 5. Kohlensteuer (4,5 Mrd. Papiermark), 6. Umsatzsteuer (13,7 Mrd. Papiermark). Auf die Frage des engl. Vertreters Leith-Ross nach den Prinzipien, nach denen die Auswahl der angebotenen Steuern seitens der dt. Reg. erfolgt sei, hatte StS Schroeder erklärt, daß man nach dem Ertrag der Steuer ausgewählt habe: Prinzip sei gewesen, möglichst hohe Summen mit möglichst wenig Steuern zur Verfügung zu stellen, die zudem bei Schwankungen des Wirtschaftslebens möglichst gleichbleibende Erträge erwarten ließen (R 43 I /20 , Bl. 410-412).

Das Komitee hält es im Augenblick für erforderlich, der Ausführung des Zahlungsplans in erster Linie die Einnahmequellen zu Grunde zu legen, die in dem vorerwähnten Artikel VII unter a) und b) aufgeführt sind. Die von der Deutschen Regierung vorgeschlagenen Mittel sind infolgedessen nur in dem Maße in Betracht zu ziehen, als die erstgenannten Einnahmequellen zur Sicherstellung der Gesamtheit der deutschen Verbindlichkeiten allein nicht ausreichen sollten.

[100] Im gegenwärtigen Schreiben sind einzeln behandelt:

A. Die Verpflichtungen Deutschlands, wie sie sich für das Jahr 1921/1922 darstellen,

B. die Verpflichtungen Deutschlands, wie sie sich im Laufe der kommenden Jahre darstellen werden5.

5

Die dt. Verpflichtungen sind in Art. IV des Londoner Zahlungsplanes wie folgt geregelt: „Deutschland soll jedes Jahr bis zu dem in Art. II vorgesehenen Rückkauf der Schuldverschreibungen aus den zugehörigen Amortisationsfonds bezahlen: 1. eine Summe von zwei Milliarden Goldmark. – 2. a) eine Summe, welche 25% des Wertes seiner Ausfuhr in jedem Zeitraum von 12 Monaten nach dem 1. Mai 1921, so wie von der Kommission festgesetzt, entspricht oder b) wahlweise einen entsprechenden Betrag, so wie er in Übereinstimmung mit jedem anderen von Deutschland vorgeschlagenen und von der Kommission angenommenen Index festgesetzt werden würde. – 3. Eine weitere Summe entsprechend 1% des Wertes seiner Ausfuhr, wie oben bestimmt oder wahlweise, einen entsprechend der Vorschrift in b) oben festgesetzten Betrag, immer unter der Voraussetzung, daß, wenn Deutschland alle seine Verpflichtungen nach dem Plane, mit Ausnahme seiner Verbindlichkeit hinsichtlich der entstehenden Schuldverschreibungen erledigt hat, der in jedem Jahre nach diesem Paragraphen zu zahlende Betrag auf den Betrag vermindert wird, welcher in dem Jahre erforderlich ist, um die Zinsen und die Amortisation auf die dann ausstehenden Schuldverschreibungen zu zahlen. – Vorbehaltlich der Bestimmungen des Art. V [s. Anm. 10] soll die nach § 1 oben zu bewirkende Zahlung vierteljährlich vor dem Ende jedes Quartals, d. h. vor dem 15. Januar, 15 April, 15. Juli und 15. Oktober jedes Jahres erfolgen und die Zahlungen hinsichtlich der §§ 2 und 3 oben sollen vierteljährlich am 15. November, 15. Februar, 15. Mai und 15. August bewirkt und auf der Basis der Ausfuhr im vorletzten voraufgehenden Quartal berechnet werden, wobei die erste Zahlung am 15. November 1921 stattfinden soll.“ (RT-Drucks. Nr. 1979, Bd. 367 ).

Diese Unterscheidung wird dadurch bedingt, daß während des ersten Jahres die Zahlung von 1 Milliarde auf die feste Annuität durch besondere Mittel sichergestellt wird und daß die erste Zahlung der veränderlichen Annuität erst am 15. November 1921 zu erfolgen hat. In beiden Fällen müssen aber die Schätzungen auf einer Reihe von Annahmen aufgebaut werden.

Die in Artikel IV des Zahlungsplans ausführlich aufgeführten Verpflichtungen umfassen.

a)

vierteljährlich feste Zahlungen in Höhe von je 500 Millionen Goldmark und

b)

vierteljährlich veränderliche Zahlungen, die 26 Prozent des Wertes der deutschen Ausfuhr entsprechen.

Das Komitee bereitet eine Organisation vor, die es ihm ermöglichen soll, sich binnen kürzester Frist über die deutsche Ausfuhr zu vergewissern. Es willigt aber einstweilen und unter Vorbehalt jeder Berichtigung, die es später etwa für nötig halten sollte, ein, als Grundlage der Berechnung der Ausfuhr die Schätzungen der Deutschen Regierung für das verflossene Jahr anzunehmen, d. h. von der Annahme auszugehen, daß der Gesamtwert der deutschen Ausfuhr 5 Milliarden Goldmark betragen wird. In diesem Falle würde sich die veränderliche Annuität auf 325 Millionen Goldmark vierteljährlich belaufen6.

6

Nach grundsätzlichen Ausführungen zur Methode der dt. Ausfuhrstatistik und daran anschließenden Überlegungen, welche in der Statistik als Ausfuhr eingesetzten Posten (Veredelungsverkehr, Sachlieferungen für Reparation) für die Berechnung des Ausfuhrindexes gestrichen werden müßten (Ausführungen StS Hirschs vor dem Garantiekomitee vom 17.6.1921 in R 43 I /20 , Bl. 417-422), hatte StS Hirsch am 18.6.1921 dem Garantiekomitee über den Außenhandel Deutschlands u. a. folgende Angaben gemacht: „Der Außenhandel Deutschlands läßt sich für das Jahr 1920 auf Grund der statistischen Unterlagen auf 7 Mrd. Goldmark Einfuhr und 5 Mrd. Goldmark Ausfuhr schätzen. Die Handelsbilanz ist also mit 2 Mrd. Goldmark passiv gewesen. Diese Passivität der deutschen Handelsbilanz ist umso bedenklicher, als die Aktivseite der Handelsbilanz bei Deutschland nach dem Verlust seines gesamten Auslandsvermögens und des größten Teiles seiner Handelsflotte nahezu den einzigen Aktivposten der Zahlungsbilanz darstellt. Es bedarf keiner näheren Begründung, daß kein Land, das sich in gleicher Lage befindet und zudem noch enorme Zahlungen an das Ausland leisten soll, wie Deutschland mit den Reparationszahlungen, für längere Zeit eine solche Passivität der Handelsbilanz auszuhalten vermag. – […] Deutschland muß, wenn es seinen Verpflichtungen nachkommen will, das handelspolitische Defizit beseitigen. Der erste Weg dazu ist die Steigerung seiner Ausfuhr. Belastet man diese aber rücksichtslos mit 26%, so wird jede Steigerung der Ausfuhr mit einem Strafzoll belegt, der auf weiten Gebieten zur Einschränkung, auf einigen geradezu zur Abdrosselung führen muß.“ (R 43 I /20 , Bl. 415 f.).

[101] Außerdem läßt das Komitee einstweilen und unter Vorbehalt die Schätzung zu, zu der eine Besprechung mit den Vertretern der Deutschen Regierung geführt hat, wonach der Wert der Sachleistungen für das laufende Jahr sich auf annähernd 1.200.000.000 Goldmark belaufen würde7.

7

Der folgende Zahlungsplan des RFMin. war dem Garantie-Komitee am 17.6.1921 offiziell überreicht worden, nachdem er inoffiziell bereits vorher zugesandt worden war:

Zahlungsplan

I. Nach dem Londoner Ultimatum sind von Deutschland jährlich aufzubringen:

1) 2 Milliarden Goldmark feste Annuität

2) 26% von der Ausfuhr.

Legt man die bisher ermittelte Ausfuhrziffer von 1920 in Höhe von rund 5 Milliarden Goldmark zu Grunde, so ergeben sich folgende Zahlen:

II. Bei einer Goldparität von 1 Dollar = 4,198 Goldmark und bei Annahme von 59 Papiermark für 1 Dollar kommt man zu einem Umrechnungsverhältnis von 1,7 Dollar für 100 Papiermark oder 7,14 Goldmark für 100 Papiermark. Der Betrag von 1 690 000 000 Goldmark ergibt demnach 23 600 000 000 Papiermark.

III. Die deutsche Regierung denkt diesen Betrag zu decken, wie er sich aus Anlage 2 [s. Anm. 11] ergibt.“ (Zahlungsplan nebst Anlagen in R 43 I /20 , Bl. 272-276).

Mit Rücksicht darauf, daß eine dem „Reparation Recovery Act“8 entsprechende Gesetzesgebung gegenwärtig nur im Vereinigten Königreich zur[102] Anwendung kommt, vermag das Komitee die Ziffer von 260 Millionen Goldmark, welche die Deutsche Regierung als Ziffer der aus diesem Anlaß erzielten Einnahmen vorgeschlagen hat, nicht anzunehmen; es ist jedoch bereit, diese Einnahmen einstweilen mit 150 Millionen Goldmark zu bewerten.

8

Siehe dazu die „Aufzeichnung zu Punkt 2 der Londoner Zwangsmaßnahmen – 50%ige Abgabe vom Wert deutscher, nach alliierten Ländern eingeführter Waren (nach dem Stand vom 18.4.1921)“. (Aufzeichnung des AA, RT-Drucks. Nr. 1853, Bd. 366 ). Danach war in Großbritannien seit dem 1.4.1921 ein Gesetz in Kraft, nach dem eine solche Abgabe als Sanktion von Deutschland erhoben wurde. – Am 9. Mai, also nach Bekanntwerden des Londoner Ultimatums, das nur eine 26%ige Ausfuhrabgabe vorsah, hatte Stresemann bei einem Besuch der brit. Botschaft vier Fragen über Englands künftige Haltung gestellt; auf die 2. Frage, ob die brit. Reg. die als Sanktion verhängte, inzwischen durch Gesetz verankerte 50%ige Ausfuhrabgabe nach Annahme des Londoner Ultimatums beibehalte, erhielt er die Zusage, daß zwar das Gesetz bestehen bleibe, die brit. Reg. jedoch nicht die Absicht habe, mehr als die 26%ige Abgabe zu fordern (Memorandum der großbritannischen Botschaft vom 11.5.1921, s. D’Abernon, Botschafter, Bd. 1, S. 185 ff., Durchschrift in R 43 I /20 , Bl. 220-226). Das Begleitschreiben, mit dem das AA am 31.5.1921 der Rkei die vier Fragen und Antworten übersandt hatte, enthielt die Mitteilung, daß diese Zusage der brit. Reg. inzwischen eingelöst sei (R 43 I /20 , Bl. 219).

Das Komitee ist ferner bereit, unter den gleichen Bedingungen die Schätzung von 200 Millionen Goldmark als voraussichtlichen Ertrag der Zolleinnahmen zuzulassen.

Endlich würde die in Artikel VII aufgeführte Erhebung von 25 Prozent des Wertes der Ausfuhr auf der Grundlage, die weiter oben für die Ausfuhr zugelassen worden ist, einen Jahresbetrag von 1.250.000.000 Goldmark abzüglich des Ertrags der „Reparation Recovery Act“, also 1.100.000.000 Goldmark jährlich oder 275 Millionen Goldmark vierteljährlich ergeben.

A. Das Jahr 1921/1922.

Für das laufende Jahr schreibt der Zahlungsplan folgende Verpflichtungen vor9:

9

Siehe Anm. 5.

a)

Vier Zahlungen von 500 Millionen Goldmark und

b)

zwei vierteljährliche Zahlungen der veränderlichen Annuität, die am 15. November 1921 und am 15. Februar 1922 fällig, jede, wie oben erwähnt, auf 325 Millionen Goldmark zu schätzen.

Der Gesamtbetrag derVerpflichtungen für das am 30. April 1922 ablaufende Jahr würde sich also auf 2.650.000.000 Goldmark belaufen.

Auf diese Verpflichtungen werden

a)

1.000 Millionen Goldmark durch Zahlungen beigebracht werden, die in Ausführung des Artikel V des Zahlungsplans10 zu bewirken sind;

b)

1.200 Millionen Goldmark unter der oben erfolgten Annahme durch Sachleistungen beigebracht werden;

c)

150 Millionen Goldmark werden durch den „Reparation Recovery Act“ erzielt werden können.

10

Art. V des Zahlungsplanes lautet: „Deutschland wird innerhalb von 25 Tagen von dieser Benachrichtigung an 1 Mrd. Goldmark in Gold oder in anerkannten Devisen oder in deutschen Schatzanweisungen mit 3 Monaten Laufzeit, die das Indossament anerkannter deutscher Banken tragen und in London, Paris, New York oder jedem anderen von der Reparationskommission bezeichneten Platze zahlbar sind. Diese Zahlungen werden als die beiden ersten Vierteljahresraten der im Artikel IV § 1 vorgesehenen Zahlungen behandelt werden.“ (RT-Drucks. Nr. 1979, Bd. 367 ). Zur Aufbringung der 1. Milliarde s. Dok. Nr. 69.

Das heißt: es kann einstweilen ein Gesamtbetrag von 2350 Millionen Goldmark als bereits gedeckt angesehen werden, und es bleibt lediglich der Rest von 300 Millionen Goldmark durch die in Artikel VII aufgeführten Einnahmequellen zu decken.

[103] Infolgedessen ist das Komitee der Ansicht, daß gemäß den in den oben erwähnten Noten enthaltenen Vorschlägen die Überweisung der Zolleinnahmen an das Garantie-Komitee am 15. November und die Erhebung der 25 Prozent auf die Ausfuhr am 15. Dezember 1921 zu beginnen hat; es bittet daher die Deutsche Regierung, alle in dieser Hinsicht erforderlichen Maßnahmen zu treffen.

Es wird somit vorbehaltlich der Richtigkeit der oben gemachten Schätzungen voraussichtlich nicht nötig sein, im Laufe des Jahres 1921/1922 auf andere Mittel als die zurückzugreifen, die in Artikel VII des Zahlungsplans ausführlich bezeichnet worden sind.

B. Kommende Jahre.

Das Garantie-Komitee hebt aber hervor, daß diese Lage sich aus den besonderen Verhältnissen ergibt, unter denen Deutschland seine Schuld während des ersten Jahres zu tilgen hat.

Im Laufe der kommenden Jahre wird diese Lage sich ändern, und deshalb müssen schon jetzt die Umstände klargestellt werden, unter denen das Garantiekomitee die von der Deutschen Regierung vorgeschlagenen Einnahmequellen in Anspruch zu nehmen gedenkt.

Zweifellos kann jetzt die Höhe der von Deutschland im Laufe einer der nächsten Jahre geschuldeten Summe nicht genau berechnet werden, aber, um beispielsweise und mit allen nötigen Vorbehalten auf die von der Deutschen Regierung für das Jahr 1921/22 gemachten Schätzungen zurückzugreifen, stellt sich die Berechnung für ein Jahr gleicher Art wie folgt dar:

Der Gesamtbetrag der Verpflichtungen Deutschlands in Millionen Goldmark setzt sich wie folgt zusammen:

Feste Jahresrate

2.000

Veränderliche Jahresrate

1.300

zusammen

3.300

Davon werden gedeckt:

durch die Lieferungen in Sachleistungen

1.200

Reparation und Erhebung von 25% des Wertes der Ausfuhr

1.250

Zolleinnahmen

200

zusammen

2.650

Defizit

650

Dieses Defizit von 650 Millionen Goldmark müßte durch neue als Sicherheit verschriebene Einnahmequellen gedeckt werden, und zwar durch andere Einnahmequellen als die im Artikel VII unter a) und b) des Zahlungsplanes aufgeführten.

Die von der Deutschen Regierung vorgeschlagenen Einnahmequellen, nämlich: Kapitalertragsteuer, Zuckersteuer, Tabaksteuer, Alkoholmonopol, Kohlensteuer, Umsatzsteuer würden nach den eigenen Schätzungen der Deutschen[104] Regierung eine Summe von 1.666 Millionen Goldmark ergeben11. Das Garantie-Komitee hält es für richtig, diese Schätzungen auf 1.300 Millionen Goldmark herabzusetzen.

11

Gemäß Anlage 2 zum in Anm. 7 zitierten Zahlungsplan des RFMin. hatte die dt. Reg. die angegebenen Einnahmequellen wie folgt veranschlagt: „Zwecks Beschaffung der zur Ausführung des Zahlungsplanes vom 5. Mai d. J. etwa erforderlichen Devisen wird die deutsche Regierung die Erträge folgender Einnahmequellen im Gesamtbetrag von 25 Milliarden Papiermark bereitstellen:

Zu den vorstehenden Zahungen wird bemerkt:

Die Einnahmen aus der Kapitalertragssteuer sind im Reichshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1921 mit 1,4 Milliarden Mark veranschlagt.

Die Einnahmen aus der Zuckersteuer sind im Reichshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1921 mit 160 Millionen Mark veranschlagt, für das Rechnungsjahr 1922 wird aus der beabsichtigten Erhöhung der Steuersätze eine Mehreinnahme von 1,04 Milliarden Mark erwartet.

Die Einnahmen aus dem Branntweinmonopol sind im Reichshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1921 mit rund 700 Millionen Mark veranschlagt, für das Rechnungsjahr 1922 wird aus der beabsichtigten Erhöhung der Hektolitereinnahmen eine Mehreinnahme von 800 Millionen Mark erwartet.

Die Einnahmen aus der Tabaksteuer sind im Reichshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1921 mit 1,8 Milliarden Mark veranschlagt. Für das Rechnungsjahr 1922 wird infolge der beabsichtigten Beseitigung der im Verordnungswege und durch Gesetz angeordneten Ermäßigungen [RGBl. 1920 I, S. 326 ] eine Mehreinnahme von 900 Millionen Mark erwartet.

Die Einnahmen aus der Kohlensteuer sind im Reichshaushaltsplan für 1921 mit 4,5 Milliarden Mark veranschlagt. Der Ertrag einer etwaigen Erhöhung dieser Steuer ist nicht für den Reparationszweck in Aussicht genommen.

Die Einnahmen aus der Umsatzsteuer (ohne Luxussteuer) sind im Reichshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1921 mit 4,5 Milliarden Mark veranschlagt. Von dem Betrage gehen 0,81 Milliarden Mark an die Länder und Gemeinden ab. Für das Rechnungsjahr 1922 wird aus der beabsichtigten Erhöhung und Erweiterung der Umsatzsteuer (ohne Luxussteuer) eine Mehreinnahme von 10,6 Milliarden Mark erwartet.“ (R 43 I /20 , Bl. 276).

Die von Deutschland geschuldeten und sicherzustellenden Beträge würden sich also annähernd nur auf die Hälfte der von Deutschland vorgeschlagenen Einnahmequellen belaufen. Das Garantiekomitee würde bereit sein, für den Rest die Zahlung des Gegenwertes von 50% des Ertrages der oben erwähnten Steuern in fremden Devisen anzunehmen, wobei der verbleibende Überschuß zur vorläufigen Verfügung der Deutschen Regierung belassen würde.

Sollte der Ertrag dieser Steuern nicht ausreichen, um mit 50% davon die in Frage kommende Summe zu erreichen, oder sollten die anderen Einnahmequellen, welche das Komitee seiner Schätzung des durch Verschreibung bestimmter Einnahmequellen als Sicherheit zu deckenden Betrages zu Grunde gelegt hat, sich als unzureichend erweisen, behält sich die Kommission selbstverständlich ausdrücklich das Recht vor, zu irgendeinem Zeitpunkt durch einfache Aufforderung an die Deutsche Regierung die Zahlung eines höheren Prozentsatzes des Ertrages der als Sicherheit bestimmten Steuern zur Deckung des Defizits zu erlangen.

[105] Wenn andererseits der Steuerertrag den von der Kommission als Sicherheit verlangten Betrag übersteigt, so wird diese bereit sein, den ihr zu zahlenden Prozentsatz zu ermäßigen.

Die Maßnahmen, die für die Zahlung der als Sicherheit verschriebenen Fonds an das Komitee getroffen werden müssen, werden also vorläufig folgende sein:

a)

vom 15. November 1921 ab soll das Komitee die Zollerträge erhalten,

b)

vom 15. Dezember ab erhält es den Betrag der Erhebung von 25% des Wertes der Ausfuhr in der Art, wie sie in den beigegebenen, von diesen besonderen Einnahmequellen handelnden Noten angegeben ist,

c)

vom 1. Mai 1922 ab erhält das Komitee außerdem 50% – oder jeden anderen Prozentsatz, den es in der Folge bestimmen kann – von dem Ertrag der ergänzenden Einnahmequellen, die von der Deutschen Regierung als Garantie vorgeschlagen und von dem Komitee angenommen worden sind. Der Ausschuß behält sich indessen das Recht vor, nötigenfalls zu fordern, daß die Zahlungen dieser Beträge an einem früheren Datum erfolgt.

Das Komitee muß hinzufügen, daß die durch den Artikel 248 des Friedensvertrages von Versailles12 – dessen Ausführung dem Komitee anvertraut worden ist – der Reparationskommission erteilten Rechte unberührt bleiben, und daß die besondere Verwendung gewisser Abgaben für den Dienst der Schuldverschreibungen nicht als Einschränkung des allgemeinen, durch den genannten Artikel 248 vorgesehenen Vorzugsrechts aufgefaßt werden darf, nach welchem der Dienst der Schuldverschreibungen, wie er durch den Zahlungsplan vorgesehen ist, unter allen Umständen von der Deutschen Regierung sichergestellt sein muß, die gegebenenfalls die zu diesem Dienste nötige Summe aus ihren allgemeinen Einnahmequellen aufzubringen hat, wenn der Ertrag der zur Sicherstellung verwandten Abgaben sich als nicht ausreichend erweisen sollte.

12

Siehe Anm. 1.

Das Garantiekomitee erkennt, so wie die Deutsche Regierung dem Komitee gegenüber ausgeführt hat, die volle Bedeutung an, die einer Festigung der Valuta für die Ausführung ihrer Verpflichtungen gegen die Alliierten innewohnt.

Außer den wirtschaftlichen Verhältnissen, die eine Verbesserung der gegenwärtigen Lage herbeiführen können, gibt es einen doppelten Faktor zur Festigung der Mark, der vor allem von der Deutschen Regierung abhängt, nämlich das Gleichgewicht des Budgets und die Einstellung der Ausgabe von ungedeckten Banknoten. Die Festigung wird nicht möglich sein, solange die Deutsche Regierung nicht das Gleichgewicht des Budgets hergestellt haben wird, sowohl durch strenge Einschränkung ihrer Ausgaben, als durch Vermehrung ihrer normalen Einnahmequellen.

Das Garantiekomitee verkennt nicht die Schwierigkeiten, vor denen sich die Deutsche Regierung befindet, aber es ist der Ansicht, daß die Lage des Budgets eine noch durchgreifendere Reform erfordert, als die ihm mitgeteilten Pläne vorsehen. Es ist die Aufgabe der Deutschen Regierung, die Mittel zur Durchführung dieser Reform zu finden, aber es ist augenscheinlich, daß die[106] oben näher beschriebenen Bestimmungen abgeändert werden müßten, wenn ein dem Ernst der Lage entsprechendes Reformprogramm nicht zur Ausführung käme.

Zusammenfassend erklärt das Garantiekomitee in aller Form, daß es die Ersetzung der unter a) und b) in Artikel VII des Zahlungsplans aufgeführten Fonds nur dann annehmen kann, wenn endgültig festgestellt sein wird, daß die ihm von der Deutschen Regierung als Sicherheit angebotenen Steuern die für die jährlichen Zahlungen notwendigen Summen liefern werden13.

13

In einer Besprechung über den Inhalt der Noten hatte StS Schroeder den „Hauptmitgliedern“ des Garantiekomitees bereits seine Bedenken mitgeteilt, die er in einer Aufzeichnung vom 29.6.1921 wie folgt festgehalten hat: „In der Note Nr. 1 sei uns mitgeteilt, daß das Garantiekomitee nicht in der Lage sei, jetzt schon auf die Sicherstellung durch die Zölle und die Ausfuhrabgaben zu verzichten. Es werde vorgeschlagen, daß von den Steuern, die deutscherseits als Sicherheit in Aussicht genommen seien, für das Jahr bis zum 1. Mai 1922 nur die Hälfte für das Garantiekomitee bereitgestellt werden sollte, während die andere Hälfte Deutschland überlassen bleibe. Ich betonte, daß unser Vorschlag davon ausgehe, daß die Zölle und Ausfuhrabgaben freigelassen würden und daß die angebotenen Steuern nicht nur als Ergänzung, sondern auch als Ersatz dienen sollten. Scheide die Eigenschaft als Ersatz aus, so sei hiermit eine neue Situation für die deutsche Regierung geschaffen, und sie müsse sich von neuem überlegen, welche Steuern sie lediglich als Ergänzung der Zölle und Ausfuhrabgaben anbieten solle. Wegen der Beschränkung in der freien Ausgestaltung der Sicherheitssteuern hätten wir ein Interesse daran, möglichst wenig Steuern als Sicherheit zur Verfügung zu stellen. Vom Präsidenten des Garantiekomitees, Mauclère, wurde festgestellt, daß Deutschland in dieser Beziehung noch freie Hand habe. Durch die Note Nr. 1 sind die von uns angebotenen Steuern also noch nicht der Beschränkung aus Absatz 6 des Artikels VII des Zahlungsplanes unterworfen. Herr Mauclère gab aber zu bedenken, daß es sich doch empfehlen würde, lieber einen Prozentsatz einer größeren Zahl von Steuern zur Verfügung zu stellen, damit man nicht beim Ausscheiden der Zölle oder der Ausfuhrabgaben von neuem über die Auswahl von Ersatzsteuern zu verhandeln braucht. Außerdem müsse ein gewisser Spielraum vorhanden sein, da die Steuern in Papiermark eingingen, während unsere Verpflichtungen in Goldmark festgestellt seien. Das letztere wurde von mir zugegeben.“ (R 38 /122 ).

Das Garantiekomitee ersucht daher die Deutsche Regierung, die nötigen Maßnahmen zu ergreifen, damit die unter a) und b) in Artikel VII vorgesehenen Sicherheiten zu den Zeiten in Wirkung treten, die weiter oben provisorisch angegeben worden sind. Das Garantiekomitee ist indessen schon jetzt bereit, der Deutschen Regierung bei der Erfüllung ihrer Aufgabe dadurch zu helfen, daß es ihr gewisse in den heutigen im ersten Teil dieses Schreibens erwähnten Noten aufgeführte Erleichterungen gewährt.

gez. Bemelmans

d’Amelio

Mauclère

Leith-Ross

Note Nr. 2:

Auslegung des WortesAusfuhrund etwaiger Ersatz des Ausfuhrindex.

Das Garantiekomitee hat den Bemerkungen der Deutschen Regierung hinsichtlich des Art. IV des Zahlungsplans vom 5. Mai 192114 die ernsteste Aufmerksamkeit[107] geschenkt. Diese Bemerkungen gliedern sich nach 2 deutlich zu unterscheidenden Hauptpunkten. Der eine bezieht sich auf die Auslegung des im vorgenannten Artikel vorkommenden Ausdrucks „Ausfuhr“, der andere bezieht sich darauf, daß die Ausfuhr als Grundlage des Index für die von Deutschland zu bewirkenden Zahlungen gewählt worden ist.

14

Siehe Anm. 5.

I.

Der Art. IV des Zahlungsplans bestimmt, daß Deutschland in jedem Jahre außer der festen Summe von 2 Milliarden, eine Summe zu bezahlen hat, welche die Reparationskommission als Gegenwert von 26% der deutschen Ausfuhr während eines Zeitraums von 12 Monaten vom 1. Mai 1921 ab bestimmen wird.

Die Deutsche Regierung hat angefragt, welche Bedeutung dem Wort „Ausfuhr“ beizulegen ist, da der Wert der Ausfuhr als Grundlage für die veränderlichen jährlichen Zahlungen zu dienen hat15.

15

Am 17.6.1921 vormittags hatte StS Hirsch dem Garantiekomitee die Praxis der dt. Ausfuhrstatistik und die sich daraus ergebenden Probleme für die Bemessung des Ausfuhrindexes erläutert; das Protokoll faßt darüber u. a. folgendes zusammen: „Er erklärte den Unterschied zwischen den Statistiken über Spezialhandel, Gesamt-Eigenhandel und Generalhandel, gab Aufklärung über die statistische Behandlung des Reexports, des Veredelungsverkehrs und des reinen Transitverkehrs, über die besonderen Schwierigkeiten im sogenannten Grenzaustauschverkehr, zumal auch aus Ostpreußen wegen des polnischen Korridors und erörterte die Schwierigkeiten, die sich daraus für die Feststellung des Wertes der Ausfuhr im Sinne des Artikels IV des Zahlungsplanes ergeben. Er begründete die Forderung der deutschen Regierung, daß bei der statistischen Erfassung der Ausfuhr die Reparationsleistungen nicht eingerechnet werden sollen. Es sei unmöglich, auch davon eine Abgabe von 26% zu entrichten, da diese Lieferungen ja nicht in der freien Wirtschaft, sondern auf Grund eines durch den Friedensvertrag festgelegten Zwanges erfolgten. Man müsse daher die gesamten Sachleistungen von der 26%igen Abgabe befreien. Die Frage des Herrn Bemelmans, ob in der Ausfuhrstatistik von 1920 die Lieferungen auf Grund des Friedensvertrages enthalten seien, beantwortete er dahin, daß dies anfangs der Fall gewesen, später aber eine Ausscheidung erfolgt sei, und daß jetzt eine von der übrigen Warenverkehrsstatistik getrennte Anschreibung erfolge.“ (Protokoll und Auszüge aus den Ausführungen StS Hirschs in R 43 I /20 , Bl. 406 f., 417-422).

Die Deutsche Regierung hat zunächst erklärt, daß nach ihrer Meinung weder die Zahlen des Generalhandels, noch des Gesamteigenhandels als Grundlage für die Bewertung der Ausfuhr genommen werden dürften. Sie bittet daher zur Berechnung der Zahlungen von der „Ausfuhr“ abzurechnen einerseits die Waren, welche Deutschland in direkter Durchfuhr, anderseits diejenigen, welche Deutschland in indirekter Durchfuhr passieren, d. h. die fremden Waren, welche unter deutschem Zollverschluß eingelagert und alsdann unter Zollkontrolle wieder ausgeführt werden, und diejenigen, welche Deutschland verlassen, um im Ausland verändert und dann wieder nach Deutschland eingeführt zu werden.

Die Deutsche Regierung, für die demnach allein der Spezialhandel in Betracht kommt, bittet des weiteren von diesem eine Anzahl Posten auszuschließen:

1.

Die Wiederausfuhr der eingeführten Waren (insbesondere der Rohstoffe), die im freien Handel ohne Veränderung und ohne unter Zollverschluß gelegen zu haben, wieder ausgeführt werden. Die Deutsche Regierung erklärt, [108] zu Beginn des Jahres 1921 einen Gesetzesvorschlag zur Unterscheidung dieser Waren von anderen eingebracht zu haben.

2.

Den Veredelungsverkehr. Aus den von der Deutschen Regierung vorgebrachten Bemerkungen sowohl bezüglich der Wahl der Ausfuhr als Index, als auch bezüglich der Auslegung des Wortes „Ausfuhr“, scheint hervorzugehen, daß die Deutsche Regierung den Ausschluß des Veredelungsverkehrs in seiner, nach den Bestimmungen der deutschen Zollgesetzgebung wirtschaftlich und technisch weitesten Bedeutung verlangt, sei es, daß er für Deutsche oder fremde Rechnung erfolgt, sei es, daß es sich um unwesentliche oder wesentliche Veränderung von nach Deutschland eingeführten Rohstoffen oder Halbfabrikaten mit der Absicht der Wiederausfuhr handelt. Die Deutsche Regierung scheint in der Tat sagen zu wollen, daß es angezeigt wäre, bei der Berechnung der von Deutschland zu zahlenden veränderlichen Annuität, die vom Ausland eingeführten Rohstoffe dann nicht in die Ausfuhr einzubeziehen, wenn sie aus Deutschland, sei es roh, sei es umgestaltet, sei es bearbeitet, wieder ausgeführt werden müssen oder wenigstens die Summe von dem Wert der Ausfuhr sollte abzuziehen sein, welche dem Wert der eingeführten Rohstoffe entspricht.

Des weiteren verlangt die Deutsche Regierung, daß die Reparationskommission hinsichtlich des Grenzverkehrs, wie Kohlenaustausch zwischen Holland und Deutschland, Ausfuhr deutscher Kohle, Ausfuhr deutscher Kohle nach der Tschechoslowakei gegen Einfuhr englischer Kohle, Ausfuhr von Getreide aus Ostpreußen gegen Getreideeinfuhr vom Westen, Holzausfuhr aus Baden gegen Holzeinfuhr aus Litauen, nur den Überschuß der Ausfuhr über die Einfuhr in Betracht zieht.

Endlich verlangt die Deutsche Regierung, daß die Reparationskommission bei der Bewertung der Ausfuhr in Anwendung des Art. IV des Zahlungsplans die Sachleistungen, welche von den alliierten Mächten als Reparation gefordert werden, nicht anrechnet, mag der Preis von der Reparationskommission festgesetzt sein oder nicht.

Zu allen diesen Punkten muß das Garantiekomitee nach eingehender Kenntnisnahme der von der Deutschen Regierung gemachten Bemerkungen diese darauf hinweisen, daß sie nicht zu ihrer Zuständigkeit gehören und daß die Entscheidung darüber nach den Bestimmungen des Art. IV des Zahlungsplans der Reparationskommission zusteht. Das Garantiekomitee kann demnach nur über die von der Deutschen Regierung bezüglich des Ausdrucks „Ausfuhr“ aufgeworfenen Fragen der Reparationskommission Bericht erstatten.

II.

Ebenso verhält es sich hinsichtlich der Wahl der Ausfuhr als Index für die durch Deutschland zu bewirkenden Zahlungen.

Die Deutsche Regierung hat ausgeführt, daß ihrer Ansicht nach die Annahme eines solchen Index eine Verminderung der Einfuhr fremder Waren sowie eine Beunruhigung der internationalen Arbeitsteilung zur Folge hätte,[109] wodurch Deutschland dahin gebracht würde, sich von der Weltwirtschaft loszulösen, um zu einer Art Eigenwirtschaft zurückzukehren, welche endlich den deutschen Kredit in einer für die Interessen der alliierten Mächte selbst schädlichen Weise vermindern würde.

Das Garantiekomitee würdigt die volle Bedeutung der Bemerkungen der Deutschen Regierung hinsichtlich der Ausfuhr als Index, aber sie ist, wie bereits oben bemerkt, für die Frage der Auswahl des Indexes nicht zuständig. Sie kann also in dieser Angelegenheit genau wie in der Frage der Auslegung des Wortes „Ausfuhr“ lediglich der Reparationskommission, von der die Entscheidung abhängt, Bericht erstatten. Außerdem glaubt das Komitee der Deutschen Regierung gegenüber bemerken zu müssen, daß es nach den Bestimmungen des Art. IV des Zahlungsplans Sache Deutschlands, nicht Sache der Reparationskommission ist, einen anderen Index als den Ausfuhrindex zur Bestimmung der veränderlichen Jahresleistung vorzuschlagen.

Das Garantiekomitee glaubt mit Genauigkeit die von der Deutschen Regierung wegen der Auslegung des Ausdrucks „Ausfuhr“ in Art. IV des Zahlungsplans und des etwaigen Ersatzes des in diesem Artikel vorgesehenen Ausfuhrindexes vorgebrachten Bemerkungen zusammengefaßt zu haben. Wenn die Deutsche Regierung mit der Auslegung ihrer Bemerkungen nicht einverstanden sein sollte, bittet das Garantiekomitee die Deutsche Regierung, die Reparationskommission davon verständigen zu wollen.

gez. Bemelmans

d’Amelio

Mauclère

Leith-Ross

Note Nr. 3: Ausfuhrabgabe.

Die Deutsche Regierung hat dem Garantiekomitee die wirtschaftlichen und politischen Schwierigkeiten auseinandergesetzt, welche sich durch eine unmittelbare Erhebung von 25% des Wertes der deutschen Ausfuhr ergeben könnten16.

16

In der Sitzung der Klko mit dem Garantiekomitee vom 18.6.1921 vormittags hatte StS Bergmann erwähnt, daß er bereits in Paris bei der inoffiziellen Besprechung auseinandergesetzt habe, warum Ausfuhrabgabe und Zölle von der dt. Reg. nicht als Deckungsmittel vorgeschlagen würden. Auf Wunsch des Garantiekomitees wurden die folgenden Ausführungen dann als Anlage III schriftlich überreicht: „Die Deutsche Regierung hat dem Garantie-Komitee einen Vorschlag zur Durchführung des Artikels VII des Zahlungsplanes vom 5. Mai 1921 vorgelegt [s. Anm. 7 und 11]. Sie ist dabei von der Erwägung ausgegangen, daß es zweckmäßig ist, die in Artikel VII unter a) als Deckungsmittel vorgesehenen deutschen Zolleinnahmen und Ausfuhrabgaben vorläufig nicht in die Zahl der Reichseinnahmen aufzunehmen, welche zur Deckung der Annuitäten herangezogen werden sollen. Die Gründe hierfür sind kurz folgende: Die deutschen Zölle befinden sich in einem Übergangsstadium. Die Erhebung eines großen Teils der Zölle, insbesondere auf Lebensmittel, ist suspendiert. Ob und wann diese Zölle wieder eingeführt werden, hängt von den wirtschaftlichen Notwendigkeiten ab. Zugleich ist der Gesamtbetrag der Zölle verhältnismäßig gering. Er belief sich im Jahre 1920 auf ungefähr 2,1 Mrd. Papiermark, im Jahre 1922 werden die Zölle infolge der Erhöhung der Abgabe auf einige Artikel und durch den Wegfall einiger zur Zeit bestehender Zollermäßigungen voraussichtlich etwa 3,3 Mrd. Mark Papier erreichen. Dies wären nach dem heutigen Wechselkurse nur etwa 200 Mio Goldmark. – Es kommt hinzu, daß die wirtschaftlichen Umwälzungen, welche der Krieg mit sich gebracht hat, den Abschluß einer Reihe neuer Handelsverträge notwendig machen. Bei diesen Verhandlungen müßte die deutsche Regierung möglichst freie Hand behalten. Wenn aber die Zolleinnahmen als Sicherheit für die Annuitäten der Reparation bestellt werden, so ist die deutsche Regierung in dieser Hinsicht an die Zustimmung des Garantiekomitees gebunden und gerät bei den Verhandlungen mit anderen Ländern in eine ungünstige Lage. – Was die jetzt bestehenden Ausfuhrabgaben anlangt, so ist es notwendig, das gesamte System derjenigen Einnahmen, welche die deutsche Regierung aus der Einfuhr direkt ziehen kann, einer genauen Prüfung zu unterwerfen. Im Budgetjahre 1920 betrugen die Ausfuhrabgaben zusammen etwa 2 Mrd. Papiermark. Im Jahre 1921 werden sie voraussichtlich 1 Mrd. Mark nicht übersteigen, weil die Abgabensätze wesentlich ermäßigt werden mußten. Künftighin werden die jetzt bestehenden Ausfuhrabgaben überhaupt nicht aufrechtzuerhalten sein. Sie werden kombiniert werden müssen mit einem völlig neuen System von Erhebungen auf die deutsche Ausfuhr, welches dem Zwecke dient, einen Teil der Indexabgabe von 26% auf die deutsche Ausfuhr unmittelbar durch Besteuerung der Ausfuhr selbst für das Reich wiederzugewinnen. Diese Abgabe kann nur in vorsichtiger Weise und auf Grund eingehenden Studiums der wirtschaftlichen Verhältnisse erreicht werden. Sie wird also geraume Zeit beanspruchen. Inzwischen aber muß die Regierung dem Garantie-Komitee einen vollständigen Plan zur Deckung der in bar zu leistenden Annuitäten vorlegen. Daher müssen aus diesem Plan einstweilen die Ausfuhrabgaben ausscheiden.“ (Protokoll der Sitzung und Anlage III als Umdruck in R 43 I /20 , Bl. 410-412, 414).

[110] Das Komitee würdigt die Bedeutung der von der Deutschen Regierung gemachten Bemerkungen. Es muß indessen darauf hinweisen, daß die Erhebung im Zahlungsplan keineswegs als Steuer vorgesehen ist, sondern nur als ein Mittel für die Deutsche Regierung, sich die nötigen ausländischen Devisen zu verschaffen.

Das Garantiekomitee würde gern dem Wunsche der Deutschen Regierung nachkommen, andere Einnahmequellen anzunehmen, wenn diese Einnahmequellen ihm die nötigen Mengen ausländischer Devisen sichern könnten; bisher hat es jedoch von keinem Plan Mitteilung erhalten, welcher diese Bedingung erfüllte. Unter diesen Umständen glaubt das Komitee auf die durch Art. VII des Zahlungsplans vorgesehene Abgabe von der Ausfuhr nicht verzichten zu können; es ist daher gezwungen, die Deutsche Regierung zu ersuchen, die Maßnahmen, welche für die Einführung der Abgabe nötig sein werden, mit größter Sorgfalt vorzubereiten17. Nichtsdestoweniger erklärt sich das Komitee damit einverstanden, die Einführung dieses Systems mit dem am Ende dieser Note formulierten Vorbehalt und unter folgenden Sicherheiten aufzuschieben:

17

Ein vom RWiMin. vorbereiteter „Entwurf eines Ausfuhrabgabengesetzes“ gelangt am 7.4.1922 in den RT (RT-Drucks. Nr. 4136, Bd. 372 ), wird hier am 16.6.1922 dem 5. Ausschuß zur Beratung überwiesen (RT-Bd. 355, S. 7832 ) und bleibt schließlich unerledigt.

Das Garantiekomitee wird für jedes kommende Vierteljahr zu Beginn des vorletzten ihm vorausgehenden Monats und nach dem Wert der Ausfuhr des letzten Vierteljahrs die Summe bestimmen, welche in fremden Devisen den 25% des Wertes der Ausfuhr entspricht, nachdem die im Laufe dieses Vierteljahrs in den Einfuhrländern auf Grund des Art. IX des Zahlungsplans18 erhobenen Abgaben abgezogen sind. Die Deutsche Regierung wird diese Summe in drei Teilen auf folgende Weise entrichten:

18

British Recovery Act, s. Anm. 8.

Ein Drittel zwei Monate, ein Drittel einen Monat im voraus und den Rest an dem durch den Zahlungsplan bestimmten Verfallstage des Vierteljahrs.

[111] Werden zum Beispiel die vierteljährlichen Zahlungen am 15. November eines Jahres fällig, so werden sie, wie oben ausgeführt, auf der Gesamtgrundlage des Vierteljahrs Mai-Juni-Juli desselben Jahres berechnet. Die erste Zahlung hätte von der Deutschen Regierung spätestens am 15. September, die zweite am 15. Oktober und die dritte am 15. November zu erfolgen.

Was das laufende Jahr anbetrifft, so ist das Komitee für den Augenblick bereit, gelten zu lassen, daß der Wert, der seit dem letzten 1. Mai gemachten Sachleistungen ausreichend ist, die am nächsten 15. November fällig werdende Zahlung zu decken, so daß die oben erwähnten Anordnungen zuerst für die Zahlungen zum 15. Februar nächsten Jahres, deren erster Teil am 15. Dezember zahlbar ist, in Anwendung gelangen.

Das Garantiekomitee behält sich ausdrücklich das Recht vor, jederzeit ein System der unmittelbaren Erhebung in Kraft zu setzen, insbesondere, wenn eine dieser Zahlungen nicht zum festgesetzten Tage erfolgt sein sollte. Die Deutsche Regierung muß sich ihrerseits in aller Form verpflichten, unverzüglich einer Aufforderung in diesem Sinne nachzukommen. Außerdem bemerkt das Garantiekomitee, daß die obige Entscheidung die Deutsche Regierung nicht davon befreit, jeden Plan, welcher nach Absatz 8 des Art. VII19 in seiner Anwendung eine Verringerung der 25%igen Ausfuhrabgabe zur Folge haben könnte und tatsächlich zur Anwendung gelangt, mitzuteilen.

19

Der entsprechende Absatz lautet: „Die Deutsche Regierung soll dem Garantie-Komitee jede beabsichtigte Handlung mitteilen, welche dazu führen könnte, die Erträgnisse irgendeines der verschriebenen Fonds zu vermindern und soll, wenn das Komitee es erfordert, irgendwelche andere anerkannte Fonds zum Ersatz geben.“ (RT-Drucks. Nr. 1979, Bd. 367 ).

gez. Bemelmans

d’Amelio

Mauclère

Leith-Ross

Note Nr. 4: Zölle.

Die Deutsche Regierung hat dem Garantiekomitee die Schwierigkeiten auseinandergesetzt, welche in einer Zeit der Änderungen von Zolltarifen die Bestimmung der Zolleinnahmen (Einfuhr- und Ausfuhrabgaben) als Sicherheit der Ausführung des Zahlungsplans vom 5. Mai 1921 mit sich bringt20.

20

Siehe Anm. 5.

Diese Schwierigkeiten würden sich aus den Bestimmungen des Abs. 8 des Art. VII des Zahlungsplans ergeben21, welche die Deutsche Regierung verpflichten, dem Garantiekomitee jeden Plan, welcher eine Verringerung der für diesen Zweck bestimmten Einnahmequellen zur Folge haben könnte, mitzuteilen, und wenn das Garantiekomitee wegen eines solchen Plans es verlangte, andere von dem Komitee genehmigte Einnahmequellen an seine Stelle treten zu lassen.

21

Siehe Anm. 16.

[112] Daher bittet die Deutsche Regierung das Garantiekomitee um die Ermächtigung, die Einnahmen aus den Zöllen durch andere Einnahmen in Übereinstimmung mit dem letzten Satz unter c) des Art. VII des Zahlungsplans zu ersetzen.

Das Komitee erkennt die Bedeutung der von der Deutschen Regierung gemachten Bemerkungen an und ist geneigt, Maßnahmen zu ergreifen, um das Auftreten der erwähnten Nachteile zu verhindern; jedoch erscheint es ihm, um das ins Auge gefaßte Ziel zu erreichen, nicht notwendig, darauf zu verzichten, die Zolleinnahmen für die Sicherstellung der Schuldverschreibungen zu verwenden.

Infolgedessen verzichtet das Komitee, um der Deutschen Regierung die für seine Zollpolitik erbetene Handlungsfreiheit zu belassen, vorläufig unter ausdrücklicher Beibehaltung der Bestimmung der Zolleinnahmen als Sicherheit für die Schuldverschreibungen darauf, von dem vorerwähnten Abs. 8 Gebrauch zu machen, wonach es eine vorherige Mitteilung über die deutschen zollpolitischen Pläne erhalten müßte.

Die Verpflichtung der Deutschen Regierung wird sich darauf beschränken, die ergriffenen Maßnahmen dem Garantiekomitee mitzuteilen.

Diese Vereinbarung wird, falls nicht eine gegenteilige Mitteilung erfolgt, bis zum 1. Mai 1922 in Kraft bleiben und wird auf Verlangen der Deutschen Regierung von diesem Tage ab erneuert werden können; das Garantiekomitee behält sich jedoch das Recht vor, sie jederzeit, wenn es das für nötig erachtet, außer Kraft zu setzen.

Vorbehaltlich dieser Vereinbarung, welche der Deutschen Regierung Handlungsfreiheit läßt, werden die Zolleinnahmen eine der für den Schuldendienst bestimmten Einnahmequellen darstellen. Ihre Zahlung wird vom nächsten 15. November an beginnen und monatlich in fremder Währung in die Banken, welche das Garantiekomitee späterhin bezeichnen wird, erfolgen. Dort werden die eingezahlten Gelder bis zu dem im Art. IV des Zahlungsplans22 vorgesehenen Verfalltage gesperrt bleiben.

22

Siehe Anm. 5.

gez. Bemelmans

d’Amelio

Mauclère

Leith-Ross

Note Nr. 5: Organisation der Überwachung.

Der Art. VII des Zahlungsplans23 bestimmt, daß das Garantiekomitee damit betraut werden wird, die Richtigkeit des Betrages des von der Deutschen Regierung angegebenen Ausfuhrwertes im Hinblick auf die im Art. IV[113] unter 224 vorgesehene Berechnung der Annuität zu bestätigen und, wenn nötig, zu berichtigen.

23

Siehe Anm. 1.

24

Siehe Anm. 5.

Er bestimmt weiter, daß das Komitee die Richtigkeit des Betrages der nach Art. VII für den Dienst der Schuldverschreibungen bestimmten Einnahmequellen zu bestätigen und, wenn nötig, zu berichtigen hat.

Es gehört zu den Obliegenheiten des Garantiekomitees, die Maßnahmen zu ergreifen, welche es ihm ermöglichen, die in Frage kommende Bestätigung und etwaige Berichtigung vorzunehmen.

Das Garantiekomitee hat zu diesem Zweck beschlossen, eine dauernde Organisation in Berlin „Die Delegation des Garantiekomitees in Berlin“ zu schaffen, welche bei der Deutschen Regierung beglaubigt sein und deren Geschäftsordnung und Organisation später mitgeteilt werden wird. Diese Organisation wird vom Komitee ermächtigt sein, seine Prüfungs- und Überwachungsrechte bei den deutschen Verwaltungen auszuüben25.

25

Dazu sandte das Garantiekomitee, ebenfalls am 28.6.1921, folgende Note an den RK: „Monsieur le Chancelier, Par la Note Nr. 5 (Organisation du Contrôle) accompagnant sa lettre en date de ce jour, le Comité des Garanties vous a informé de la création de la ‚Délégation du Comité des Garanties à Berlin‘, organisme accrédité en permanence auprès du Gouvernement allemand.Le Comité des Garanties a l’honneur de vous faire connaître qu’il a nommé M. Haguenin comme Président de cette délégation. Veuillez agréer […]“ (R 43 I /20 , Bl. 367).

Unter anderem werden ihr folgende Befugnisse zustehen:

1. Was die Bestätigung der Ausfuhr anbetrifft, wird einer ihrer Beamten dauernd den zuständigen deutschen Dienststellen zugeteilt26. Dieser Beamte wird die Aufgabe haben, die bei der Aufstellung der Handelsstatistik angewandten Methoden zu studieren, sich über ihre Anwendung und ihren Erfolg zu vergewissern und darüber an das Garantiekomitee Bericht zu erstatten.

26

Nachdem die dt. Reg. in ihrer Note vom 29.7.1921 unter VI (s. Dok. Nr. 59) einer Kontrolle über die Arbeit im statistischen Reichsamt zugestimmt hat, ernennt das Garantiekomitee am 19.8.1921<in der Druckfassung: 29.8.1921; Anm . der Online-Edition> M. Bresciani zum ständigen Vertreter beim Statistischen Reichsamt (R 43 I /21 , Bl. 119).

Eine bestimmte Anzahl von nicht an den Ort gebundenen Inspektoren, welche unter seiner Autorität stehen, werden mit der Besichtigung aller Zollverwaltungsbüros beauftragt, um sich insbesondere über die Art und Weise der Ausfuhrdeklarationen und Regelmäßigkeit ihrer Übermittelung nach Berlin zu vergewissern.

Die Deutsche Regierung wird gebeten, den handelsstatistischen Beirat vierteljährlich einzuberufen, um seine Ansicht über die für das abgelaufene Vierteljahr aufgestellten Ausfuhrschätzung zu hören. Die Vertreter des Garantiekomitees werden diesen Sitzungen beiwohnen27.

27

Der Beirat für die Handelsstatistik war dem statistischen Reichsamt unterstellt und trat nach Bedarf zusammen; er bestand aus Sachverständigen der Landwirtschaft, der Industrie und des Handels. In der Note vom 29.8.1921 erklärt sich das Garantiekomitee bereit, auf Bitten der dt. Reg. die vierteljährliche Berufung des Handelsstatistischen Beirats noch einmal zu überprüfen (R 43 I /21 , Bl. 58-64, 94, hier: Bl. 61f).

2. Was die Zolleinnahmen und allgemein die sonstigen für die Sicherstellung der Schuldverschreibungen bestimmten Einnahmequellen anbetrifft, so wird ein anderer zur Delegation des Komitees in Berlin gehöriger Beamter zum[114] Reichsfinanzministerium abgeordnet, um sich mit der Zentral-Finanz-Verwaltung in Fühlung zu halten. Er muß [in] alle Schriftstücke (Instruktionen, Rundschreiben usw.), welche die Veranlagung und die Erhebung der Steuern betreffen, Einblick erhalten. Er wird insbesondere ermächtigt sein, sich die Schriftstücke übermitteln zu lassen, mit Hilfe derer die monatlichen Übersichten über Steuereingänge aufgestellt sind, soweit es sich um Steuern handelt, die als Sicherheit für den Dienst der Schuldverschreibungen bestimmt sind. Er wird durch eine Anzahl Beamter unterstützt werden, die ermächtigt sein werden, sich von den Bezirks- und Lokalbeamten der Finanzverwaltung Aufklärung zu verschaffen, und sich ihre Rechnungsführung vorlegen zu lassen.

3. Was die Überwachung der Erhebung der 25% der Ausfuhr anbetrifft, so kann das Garantiekomitee nur die Vorschläge der Deutschen Regierung hinsichtlich der Organisation dieser Erhebung abwarten.

Die Beamten des Garantiekomitees werden das Recht haben, jegliche ihnen notwendige Auskunft von den deutschen Beamten zu verlangen, sich alle Bücher, Register und Schriftstücke der Verwaltung vorlegen zu lassen, alle Diensträume öffnen zu lassen, sich jegliche Möglichkeit zu verschaffen, um sich eine restlose Kenntnis aller Teile der Dienstzweige zu verschaffen, mit deren Überwachung sie betraut sind.

Keinesfalls werden sie ermächtigt sein, Befehle zu erteilen oder sich an die Stelle deutscher Beamter zu setzen. Die Beamten des Garantiekomitees, welche irgendeinen Auftrag zur Überwachung haben, sind zur Amtsverschwiegenheit verpflichtet und unterliegen im Falle eines Verstoßes den von der Geschäftsordnung des Garantiekomitees vorgesehenen Disziplinarstrafen.

Die Deutsche Regierung wird den Mitgliedern und Beamten der Delegation des Komitees in Berlin auf Anfordern Beglaubigungsschreiben aushändigen, über deren Form sie sich mit dem Präsidenten dieser Delegation verständigen wird.

Die Deutsche Regierung wird auch alle Maßnahmen ergreifen, um den Delegierten und Beamten des Komitees ihre Aufgabe zu erleichtern und sich in jeder Hinsicht bemühen, ihnen in ihren Beziehungen zu den deutschen Verwaltungen behilflich zu sein.

Das Garantiekomitee wäre der Deutschen Regierung dankbar, ihm so schnell wie möglich ihr Einverständnis über die oben ins Auge gefaßte Organisation wissen zu lassen28.

28

Die Antwort ist am 29.7.1921 von der dt. Klko erteilt (Dok. Nr. 59). Jedoch hat StS Schroeder nach seiner eigenen Aufzeichnung vom 29.6.1921 dem Garantiekomitee bereits das Folgende mündlich dargelegt: „Ich führte dann noch aus, daß die Note Nr. 5 über die Organisation der Kontrolle nach dem bisherigen Verlauf der Verhandlungen für mich eine schwere Enttäuschung sei. Ich erkenne es an, daß in den übrigen Noten vielfach ein Entgegenkommen auf unsere Bedürfnisse zu finden sei. Ich müsse auch persönlich zugeben, daß das Garantiekomitee ein Recht darauf hat, eine gewisse Kontrolle darüber auszuüben, daß die Ausfuhrziffern richtig berechnet werden, solange die Ausfuhr als Index zu dienen habe, denn von der richtigen Feststellung dieser Ziffer hänge ja die Höhe unserer Leistung ab. Dagegen sei es nicht durch die Interessen der Alliierten geboten, eine so eingehende Kontrolle der Finanzbehörden auszuüben, wie sie in der Note vorgesehen sei. Der Sinn der Stellung von Sicherheiten sei doch der, den Inhabern der auszugebenden Anleihen die Sicherheit zu geben, daß der Zinsendienst regelmäßig gezahlt würde. Solange dies geschehe, sei keine Veranlassung, eine ins Einzelne gehende Kontrolle der Finanzbehörden vorzunehmen. Es sei dem Garantiekomitee bekannt, daß die deutsche Regierung alle Anstrengungen mache, um die Verpflichtungen aus dem Zahlungsplan zu erfüllen, daß sie aber auch in der öffentlichen Meinung mit Widerständen zu rechnen habe. Diese Widerstände würden verstärkt werden, wenn jetzt als Ergebnis des Entgegenkommens der deutschen Regierung Deutschland eine Finanzkontrolle aufgezwungen würde. In der Geschichte der internationalen Finanztransaktionen kenne man mancherlei Sicherheitsstellungen, die finanziell schwächere Staaten bei Aufnahme von Anleihen haben gewähren müssen. Deutscherseits habe man es bei der Gewährung von Anleihen weder Bulgarien noch südamerikanischen Staaten zugemutet, eine solche Finanzkontrolle auf sich zu nehmen. Diese Zumutung müsse böses Blut in unserer öffentlichen Meinung machen, sie müsse durch die ständigen Reibungen, die sich zwischen den kontrollierenden Beamten und den deutschen Behörden ergeben würden, eine Quelle von Streitigkeiten werden, die im Interesse eines wahren Friedenszustandes besser vermieden würde. Hinzu käme, daß man doch auch die Kosten eines solchen Apparats besser für die eigentlichen Reparationszwecke verwenden sollte. Ich bäte deshalb dringend, diese Angelegenheit noch einmal sorgfältig zu prüfen. Ich hielte es im Interesse der Sache nicht gut für möglich, diese Noten zu veröffentlichen. – Der Präsident Mauclère erwiderte: Meine Ausführungen seien wohl zum Teil durch Mißverständnisse herbeigeführt. Von einer eigentlichen Finanzkontrolle sollte keine Rede sein. Durch die herumreisenden Beamten sollten nur Stichproben gemacht werden und auch nur bei den Steuern, die als Sicherheit dienen sollten. Die Garantiekommission habe schwere Verantwortung zu tragen, daß der Zinsendienst für die Anleihen sichergestellt sei, und hierfür müsse sie eine Art Kontrolle haben. Herr Bemelmans betonte dann, daß das Wort ‚control‘ nicht im englischen Sinne zu verstehen sei, es habe nicht die Bedeutung einer Aufsicht des gesamten Dienstes. – Ich erwiderte, daß ich für die Mitteilungen der Herren dankbar sein könne, daß ich aber hoffte, daß gerade dann, wenn die Garantiekommission beabsichtigte, unsere berechtigte nationale Empfindlichkeit zu schonen, sie bei erneuter Prüfung andere Mittel und Wege finden würde, ihrer Verantwortung Rechnung zu tragen. Das Ergebnis der Erörterung über diesen Punkt war, daß die Frage beiderseits nochmals geprüft werden sollte. Das Garantiekomitee sei gern bereit, Vorschläge der deutschen Regierung anzunehmen, wenn sie der Verantwortung des Garantiekomitees gerecht würden.“ (R 38 /122 , neu in R 3301 /2122 , Bl. 127-138; 37-40).

gez. Bemelmans

d’Amelio

Mauclère

Leith-Ross

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