1.151.1 (wir2p): 1. Wirtschaftspolitische Maßnahmen.

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1. Wirtschaftspolitische Maßnahmen.

Staatssekretär Schroeder trägt vor, daß das Reichsfinanzministerium Abänderungsvorschläge zu den vom Reichswirtschaftsministerium geplanten Maßnahmen zu stellen sich genötigt sehe. Diese Vorschläge ergeben sich aus der Anlage1.

1

Der RWiM hatte in der Sitzung vom 7.10.22 die Schaffung einer wertbeständigen Anleihe angeregt und mit Begleitschreiben vom 15.9.1922 einen Vorschlag dazu vorgelegt (siehe Dok. Nr. 382, P. 7 b); danach sollte das Reich Schatzanweisungen, die auf je 50 Goldmark oder ein Vielfaches davon lauten sollten, mit 4% Verzinsung ausgeben; Einzahlung sollte in ausländischer Währung entsprechend dem Kurse der Goldmark am Zahlungstage oder in Papiermark entsprechend dem jeweiligen Kurse der Goldmark (Mittel zwischen ¼ Dollar und ½ Pfund), die Rückzahlung sollte in Papiermark nach dem Kurse des Fälligkeitstages und auf der Grundlage der Berechnung in Gold erfolgen. Als Sicherung der Goldschatzscheine – es war an eine Gesamtausgabe in Höhe von 400 Mio Goldmark gedacht, die in gleichen Raten während der nächsten acht Monate ausgegeben werden sollten –, sah der RWiM die Einnahmen aus der Ausfuhrabgabe und Erhöhungen der Einnahmen der Kohlensteuer (aus Preiserhöhungen seit dem 1.9.22 erwachsend) vor. Verhandlungen mit der Repko hierüber seien aufzunehmen (R 43 I /2444 , Bl. 273, 284-288).

Demgegenüber wollte der RFM mit seinem aus der Anlage ersichtlichen, undatierten und unsignierten Vorschlag eine unverzinsliche wertbeständige Schatzanweisung mit dreibis sechsmonatiger Laufzeit schaffen, die auf einen Betrag von 105 Mark oder 25 Dollar oder eines Vielfachen dieses Betrages lauten sollten. Die Schatzanweisungen sollten an den Börsen eingeführt, von der Rbk jedoch nicht rediskontiert werden. Für ihren Erwerb sollte der amtliche Dollarkurs des Tages zu Grunde gelegt werden, an dem sich der Erwerber vorbörslich meldet. Die Schatzanweisungen sollten auf Mark lauten oder auf den der Vorkriegsparität entsprechenden Gegenwert in Dollar, umgerechnet zum Geldkurs des dem Fälligkeitstage vorhergehenden Werktages. Devisen sollten vorzugsweise in Zahlung genommen werden (R 43 I /1380 , Bl. 215-217).

[1126] Ehe aber das Reichsfinanzministerium endgültig Stellung nehme, beabsichtigt es noch, sich mit Sachverständigen in Verbindung zu setzen.

Vizekanzler Bauer führt aus, daß das Kabinett wohl heute nicht in der Lage sein würde, eine endgültige Entscheidung zu treffen. Immerhin wäre es für die Kabinettsmitglieder von Interesse, heute schon die Stellungnahme des Reichswirtschaftsministeriums zu diesen Abänderungsvorschlägen des Reichsfinanzministeriums zu erfahren.

Reichswirtschaftsminister Schmidt erklärt, daß er, soweit er dem Vortrage des Herrn Staatssekretärs Schroeder habe folgen können, diesen Vorschlägen grundsätzlich zustimme. Über Einzelheiten müsse eventuell noch gesprochen werden.

Exzellenz Havenstein erklärt sich für die Reichsbank bereit, die Bedenken gegen den Plan zurückzustellen. Man dürfe aber nicht außer acht lassen, daß, wer Devisen brauche, sicherlich keine Goldschatzanweisungen kaufen werde. Immerhin seien diese vielleicht ein Mittel zur Einschränkung der Devisenhamsterei. Wie gesagt, sei die Reichsbank bereit, dem Plan zuzustimmen, aber nur unter bestimmten Voraussetzungen. Die erste dieser Voraussetzungen sei, daß es bei einem Versuch bleiben müsse, dessen Fortführung vom Erfolg abhängig sei. Die Reichsbank sei alleräußerst bereit, einer Ausgabe von Goldschatzanweisungen in Höhe von 100 Millionen Goldmark, die einem Wert von 75 Milliarden Papiermark entsprächen, zuzustimmen. Darüber hinaus müsse die Reichsbank jede Belastung ablehnen.

Nebenher entstehe die Frage, ob für diese Maßnahme die Reichsregierung nicht der Zustimmung der Reparationskommission bedürfe. Tatsächlich werde noch das Risiko der Entwertung der Mark auf die Reichsregierung übernommen.

Staatssekretär Schroeder erwidert, daß diese letzte Frage im Reichsfinanzministerium bereits erörtert worden sei, und man zu dem Resultat gekommen sei, daß eine solche vorherige Befragung der Reparationskommission nicht erforderlich, auch nicht angezeigt sei. Es handele sich hier nicht um einen Eingriff in das Pfandrecht der Reparationskommission, außerdem erhalte die Kommission durch die monatlichen Nachweisungen des Reichsfinanzministeriums über diese finanzielle Maßnahme sehr bald Kenntnis, und das Reichsfinanzministerium werde in diese Nachweisungen die Schatzanweisungen deutlich in die Erscheinung treten lassen.

Reichsarbeitsminister Dr. Brauns weist darauf hin, daß gut situierte Leute sich durch die Goldschatzanweisungen gegen Verluste sichern können, während der kleine Mann diesen Weg nicht beschreiten könne.

Reichswirtschaftsminister Schmidt erwidert, daß ja auch schon bisher die bemittelten Kreise die Devisen sich beschaffen, das wolle man ja gerade vermeiden und diese Kreise auf die Goldschatzanweisungen hinlenken, um letzten Endes damit die Mark zu halten.

Staatssekretär Schroeder teilt noch mit, daß wegen technischer Schwierigkeiten eine Ausgabe der Goldschatzanweisungen vor dem 15. November wohl kaum zu erwarten sein würde.

Der Reichskanzler erklärt, er beabsichtige, wenn möglich morgen, über die[1127] Verordnung des Reichspräsidenten2 eine Besprechung unter den Ministern und den zuständigen Ressorts abzuhalten, um insbesondere die Wirkungen der Devisenverordnung zu erörtern.

2

Siehe Dok. Nr. 384 Anm. 3.

Staatssekretär Dr. Hirsch teilt noch mit, daß die Ausführungsbestimmungen zu dieser Devisenverordnung im Einvernehmen mit der Reichsbank fertiggestellt seien.

Der Reichskanzler bittet, ihm, sobald die Besprechungen zwischen den Ressorts beendet seien, Mitteilung zukommen zu lassen, damit in einer endgültigen Kabinettssitzung die Angelegenheit abgeschlossen werden könne3.

3

Siehe Dok. Nr. 392, P. 2.

Im Anschluß hieran führt Reichswirtschaftsminister Schmidt aus, daß man der Frage einer Anleihe in Höhe des Clearingbetrages vielleicht nähertreten müsse. Daß eine solche Anleihe für das Deutsche Reich vorteilhaft sein würde, darüber besteht keine Meinungsverschiedenheit. Die Frage sei nur die, ob der Zeitpunkt für eine solche Maßnahme jetzt kurz vor der Brüsseler Konferenz günstig sei.

Der Reichskanzler weist darauf hin, daß er beabsichtige, die ganze Reparationsfrage in den nächsten Tagen zur Diskussion zu bringen4 und sich dann Gelegenheit bieten würde, auch diese Frage zu erörtern.

4

Siehe Dok. Nr. 393.

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