2.119.1 (bru1p): Fortsetzung der Aussprache zur Vorbereitung des Finanz- und Wirtschaftsplans der Reichsregierung.

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Fortsetzung der Aussprache zur Vorbereitung des Finanz- und Wirtschaftsplans der Reichsregierung.

III. Vereinfachung des Steuersystems, Finanzausgleich.

Nach einleitenden Ausführungen des Reichsministers der Finanzen erläuterte Ministerialdirektor Dr. Zarden die Grundzüge des anliegenden Entwurfs (Anlage 1) eines Gesetzes zur Vereinfachung und Vereinheitlichung des Steuerwesens (Steuervereinfachungsgesetz) sowie der darin vorgesehenen Einzelgesetze1.

1

Anlage 1 enthielt den Entw. eines Mantelgesetzes über Steuervereinfachungen mit folgenden GesEntww.:

1. Gesetz über eine landwirtschaftliche Einheitssteuer;

2. Gesetz über eine gewerbliche Einheitssteuer;

3. Gesetz für Vereinheitlichung der Realsteuern;

4. Vereinfachung der Lohnsteuererstattung;

5. die Erhöhung der Vermögenssteuerfreigrenze auf 20 000 RM und eine Vereinfachung der Grundstücksbewertung;

6. Befreiung von der Umsatzsteuer für Unternehmen mit einem Gesamtumsatz von nicht mehr als 5000 RM jährlich;

7. BeamtenübertrittsGesEntw. zur Durchführung der unter 1.–3. bezeichneten Gesetze;

8. Änderung verschiedener Steuergesetze, die zur Anpassung an die unter 1.–3. bezeichneten Gesetze notwendig waren (R 43 I /1446 , Bl. 274–276; die Texte der GesEntww. lagen dem Kabinett noch nicht vor).

Auf Grund der Aussprache stimmte das Kabinett den Grundgedanken des Gesetzentwurfs, vorbehaltlich näherer Prüfung nach Vorlegung der Entwürfe zu den Einzelgesetzen, zu.

Das in § 1 unter Ziffer 4 aufgeführte Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes wurde zurückgestellt. Das in § 1 unter Ziffer 7 aufgeführte Beamtenübertrittsgesetz soll aus dem Mantelgesetz herausgenommen und als selbständiges Gesetz weiterverfolgt werden, da es zu seiner Annahme einer[450] Zweidrittelmehrheit bedarf, und deshalb eine unerwünschte Belastung des Steuervereinfachungsgesetzes darstellt.

Der Reichspostminister erklärte anerkennen zu müssen, daß die beabsichtigte Neuregelung mancherlei Vorteile bringen werde, daß er daher der Weiterverfolgung des Gesetzes nicht hindernd im Wege sein wolle. Gleichwohl könne er nicht für das Gesetz stimmen, da manche der Einzelgesetze, insbesondere das Grundsteuerrahmengesetz und das Gewerbesteuerrahmengesetz Eingriffe in die Steuerhoheit der Länder enthielten, die er aus parteipolitischen Rücksichten nicht mitmachen könne.

Das Kabinett nahm hiervon Kenntnis.

Der Reichsminister der Finanzen erörterte sodann die Möglichkeiten einer Senkung der Realsteuern. Er führte aus, daß die mit öffentlichen Mitteln betriebene Wohnungswirtschaft in Zukunft grundlegend neu geregelt werden müsse. Bisher sei die gesamte Bautätigkeit mit öffentlichen Mitteln betrieben worden. Die private Bautätigkeit sei auf ein Minimum beschränkt geblieben. Er halte den Zeitpunkt für gekommen, die öffentliche Bautätigkeit auf die private Bautätigkeit planmäßig umzustellen. Ebenso müsse die Wohnungszwangswirtschaft planmäßig abgebaut werden2. In Zukunft dürften öffentliche Mittel nur noch da eingesetzt werden, wo ein wirklich dringender Bedarf vorhanden sei. Ein derartiger Bedarf bestehe im wesentlichen nur noch an Kleinwohnungen für minderbemittelte Volksschichten. Im übrigen empfehle es sich, den Baubedarf der öffentlichen Hand durch sogenannte Mietbauverträge mit Privatkapitalisten, wie sie früher z. B. in großem Umfange bei der Reichspostverwaltung üblich gewesen seien, zu befriedigen. Auf diese Weise werde es sich ermöglichen lassen, von dem Teil des Hauszinssteueraufkommens3, der bisher für Bauten zur Verfügung gestellt worden sei, die Hälfte, d.[as] s.[ind] 400 Millionen RM für die Senkung der Realsteuern freizumachen. Eine Entlastung der produzierenden Wirtschaft von der unerträglich angestiegenen Last der Realsteuern sei unaufschiebbar.

2

Die Wohnungszwangswirtschaft war durch die MieterschutzVO vom 23.9.18 (RGBl., S. 1143 ) und durch das Wohnungsmangelgesetz vom 11.5.20 (RGBl., S. 949 ) eingeführt worden. Seit 1924 wurde die Zwangswirtschaft langsam abgebaut.

3

Die Hauszinssteuer war durch § 26 der 3. SteuernotVO vom 14.2.24 (RGBl. I, S. 79 ) eingeführt worden. Die Mieten, die 1924 auf ein Fünftel der Mieten von 1914 abgesunken waren, sollten allmählich dem Vorkriegsstand wieder angeglichen werden. Die Länder und Gemeinden waren vom Reich ermächtigt worden, einen Teil der Mieterhöhungen durch die Hauszinssteuer abzuschöpfen; 10% der Steuer mußten zur Förderung der Neubautätigkeit verwendet werden. Dieser Anteil war durch das Finanzausgleichsgesetz vom 10.8.25 auf 15–20% erhöht worden (RGBl. I, S. 257 ).

In der Aussprache widersprach der Reichsarbeitsminister den Plänen des Reichsministers der Finanzen, die er für zu weitgehend hielt. Insbesondere glaubte er die Bedürfnisse der öffentlichen Bauwirtschaft in Zukunft mit 400 Millionen unmöglich befriedigen zu können. Seinen Ausführungen lagen die in Anlage 2 und 3 beigefügten Berechnungsgrundlagen für das künftige Wohnungsbauprogramm zugrunde4.

4

Die Anlagen enthalten eine Aufstellung über die künftige Finanzierung des Wohnungsbaus (auch in R 43 I /2349 , Bl. 94–98) und Berechnungsgrundlagen für 165 000 Zwei- und Dreiraumwohnungen (R 43 I /1446 , Bl. 277–283).

[451] Eine Einigung wurde nicht erzielt. Der Reichsarbeitsminister und der Reichsminister der Finanzen wurden gebeten, zu versuchen, auf Grund der Aussprache bis zur nächsten Sitzung neue Vorschläge auf der Basis vorzubereiten, daß im kommenden Jahr 165 000 Wohnungen mit öffentlichen Mitteln und 50 000 Wohnungen auf andere Weise, d. h. durch Heranziehung von Privatbaukapital, dessen Beschaffung durch das Reich sichergestellt werden müssen, gebaut werden sollen.

Finanzausgleich.

Auf Vortrag des Reichsministers der Finanzen erklärte das Kabinett sich mit der Weiterverfolgung des bereits vom aufgelösten Reichstag behandelten Entwurfs eines zweiten Gesetzes zur Übergangsregelung des Finanzausgleichs zwischen Reich, Ländern und Gemeinden, insbesondere mit der darin enthaltenen Novelle zu § 35 in der vom Reichsrat beschlossenen Fassung einverstanden5.

5

Der RT hatte am 12.4.30 die Erledigung des GesEntw. vertagt (RT-Bd. 427, S. 4947 ). Zur Novellierung des § 35 des Finanzausgleichs s. Dok. Nr. 9, P. 1, Anm. 2.

Für die Ausgestaltung des endgültigen Finanzausgleichs entwickelte er die in der Anlage 4 zusammengestellten Grundsätze6.

6

Der Text der Grundsätze zum Finanzausgleich (Anlage 4, R 43 I /1446 , Bl. 284) ist auch im Kabinettsprotokoll vom 26. 9. (Dok. Nr. 121) abgedruckt.

Beschlüsse wurden nicht gefaßt.

Die Weiterberatung wurde auf Freitag, den 26. September, vertagt7.

7

S. Dok. Nr. 120, P. 2.

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