2.14.2 (bru1p): 2. Deckungsvorlagen.

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2. Deckungsvorlagen.

Der Reichsminister der Finanzen berichtete über das Ergebnis der Beratungen des Steuerausschusses über die Deckungsvorlagen zum Reichshaushaltsplan 1930 und teilte mit, daß diese Vorlage durchweg abgelehnt worden seien. Annahme habe lediglich der Entwurf eines Gesetzes über die Erhebung der Aufbringungsumlage für das Rechnungsjahr 1930 gefunden. Im Entwurf eines Gesetzes über Zolländerungen seien Zollerhöhungen für Petroleum abgelehnt worden. Die Ablehnung der Gesetze sei auf die negative Haltung der Flügelparteien zurückzuführen. Die Abstimmung der in der Regierung vertretenen Parteien sei durchweg positiv gewesen1.

1

Zu den Anträgen des Steuerausschusses in den Sitzungen vom 8. und 9.4.30 s. RTBd. 441 , Drucks. Nr. 1919 –1921, sowie Nr. 1923–1926.

Der Reichskanzler empfahl, trotz dieses Ergebnisses der Beratungen im Steuerausschuß an den Regierungsvorlagen festzuhalten.

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft teilte mit, daß nach seinen Informationen die Haltung der Leitung der deutschnationalen Fraktion zur Zeit noch ablehnend sei. Er glaube aber, daß mit einem Einlenken der[41] Mehrheit in dieser Fraktion zu rechnen sei, insbesondere dann, wenn die Bayerische Volkspartei sich nicht allzu stark gegen die Biersteuer wenden werde.

Der Reichspostminister bemerkte, daß die Bayerische Volkspartei noch nicht endgültig Stellung genommen habe. In seiner Fraktion gehe der allgemeine Wunsch dahin, die Erhöhung der Biersteuer auf 25 v.H. zu beschränken und den alsdann noch fehlenden Finanzbedarf durch eine Erhöhung der Umsatzsteuer zu decken. Er regte an, der Bayerischen Volkspartei eine Biersteuer auf 50 v.H. anzubieten und bei diesem Angebot festzubleiben.

Der Reichsminister der Finanzen erwiderte, daß dieses Angebot zur Deckung des Finanzbedarfs nicht ausreiche. Ferner sei das Defizit des Jahres 1929, das er bisher auf 315 Millionen RM veranschlagt habe, inzwischen nicht unbeträchtlich gewachsen. Wenn daher neue Kompromißvorschläge gemacht werden sollten, so könne er nur dann zustimmen, wenn der finanzielle Ertrag der Vorschläge zur Deckung des Bedarfs voll ausreiche2. Vorbedingung jedes Kompromisses sei aber, daß die Regierungsparteien einig seien. Denn an eine Unterstützung der Deutschnationalen könne nur bei völliger Einigung aller in der Regierung vertretenen Parteien gedacht werden.

2

Nach einem Schreiben des RFM vom 16.4.30 war das Defizit von 1929 auf 364 Mio RM angewachsen (R 43 I /881 , Bl. 9).

Staatssekretär Dr. Meissner berichtete über den Verlauf einer Unterhaltung, die der Vorsitzende der Bayerischen Volkspartei Oberregierungsrat Schäffer am Vormittage mit dem Herrn Reichspräsidenten hatte. Die Unterredung sei auf Wunsch Schäffers zustande gekommen. Der Herr Reichspräsident habe einen dringenden Appell an Schäffer gerichtet, das Agrarprogramm nicht durch die starre Haltung gegenüber den Steuervorschlägen der Regierung zu gefährden. Schäffer habe demgegenüber daran festgehalten, daß die Bayerische Volkspartei einer über 30 v.H. hinausgehenden Erhöhung der Biersteuer unter keinen Umständen zustimmen könne. Aus der Unterhaltung habe er, Staatssekretär Meissner, jedoch den Eindruck gewonnen, daß die Bayerische Volkspartei sich schließlich auch mit einer Erhöhung der Biersteuer um 50 v.H., wenn auch unter größten Schwierigkeiten, abfinden werde.

Der Reichspostminister bat nochmals, nach neuen Kompromißmöglichkeiten zu suchen.

Staatssekretär Dr. Pünder berichtete, daß die Führer von vier der in der Regierung vertretenen Parteien sich bereits über ein neues Kompromiß unterhalten und im wesentlichen einig geworden seien. An diesen neuen Besprechungen sei nur das Zentrum und die Bayerische Volkspartei noch nicht beteiligt worden. Die Nichtbeteiligung beruhe jedoch nicht auf sachlichen Gründen, erkläre sich vielmehr lediglich daraus, daß die maßgebenden Persönlichkeiten nicht erreichbar gewesen seien3.

3

Diese Besprechungen sind in den Akten der Rkei nicht zu ermitteln. Vgl. aber Pünder, Politik in der Reichskanzlei, S. 48.

Der Reichsminister der Finanzen erwiderte, daß ihm diese Verhandlungen bekannt seien. Er habe auch schon berechnen lassen, welcher finanzielle Ertrag aus dem Kompromiß zu erwarten sei. Er könne erklären, daß das finanzielle Erträgnis ausreiche. Das Kompromiß habe folgenden Inhalt:

a)

Erhöhung der Biersteuer um 50 v.H. unter Freilassung der kleinen Brauereien, die bis zu 10 000 hl Bier erzeugen,

b)

Erhöhung der Umsatzsteuer von 0,75 v.H. auf 0,85 v.H.,

c)

Erhebung einer Sondersteuer auf die großen Umsätze der letzten Hand, die bei Umsätzen von 1 Million beginnen soll, und zwar in einer Höhe von 0,5 v.H.

d)

Außerdem soll die im Steuerausschuß abgelehnte Tabaksteuer-Novelle in ihrer ursprünglichen Fassung sowie die ebenfalls abgelehnte Mineralwassersteuer wiederhergestellt werden. Ferner müsse auch die Erhöhung des Benzol-Zolles unter Einbeziehung des Petroleums angenommen werden. In Zahlen ausgedrückt ergebe sich bei diesem Steuerkompromiß folgendes Bild:

Steuer

Ertrag f. 1930

Davon entfallen auf

Reich

Länder

Reichsanteil

Länderanteil

Biersteuer

170

115

55

Umsatzsteuer

110

77

33

Sondersteuer auf große Umsätze

27

18

9

Tabak- und Zuckersteuer

30

30

Mineralwassersteuer

40

40

Benzol

65

25

40

Industriebelastung

50

50

Kaffee und Tee

50

50

insgesamt

542

365

177

Von dieser Summe sei noch ein Betrag von 22 Millionen abzuziehen, der bei der Biersteuer wegen Freilassung der kleinen Brauereien mit einem Jahresausstoß bis zu 10 000 hl ausfalle.

In der nachfolgenden Aussprache wurden gegen diesen Kompromiß von verschiedenen Seiten Bedenken geäußert. Es überwog jedoch die Auffassung, daß es besser sei, einen derartigen Kompromiß zu dulden, wenn sich durch dessen Annahme die Anwendung des Artikels 48 der Reichsverfassung vermeiden lasse.

Auf Anregung des Reichskanzlers beschloß das Kabinett, in der anschließenden Parteiführerbesprechung in erster Linie die unveränderte Annahme der Regierungsvorlage zu fordern, und den vorerörterten Kompromißvorschlag jedoch hinzunehmen, sofern alle in der Regierung vertretenen Parteien sich zur vorbehaltslosen Annahme des Kompromisses bereit finden sollten4.

4

S. die folgende Parteiführerbesprechung Dok. Nr. 15.

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