1.125.1 (bru2p): Reparationsfragen und Finanzlage.

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Reparationsfragen und Finanzlage.

Zunächst berichtete Staatssekretär Dr. von BülowBülow über die letzten Nachrichten aus Washington. Man sei dort der Meinung, Deutschland müsse sich selbst helfen, und zwar durch Kreditrestriktionen und einen Aufruf der Reichsbank auf Einlieferung von Devisen. Man fordere in Amerika energische Maßnahmen der Reichsregierung1.

1

Der amerik. Botschafter Sackett hatte StS v. Bülow am Sonntagmorgen des 12. 7. um 7 Uhr aufgesucht; Sackett hatte ihm mitgeteilt, daß er die ganze Nacht wachgeblieben sei, um auf eine Botschaft des US-Präs. Hoover zu warten. Früh um 5 Uhr sei der Anruf Hoovers gekommen. Hoover habe keine positiven Zusicherungen gemacht, sondern einen Aufruf der Rbk zur Devisenablieferung und die sofortige Einführung einer Kapitalfluchtgesetzgebung angeregt (Vermerk Bülows über diese Unterredung vom 12.7.31 im Nachl. Pünder, Nr. 88, Bl. 292–293; vgl. auch Schäffers Tagebuchaufzeichnung vom 12. 7., IfZ ED 93, Bd. 11, Bl. 353).

Der Reichsbankpräsident erklärte, daß er sich von einem Devisenaufruf gar nichts verspreche, weil die deutschen Devisenabzüge gar keine Rolle spielten. Kreditrestriktionen würden heute in schärfster Weise erfolgen. Der Reichsbankpräsident begründete, warum dies nicht schon eher geschehen sei.

Staatssekretär Dr. TrendelenburgTrendelenburg wies darauf hin, daß die Kreditrestriktion nur als ein Selbstmoratorium der Reichsbank angesehen werde. Die Banken würden dann teilweise ihre Zahlungen einstellen und damit die Schwierigkeiten auf die Wirtschaft verschoben werden. Man müsse doch überlegen, ob nicht ein Ersatzzahlungsmittel zur Mithilfe notwendig sei. Das wichtigste sei, den Wirtschaftsapparat laufend zu erhalten. Ein Devisenaufruf würde von der Bevölkerung nur als Hohn angesehen werden. Man könne mehr an eine Devisenverordnung[1335] für die Banken denken, daß sie nur Devisen an Kunden abgeben sollten, die ihren Anspruch begründen können.

Dem Sturm auf die Danatbank zu begegnen, würden die Reserven aller Banken nicht ausreichen. Man müsse das noch einmal einwandfrei bei den Banken feststellen und in diesem Falle die Schalter der Danat schließen, um wenigstens die der anderen offen zu halten. Für die Kreditoren der Danat müsse man eine Reichsgarantie mit zeitlichem Moratorium einführen. Die Börse müsse am nächsten Tage geschlossen bleiben.

Der Reichskanzler sprach sich gegen ein Gesamtmoratorium aus. Um die Wirtschaft im Gange zu halten, werde man vielleicht wirklich an ein Ersatzzahlungsmittel denken müssen. Psychologisch sei es wichtig, die öffentliche Meinung auf den Einzelfall der Danat zu lenken.

Der Reichsbankpräsident berichtete, daß er Geheimrat Vocke nach Basel entsandt habe, um der BIZ den Vorschlag zu machen, ihre Sitzung wegen des Ernstes der Lage nach Berlin zu verlegen2.

2

Vgl. dazu Dok. Nr. 376. Die Sitzung des BIZ-Verwaltungsrats fand am 13. 7. in Basel statt (Schultheß 1931, S. 500).

Zur Frage der Devisenabzüge erklärte er, es sei festgestellt, daß die deutschen Abzüge nur etwa ein Achtel der Gesamtabzüge betrügen. Man müsse dies den Amerikanern mitteilen.

Der Vizekanzler stellte fest, man sei sich also einig, daß man kein Moratorium machen wolle und daß die Börse geschlossen werden solle, ferner müsse man heute an die Ausarbeitung einer Devisenverordnung gehen. Wegen der Danat stelle er nochmals die Frage, ob es denn nicht möglich sei, sie für kurze Zeit unter Reichsgarantie weiterzubetreiben. Er sehe die Konsequenzen ihres Zusammenbruchs für ganz unabsehbar.

Ministerialdirektor ErnstErnst sprach sich rein wirtschaftlich gegen eine Devisenverordnung aus. Man könne sie nur politisch begründen. Das Devisengeschäft müsse bei der Reichsbank konzentriert werden.

Gebe man der Danat die Reichsgarantie, so werde ein Run auf die anderen Banken einsetzen. Man müsse also weitere Hilfe mindestens andeuten. Die Liquidation der Danatbank halte er für unvermeidlich. Versuche man ihre Schalter offenzuhalten, so werde man die anderen Banken mitreißen. Bestenfalls könne man sie mit einem anderen Unternehmen fusionieren. Die Schließung der Börse und die Abschaffung des Terminverkehrs sei zweckmäßig.

Bei der BIZ solle man einen Kredit von 1½ bis 2 Milliarden anstreben und vorläufig einen neuen Rediskontkredit von 500 Millionen.

Der Reichsminister des Auswärtigen warnte vor einem Auslandsmoratorium und sprach sich für die Devisenverordnung aus. Er unterstützte dringend den Wunsch des Vizekanzlers, den Betrieb der Danatbank aufrechtzuerhalten.

Der Reichskanzler bezeichnete die Devisenverordnung als außenpolitische Geste für unbedingt notwendig.

Staatssekretär Dr. SchäfferSchäffer erklärte sich hinsichtlich der Danatbank für Reichsgarantie und Moratorium. Mittel für ihre Weiterführung seien nicht vorhanden. Die Auslandsgläubiger müßten, um das Ausland zu beruhigen, ein[1336] besseres Angebot erhalten als die Inlandsgläubiger. Man könne sie vielleicht durch irgendein 5%iges Reichspapier zunächst bezahlen. Die Verpflichtungen würden etwa 300–400 Millionen RM betragen.

Hinsichtlich der Inlandsgläubiger solle man etwa 80% der Konten auszahlen und Beruhigung für die anderen Banken zu schaffen versuchen.

Staatssekretär Dr. TrendelenburgTrendelenburg sprach sich für eine allgemeine Ermächtigungsverordnung aus, die auch den Eingriff bei anderen Banken ermögliche.

Der Reichskanzler berichtete, daß er soeben von Direktor Wassermann die Mitteilung erhalten habe, auch die Dresdner Bank sei am Zusammenbrechen3. Die übrigen drei Großbanken schlügen vor, sie mit der Danat zusammenzuwerfen. Das Reich käme dann mit einer Garantie von 300 Millionen RM aus, dann würden die übrig gebliebenen drei Großbanken gesund sein.

3

Vgl. Brüning, Memoiren, S. 317.

Direktor RitscherRitscher bezweifelte, daß 300 Millionen RM ausreichen würden.

Staatssekretär Dr. SchäfferSchäffer erklärte, man müsse dann auch für die Dresdner Bank die soeben von ihm für die Danatbank gemachten Vorschläge anwenden.

Vizepräsident DreyseDreyse sprach sich für die Vorschläge des Staatssekretärs Schäffer aus. Die großen Banken müßten einen Garantieverband schaffen, der die kleinen Konten etwa bis zu 5–10 000 RM voll decken müsse. Wöchentlich müsse man etwa 40–50 Millionen für beide Banken zur Auszahlung flüssig machen. Für die Auszahlungen an das Ausland könne man an eine Devisenabwicklungsstelle denken, hinter der später die Golddiskontbank stehen würde.

Der Reichskanzler bezweifelte, ob das Reich in der Lage sein würde, für beide Banken gutzustehen.

Direktor RitscherRitscher befürwortete, dann alle anderen Banken zu veranlassen, auch ihrerseits voll zu garantieren.

Ministerialdirektor ErnstErnst skizzierte die erforderlichen Maßnahmen, wobei er

1. eine Garantieermächtigung für das Reich,

2. die Übernahme der Verwaltungsaufsicht,

3. die Sistierungen der Zahlungen als notwendig bezeichnete.

Die Schalter würden zunächst 2–3 Tage zu schließen sein. Einer Panik werde man durch die Garantie in voller Höhe begegnen.

Es wurde sodann die Frage besprochen, in welcher Weise der deutschen Finanzlage noch zu helfen sei.

Der Reichsbankpräsident führte aus, man müsse weitere Kredite für die Golddiskontbank anfordern und neue Mittel, um die Reichsbank wieder aktionsfähig zu machen. Schuldträger für ersteres würde das Reich, für letzteres die Reichsbank sein. Mit einem neuen Rediskontkredit von 500 Millionen RM sei nicht mehr geholfen. Vielleicht könne man eine Schatzanweisungsanleihe bekommen. Eine Reichsanleihe mit langer Frist, gewissermaßen eine zweite Dawes-Anleihe, werde schwer zu erhalten sein. Der Rediskontkredit müsse jedenfalls aus psychologischen Gründen sehr hoch sein, am liebsten unbegrenzt. Das werde aber nicht zu erreichen sein.

[1337] Der Reichskanzler wies darauf hin, daß für eine Reichsanleihe wahrscheinlich die politische Bedingung der Finanzkontrolle gestellt werden würde.

Staatssekretär Dr. SchäfferSchäffer meinte, daß man nur Brücken für kurze Zeit brauche, also möglichst einen Rediskontkredit. Die politischen Bedingungen der Regierungen würden ohnehin eine Reichsanleihe vor der Hand verhindern. Dieser Meinung schlossen sich der Vizekanzler und der Reichsminister des Auswärtigen an.

Der Reichsbankpräsident und Vizepräsident DreyseDreyse machten darauf aufmerksam, daß man natürlich nicht an ein Auslandsmoratorium denken dürfe, wenn man einen Rediskontkredit haben wolle.

Der Reichskanzler stellte fest, daß sich hierdurch eben ein Auslandsmoratorium zunächst verbiete. Er bat den Reichsbankpräsidenten, weiterhin nur einen Rediskontkredit und nicht eine Reichsanleihe anzustreben.

Die Sitzung wurde hierauf geschlossen.

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