1.233.1 (bru3p): Fortsetzung der Aussprache über finanz-, wirtschafts- und sozialpolitische Maßnahmen.

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Fortsetzung der Aussprache über finanz-, wirtschafts- und sozialpolitische Maßnahmen.

Es fand zunächst eine allgemeine Aussprache über die Gestaltung des Arbeitslosen-Etats statt.

Der Reichsminister der Finanzen berechnete den zu deckenden Gesamtbedarf auf 3033 Millionen RM und erörterte die nach seiner Meinung in Frage kommenden Deckungsmöglichkeiten1.

1

Vgl. zu dem Bedarf Dok. Nr. 644, zu den Deckungsvorschlägen des RFM siehe Dok. Nr. 735, Anm. 1.

Der Reichsarbeitsminister wies darauf hin, daß über die Finanzierung der Arbeitslosenhilfe hinaus ein Defizit der Invaliden- und der Knappschaftsversicherung aus Reichsmitteln zu decken sei2, daß ferner noch ein Betrag von 50 Millionen RM[2517] zur Fortsetzung der angefangenen Siedlung fehle3 und schließlich, daß er es für unmöglich halte, die Beitragsbefreiung der Untertagearbeiter im Bergbau von der Arbeitslosenversicherung einzustellen4, so daß auch aus diesem Anlaß mit weiteren Reichszuschüssen in Höhe von 30 Millionen RM gerechnet werden müsse. Beschlüsse zur Sache wurden nicht gefaßt.

2

Vgl. Anm. 8.

3

Vgl. Dok. Nr. 733, P. 3.

4

Vgl. Dok. Nr. 733, P. 3 und Dok. Nr. 760, P. 3 und P. 4.

Auf Veranlassung des Reichskanzlers äußerte sich der Reichskankpräsident zur Frage der Prämienanleihe5 und deren Erfolgsaussicht. Reichsbankpräsident Dr. Luther erklärte, daß in der Reichsbank über die Ausgestaltung der Prämienanleihe weitgehende Vorbesprechungen stattgefunden hätten. Über ihre Erfolgsaussichten lasse sich schwerlich etwas sagen. Man werde eben den Versuch machen müssen, sie baldigst aufzulegen. Wenn die Lausanner Verhandlungen günstig enden sollten, glaube er auch für die Prämienanleihe mit einem Erfolge rechnen zu können. Allgemeine Zusagen über die Zwischenfinanzierung der Anleihe könne er nicht machen. Die Reichsbank werde aber bereit sein, zu helfen, sobald ein Vorgang da sei, der geschäftsmäßig behandelt werden könne. Das gleiche Entgegenkommen werde die Reichsbank zeigen, wenn es sich darum handele, Arbeitsbeschaffungspläne der Reichsregierung zu fördern6.

5

Vgl. Dok. Nr. 733, P. 2 und Dok. Nr. 736, Anm. 5.

6

Vgl. den Auszug aus Luthers Tagesbericht vom 13.5.32 in Schulz, Politik und Wirtschaft in der Krise, Dok. Nr. 500.

Der Reichsarbeitsminister brachte sodann noch die äußerst schwierige finanzielle Lage der Invalidenversicherung zur Sprache7. Er rechnete aus, daß die Invalidenversicherung bei Fortbestand des gegenwärtigen Rechtszustandes im laufenden Rechnungsjahr ein Defizit von 300 Millionen RM erleiden werde. Daher sei es unerläßlich, durch alsbaldige Senkung der Renten den Ausgleich zwischen Einnahmen und Ausgaben herbeizuführen. Geschehe dies nicht schon vor dem 1. Juni, so stehe die Invalidenversicherung schon am 1. Juni vor fast unüberwindlichen Kassenschwierigkeiten8.

7

Vgl. hierzu Dok. Nr. 594, P. 14.

8

Mit Schreiben vom 12.5.32 hatte der Reichsverband Dt. Landesversicherungsanstalten den RK nachdrücklich zur Sanierung der Invalidenversicherung aufgefordert, weil die Lebensnotwendigkeiten von über 3 Mio. Rentenempfängern und von 18 Mio. Versicherten auf dem Spiel stünden (R 43 I /2097 , Bl. 33). Gegen Überlegungen des RArbMin., die Landesversicherungsanstalten einem gemeinsamen Treuhänder zu unterstellen zur Verwertung der bei den einzelnen Anstalten noch vorhandenen liquiden Mittel protestierten die Länder Württemberg, Bayern und Baden (Schreiben des Württ. StPräs. Bolz vom 21. 5.32, R 43 I /2097 , Bl. 35–37, Schreiben des Bayer. Gesandten v. Preger vom 25.5.32, a. a. O., Bl. 39, Schreiben des Badischen StPräs. Schmitt vom 13.6.32, a. a. O., S. 61). Der Dt. Landkreistag und der Dt. Städtetag protestierten mit ihren Schreiben vom 26.5.32 gegen eine schematische Rentensenkung um 20%, weil eine derartige Maßnahme die öffentliche Fürsorge der Städte und Gemeinden belasten würde (R 43 I /2097 , Bl. 43–44). Gegen die beabsichtigte Kürzung der Invalidenversicherung protestierte auch der AfA in seiner Eingabe an den RK vom 26.5.32 (Schreiben des Vorsitzenden Aufhäuser in R 43 I /2097 , Bl. 46–48).

Der Reichskanzler erkannte die Notwendigkeit zur Rentensenkung grundsätzlich an. Er erklärte aber, daß die Sanierung der Invalidenversicherung nur im Gesamtrahmen des zur Erörterung stehenden großen Programms der Reichsregierung erfolgen könne. Daher werde sich die Invalidenversicherung für die Überwindung[2518] des Juni wohl noch einmal durch Heranziehung ihrer Vermögensreserven finanzieren müssen9.

9

Zur Fortsetzung der Beratung siehe Dok. Nr. 761, P. 1.

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