2.49 (mu11p): Nr. 49 Bericht der in das südliche rheinisch-westfälische Industriegebiet entsandten Kommission von Parlamentariern der Mehrheitsparteien. Hagen/Westfalen, 17. April 1920

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[120] Nr. 49
Bericht der in das südliche rheinisch-westfälische Industriegebiet entsandten Kommission von Parlamentariern der Mehrheitsparteien. Hagen/Westfalen, 17. April 19201

1

Nach Verfügung Brechts vom 19. 4. war der Bericht zu verteilen an die Kabinettsmitglieder, den PrMinPräs. und den PrIM. Der Bericht sollte außerdem auf eine Tagesordnung gesetzt werden. Vorgesehen dafür war wohl eine der Chefbesprechungen am 26. 4. (s. Notiz von anderer Hand unter Brechts Verfügung). Da nach einer Bleistiftnotiz die Chefbesprechung vom 26. 4., 11 h nur in einem Punkt protokolliert worden ist, dagegen zwei weitere nicht aufgezeichnet wurden, ist denkbar, daß der Bericht dort zur Sprache gekommen ist. Vgl. zu diesem Bericht auch Dok. Nr. 43.

R 43 I /2716 , Bl. 219-227

Wir haben vom 13. bis 17. April 1920 eingehende Besprechungen über die Lage angestellt in Düsseldorf, Elberfeld, Barmen, Remscheid und Hagen. Dabei wurden gehört:

a)

die Regierung in Düsseldorf,

b)

die Oberbürgermeister der genannten Städte,

c)

die Führer der Mehrheitsparteien,

d)

die Gewerkschaften aller Richtungen und Berufe,

e)

die Ordnungsausschüsse gemäß des Bielefelder Abkommens2.

2

Im Bielefelder Abkommen lautete P. 9: „Die verfassungsmäßigen Behörden walten ihres Amtes nach den gesetzlichen Vorschriften. Die jetzt bestehenden Vollzugs- oder Aktionsausschüsse haben in Gemeinschaft mit der Gemeindebehörde die Ortswehr aufzustellen und die Waffenabgabe zu regeln. Dies muß spätestens innerhalb 10 Tagen geschehen. Danach tritt an die Stelle jener Ausschüsse ein aus der organisierten Arbeiter-, Angestellten- und Beamtenschaft und den Mehrheitsparteien gebildeter Ordnungsausschuß, der im Einvernehmen mit den zuständigen Gemeindeorganen bei der Durchführung des Sicherheitsdienstes mitwirkt.“

Bei den Gruppen unter e) befanden sich stets die Führer der USP und KPD.

Daneben liefen zahlreiche private Besprechungen.

I. Die politischen Behörden arbeiten formell unbehelligt und frei. Ein gewisser Druck auf sie ergibt sich natürlich aus der gesamten Lage. Er ist am stärksten in Remscheid3. Dort haben Unabhängige und Kommunisten eine starke Minderheit in der Stadtverordnetenversammlung. Die willenskräftigsten und kampflustigsten Elemente unter der Arbeiterschaft stehen auf ihrer Seite, wodurch der Anschein erweckt wird, daß die beiden Linksparteien die Mehrheit der Bevölkerung auf ihrer Seite hätten. Die mehrheitssozialistische Fraktion der Stadtverordnetenversammlung, die das Zünglein an der Waage bildet, ist durch die Ereignisse etwas unsicher geworden. Es ist kaum anzunehmen, daß der jetzige Oberbürgermeister sich auf die Dauer halten kann. Ein zum Ordnungsausschuß gehöriger Kommunist hatte bis in die letzten Tage hinein Schriftleiter von Zeitungen durch Bewaffnete zum Verhör holen lassen,[121] ebenso Krankenschwestern und Leute, die der Sympathie mit den Kappisten verdächtigt waren. Jedenfalls ist Remscheid z. Zt. noch der schwierigste Platz. Die Arbeiter in den Betrieben werden gezwungen, einen vollen Tagesverdienst zum „Roten Kampffonds“ zu zahlen. Christliche und demokratische [!] Arbeiter, die sich dessen weigern, wird Entlassung aus den Betrieben angedroht. In dem Ordnungsausschuß wird den christlichen und den gewerkvereinlich organisierten Arbeitern je ein Sitz verweigert mit der Begründung, daß sie nicht je ein Zehntel der Arbeiterschaft hinter sich hätten4.

3

Remscheid lag in dem von der Reichswehr unbesetzten südlichen Teil des Industriegebiets, über das im militärischen Lagebericht Hauptmann von Fumettis am 17. 4. ausgeführt wurde: „Hilferufe aus dem Gebiet südlich der Ruhr mehren sich“ (R 43 I /2728 , Bl. 228).

4

Die Situation in Remscheid wird durch einen Bericht des StKom. Weismann vom 24.4.20 deutlich. Weismann berichtete auf Grund von Mitteilungen aus Düsseldorf, daß die Ausrufung der Räterepublik befürchtet werde: „Bewaffnete in großer Anzahl treiben sich herum und beunruhigen die Bevölkerung. Der ganzen Sachlage nach wäre eine militärische Expedition in das Remscheider Gebiet dringend erforderlich. – Aus Remscheid selbst, wo dreiviertel der Bevölkerung es mit den Kommunisten hält, wird noch mitgeteilt: Der Sicherheitsdienst wird von einer spartakistischen Einwohnerwehr ausgeübt. Auf dem Rathause weht die Rote Fahne. Alle öffentlichen Gebäude sind von Spartakisten besetzt. Truppen der ‚Roten Armee‘ liegen sowohl in der Stadt wie in der Umgegend. Im ‚Europäischen Hof‘ befinden sich der Aktionsausschuß sowie ein revolutionäres Standgericht. In den Betrieben wird nur teilweise gearbeitet. Der Güterverkehr ist fast lahmgelegt“ (R 43 I /2711 , Bl. 265 f.).

II. Wir haben von keiner Seite den Wunsch gehört, daß General von Watter an seiner Stelle verbleiben möge. Einmütig würde der Weggang Watters als eine Erleichterung gewünscht5.

5

Watter stand im Ruf, mit dem Kapp-Putsch sympathisiert zu haben. Dokumente, die diesen Vorwurf beweisen sollten, hatte der USPD-Abg. der NatVers. Braß angeblich der Hohen Interalliierten Kommission übergeben (NatVers. Bd. 333, S. 5109  ff., 5132). Zu der verschiedenartigen Beurteilung der Person Watters s. die Arbeiten von Severing und Spethmann.

III. Die Preßnachrichten über die erneute Bildung einer roten Armee, über plündernde, bewaffnete Banden usw. sind falsch. Die Linksparteien behaupten, dies sei eine Mache des Militärs, die die Besetzung des südlichen Industriegebiets durch Reichswehr durchsetzen wollten. Eine Warnung an die gesamte Presse gegen die Weitergabe unverbürgter Alarmnachrichten ist angebracht.

IV. Die Waffenabgabe erscheint durchweg ungenügend. Zwar fehlen zuverlässige Anhaltspunkte darüber, wieviele und welche Waffen wohl noch in Händen Unberufener sein könnten. Es besteht auch keine zuverlässige Übersicht, wieviel Waffen offiziell vor dem 13. März vorhanden waren. Wir haben die Regierung in Düsseldorf gebeten, darüber schleunig eine Feststellung zu machen. Es waren abgegeben: Bis 14. April in Düsseldorf: etwa 1000 Gewehre, 8 MG, 6–700 Karabiner, 100 000 Schuß MS Munition.

Es wurde mitgeteilt, daß der namhafteste unabhängige Führer in Düsseldorf die Zahl der in den Kampftagen in Händen der Arbeiter befindlichen Gewehre auf 3–4000 schätze.

Elberfeld am 15. April 1920:

Nach Angaben des Oberbürgermeisters waren vor dem Putsch offiziell etwa 2700–3000 Gewehre in Elberfeld. Abgegeben waren 1600 Gewehre, 7 MG, 1800 Handgranaten.

Bei der probeweisen Durchsuchung einer Anzahl Häuser waren am 14. April 1920 dreißig Gewehre gefunden worden.

[122] Barmen am 15. April 1920:

Abgegeben waren 1200 Gewehre, 34 MG, 70 000 Schuß MS Munition, 135 Schuß leichte Artilleriemunition, 1000 Handgranaten, 131 Kasten MG Munition.

Offiziell waren vor dem 13. März etwa 800 Gewehre vorhanden.

Remscheid am 16. April 1920:

Es waren abgegeben 475 Gewehre, 12 Pistolen, 4 MG, 1000 Schuß MS Munition, 120 Handgranaten.

Hagen, am 17. April 1920 waren abgegeben: 1295 Gewehre, 14 Maschinengewehre, 60 MG Läufe, 70 Kisten MG Munition, 47 000 MS Munition, 250 Handgranaten, 94 Schuß Art. Munition, 90 Schuß Minenwerfer-Mun.

Überall wurde angegeben, viele in den Kampftagen am Orte gewesenen Waffen seien mit den Flüchtlingen weitergewandert. Der Einwand, dann müßten doch irgendwo mehr Waffen abgegeben werden, als in den Kampftagen vorhanden gewesen sei, wurde nicht beantwortet. Von links wird auch behauptet, viele Waffen seien in die Hände der Engländer gekommen6.

6

Zur Absetzbewegung der Aufständischen in das englische Besatzungsgebiet s. Anm. 1 zu Dok. Nr. 75.

In Hagen werden 500 Gewehre als nach Remscheid abgegeben berechnet. Diese Angabe wird von der USP Hagen bestätigt, während umgekehrt in Remscheid die USP angibt, die dort vorhandenen Waffen seien zu erheblichem Teile nach Hagen gegangen.

Alles in allem haben wir keinen Zweifel, daß noch viele Waffen in Händen Unberufener sind. Mit Ausnahme von Remscheid äußerten auch die Linksparteien überall den festen Entschluß, diese Waffen schnellstens herauszuholen. In Remscheid war man darin zurückhaltender, äußerte aber auch, man glaube, in drei Wochen die wenigen noch vorhandenen Waffen herausholen zu können.

Bei der Frage, wie man die Waffen herausholen wolle, wurde einmütig die Meinung vertreten, der Einmarsch von Reichswehr sei dazu nicht nur nicht nützlich, sondern schädlich. In Düsseldorf, Elberfeld und Barmen will man durch die Ortswehren unter Hilfe von Zivilisten und den Ortsausschüssen die ganze Stadt nach Waffen durchsuchen lassen. Ein öffentlicher letzter Aufruf zur Waffenabgabe war in Düsseldorf und Elberfeld plakatiert. Die letzte Frist war bis Sonntag, den 18. April 1920 gesetzt. Danach soll sofort die Durchsuchung einsetzen. In Hagen hat man seit etwa einer Woche eine Haussuchung durch sechs Patrouillen der Ortswehr veranlaßt. Das ganze Ergebnis besteht aus fünf Gewehren.

Aus den Mehrheitsparteien heraus wurde oft gewünscht, daß der unberechtigte Besitz von Waffen schleunigst unter besonders schwere Strafe gestellt werde. Die einschlägige Verordnung des Reichspräsidenten vom 10. April war überall unbekannt7. Ihre amtliche Veröffentlichung durch Anschlag und in Zeitungen ist dringend erforderlich.

7

Diese VO wurde im RGBl. erst am 21.4.20 veröffentlicht (S. 558). In ihr wurde die sofortige Ablieferung der Schußwaffen und aller Munition nach Richtlinien, die von den Inhabern der vollziehenden Gewalt zu ergehen hatten, verlangt. Der weitere Besitz von Waffen wurde mit Zuchthaus- und Todesstrafe bedroht.

Von großer Bedeutung ist auch die Aufbewahrung der abgegebenen Waf[123]fen. Sie stehen vorerst meist noch unter dem Verwahr der in den Kampftagen zusammengelaufenen Ortswehren usw. In diesen befinden sich schwer vorbestrafte Personen. Da die Zuverlässigkeit dieser Sicherheitsorgane zum mindesten dann sehr zweifelhaft ist, wenn politische Streitfragen in den Vordergrund treten, wird die anderweitige Unterbringung oder Sicherung der abgegebenen Waffen schleunigst zu prüfen sein. Es gibt dazu folgende Möglichkeiten:

1.

Abholung der Waffen durch Organe der Reichsregierung und Verbringung in sichere Lage. Dagegen wurde eingewendet, das sei politisch zur Zeit nicht ungefährlich, da die Arbeiter glauben würden, die Waffen gerieten in die Hände der Reaktionäre.

2.

Zerstörung der Waffen.

3.

Herausnahme wichtiger Bestandteile aus den Waffen und ihre getrennte Aufbewahrung, z. B. Entfernung der Schlösser aus den Gewehren, der Zünder aus den Handgranaten usw.;

zum mindesten der zu 3. genannte Weg ist erwünscht.

In Düsseldorf, Elberfeld, Barmen erklärten auch die Vertreter der USP diesen Weg für gangbar. Man hatte mehrfach den Eindruck, daß selbst diesen Herren die in unberufenen Händen verbliebenen Waffen sehr unbequem sind. In Hagen sind die Waffen an die Reichswehr abgegeben.

V. Der Einmarsch von Reichswehr wird einhellig von Behörden, Mehrheitsparteien und Linksparteien abgelehnt. Für den Einmarsch ist uns keine Stimme zu Ohren gekommen. In Hagen äußerten sich die Mehrheitsparteien und auch der Oberbürgermeister nicht mehr so ablehnend wie früher. Die ablehnende Haltung gegenüber der Reichswehr würde schnell schwinden, wenn die Beseitigung der am Kapp-Putsch direkt oder indirekt beteiligten Offiziere schneller erfolgte als bisher. Die Entschlußlosigkeit auf diesem Gebiete verstärkte das Mißtrauen, besonders auch wegen der Waffenabgabe.

VI. Bei den Behörden und beiden Mehrheitsparteien ist die Auffassung einhellig, daß die heutigen Zustände unbefriedigend und gefährlich sind und bald eine Änderung Platz greifen muß. Die Lösung wird fast einmütig ausgedrückt in dem Wunsche nach schleunigster Bildung einer staatlichen Polizei (grüne Sicherheitswehr) für das ganze Industriegebiet. Unter den heutigen Parteiverhältnissen haben die Gemeindebehörden nicht immer und allewege die erforderliche Entschlußfreiheit und Unabhängigkeit von Tagesströmungen, als daß man die Wahrung der Staatsautorität am Orte in ihre Hände legen könnte.

Wir empfehlen:

1.

sofortige Einführung der grünen Sicherheitswehr in den größeren Städten,

2.

die Wehr muß stark genug sein. Die vor dem 13. März in Aussicht genommenen Ziffern sind heute meist nicht ausreichend. Hagen braucht z. B. statt 100 dreihundert Mann.

3.

Es muß eine klare und zweifelsfreie Abgrenzung der Rechte und Pflichten zwischen den Organen der Sicherheitswehr und den Gemeindebehörden geschaffen werden.

4.

[124]Die Leiter der Sicherheitswehr müssen aus den Kreisen republikanischer Führer ausgewählt werden. Der Übertritt von belasteten Offizieren aus der Reichswehr in die Sicherheitswehr ist zu vermeiden.

5.

Mit Ausnahme von Remscheid wurde gewünscht, daß in die Sicherheitswehren etwa ein Viertel bis ein Drittel jeweilig ortsansässige Leute (Arbeiter usw., Polizisten) Aufnahme finden, damit die Wehren leichter bodenständig werden.

6.

Die Wehren dürfen in den Großstädten nicht in kleine Trupps verzettelt, einquartiert werden. Man muß die Kräfte vielmehr zusammenhalten. Sicherheitswehren müssen nach ihrem Eintreffen erneut die Bevölkerung nach Waffen abkämmen.

7.

Die Wegschaffung der Flüchtlinge aus den von der Reichswehr besetzten Teilen des Industriegebiets macht noch große Schwierigkeiten. Eine Stadt schiebt die Leute zur andern, oft hin und her. Es ist erforderlich:

1.

endlich Sicherheit dafür zu schaffen, daß die Flüchtlinge nicht auf dem Heimweg durch Reichswehr verhaftet werden, wie es anscheinend immer noch geschieht,

2.

daß durch Regelung der Kostenfrage dafür gesorgt wird, daß die Flüchtlinge ohne Umwege in ihre Heimat abgeschoben werden.

Eine Begleitung solcher Transporte durch Polizeimannschaften wird kaum zu vermeiden sein. Eine entsprechende Anweisung müßte auch an den Polizeipräsidenten in Köln ergehen. Es besteht die Gefahr, daß ein Teil der Flüchtlinge durch Hunger zur Verzweiflung getrieben wird. Die Städte wünschen Ersatz der Kosten, die ihnen durch die Aufwendungen für die Flüchtlinge entstanden sind.

8.

Überall wurden wir dringend gebeten, eine schleunige Erklärung der Regierung dahingehend zu erwirken, daß die Kosten für die Wiederherstellung der bei den Unruhen beschädigten Häuser usw., für gestohlene Möbel und Gebrauchsgegenstände auf die Reichskasse übernommen werden. Die Gemeinden verweigern die Zahlung auch von Vorschüssen. Viele Geschädigte kommen damit dem Ruin nahe. Dasselbe gilt für die aus der Flüchtlingsfürsorge erwachsenden Unkosten, die für einzelne Städte sehr beträchtlich sind.

Die Ortswehren.

In Elberfeld und Hagen sind die Ortswehren paritätisch zusammengesetzt, indem alle Kreise der republikanischen Bevölkerung herangezogen wurden. In den übrigen Städten, vor allem in Düsseldorf und Remscheid besteht die Ortswehr nur aus sozialistischen Arbeitern und zwar fast ausschließlich aus USP und KPD. In diesen Orten befinden sich die Ortswehren zum größten Teile unter dem Einfluß der Unabhängigen und Kommunisten, wodurch die Befehlsgewalt der Oberbürgermeister wesentlich eingeschränkt ist. Die Stärke der Ortswehr beträgt in Düsseldorf 1200 Mann, Elberfeld 130, Hagen 120, Remscheid 225, Barmen nicht bekannt.

Es haben sich in Düsseldorf Schwierigkeiten ergeben bei dem Versuch, die[125] Zahl der Mannschaften von 1200 auf 600 herabzusetzen. Die Truppe weigert sich, in diese Herabsetzung einzuwilligen, obwohl die Stadt nicht in der Lage ist, die Mittel aufzubringen.

Zusammenfassung.

1. Die politischen Behörden arbeiten, den Umständen nach, frei und unbehindert. Gewisse Unklarheiten bestehen noch in Remscheid.

2. Die Entfernung des Generals von Watter würde in weiten Kreisen der von uns besuchten Orte eine wesentliche Beruhigung herbeiführen.

3. Die Pressenachrichten über Neubildung einer roten Armee sind falsch.

4. Die Waffenabgabe ist ungenügend. Neue Bemühungen, die Waffenabgabe zu erreichen, sind im Gange. Ihr Erfolg erscheint zweifelhaft.

Die amtliche Verbreitung der Bekanntmachung des Reichspräsidenten vom 10. April ist erwünscht.

Die schleunige Einrichtung einer staatlichen Sicherheitswehr im Industriegebiet ist allein imstande, die Waffenabgabe zu ordnen.

Die Aufbewahrung der abgegebenen Waffen ist oft unzureichend. Auf einem der unter IV. genannten Wege muß für eine bessere Sicherung der Waffen gesorgt werden.

5. Ein Einmarsch der Reichswehr wird nicht gewünscht8.

8

Im militärischen Lagebericht Hauptmann v. Fumettis heißt es am 19.4.20 über die Lage im Ruhrgebiet: „Ein weiterer Vormarsch findet nicht statt. Das Gebiet zwischen Bochum und der Ruhr wird durch kleinere Streifen kontrolliert. Bis 18. abends sind aus der neutralen Zone herausgezogen: 7 Batle., 5½ Esk., 10 Battrn.“ (R 43 I /2728 , Bl. 218).

6. Die derzeitigen Zustände sind unhaltbar und gefährlich. Eine Sicherung kann nur durch schleunige Einrichtung einer starken staatlichen Sicherheitspolizei gewährleistet werden. Mit Ausnahme von Remscheid ist die Durchsetzung der Sicherheitswehr mit ortsansässigen Leuten erwünscht. Die Führer der Sicherheitswehr müssen zuverlässige Republikaner sein.

7. Die Regelung der Flüchtlingsfrage ist dringend9.

9

S. hierzu Dok. Nr. 75, P. 1.

8. Es wird dringend gewünscht, daß das Reich die Schäden ersetzt, die durch die Unruhen entstanden sind.

H. Jäker [SPD]

A. Gilsing [Zentrum]

Ant. Erkelenz [DDP]

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