2.134.3 (mu21p): 3. Außerhalb der Tagesordnung: Schichauwerft.

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3. Außerhalb der Tagesordnung: Schichauwerft4.

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Die Schichauwerke in Elbing (Maschinenbau) und Danzig (Werft) hatten trotz eines Reichskredits seit 1926 hohe finanzielle Verluste hinnehmen müssen. Um weitere Arbeitslosigkeit und wirtschaftliche Notstände, die durch die Schließung im Osten entstehen mußten, zu vermeiden, hatte das RKab. in mehreren Kabinettssitzungen, Chef- und Ministerbesprechungen die Lage beraten (4. 7., 10. 8., 10. 10., 2. 11., 10.11.28; 28. 1., 11.2.29. Das Material befindet sich in R 43 I /2147 ). Eine Subventionierung der Schichauwerft war von Werft- und Wirtschaftskreisen angegriffen worden, und der Versuch von vier großen Werften (Blohm & Voß, Vulkan, Deutsche Schiff- und Maschinenbau, Krupp-Germania-Werft), Schichau zu übernehmen, war an ihren Bedingungen gescheitert, die auf Entlassung der Arbeiter und Abbau der Firma hinausgelaufen waren. Nachdem der RWeM darauf hingewiesen hatte, daß das Elbinger Werk für die Reichswehr von Bedeutung sei (Chefbesprechung vom 2.11.28, R 43 I /2147 , Bl. 122 f.), war vom RKab. beschlossen worden, der RWeM solle auf eine kommunistische Anfrage über Granatenherstellung in den Schichauwerken antworten, es seien Vorkehrungen gegen unbefugte Munitionsherstellung getroffen worden (Kabinettssitzung 28.1.29, P. 4; Material zu dieser Angelegenheit in R 43 I /2736 , Bl. 246). Als auf Grund der drohenden Schließung in Elbing eine Massenentlassung zu befürchten war, hatte das RKab. am 28.1.29 beschlossen (Kabinettssitzung, P. 1), Schichau „unter allen Umständen“ zu sanieren. Ein Drittel der Kosten sollte von Preußen übernommen werden. Daraufhin war vom Haushaltsausschuß der Antrag Wilhelm Keils angenommen worden: „Der Ausschuß nimmt von der Erklärung über die Sanierung der Schichauwerft Kenntnis und sieht dem in Aussicht gestellten GesEntw. entgegen“ (Niederschrift über die Sitzung am 22.2.29).

Der Reichswirtschaftsminister berichtete über die Verhandlungen im Reichstagsausschuß und legte den Entwurf eines Gesetzes über die Sanierung der[447] Schichau-Unternehmungen nebst Begründung und Anschreiben vor5. Obwohl die Stimmung im Ausschuß für Hilfsmaßnahmen für Schichau nicht günstig gewesen sei, sei mit einer Annahme des Gesetzes zu rechnen. Der Reichsrat solle mit dem Entwurf bereits in seiner Plenarsitzung am 5. März, der Reichstag mit der Vorlage etwa am 15. März befaßt werden. Die Federführung habe bisher beim Auswärtigen Amt gelegen. Da es sich aber auch um den Danziger Betrieb handele und deswegen Vorsicht geboten sei, halte er die Übernahme der Federführung durch den Reichsminister des Innern für erforderlich. Der Reichsminister des Innern trat demgegenüber dafür ein, daß der Reichswirtschaftsminister die Federführung übernehme, da es sich um eine wirtschaftliche Angelegenheit handele. Er selbst werde sich wie bisher in den Verhandlungen entschieden für die Vorlage einsetzen.

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Nach diesem GesEntw. wurde die RReg. ermächtigt, über die Bildung einer Aktiengesellschaft durch das Reich und Preußen zu verhandeln, die vom Reich einen einmaligen Barbetrag von 14 Mio RM und – falls erforderlich – für das erste Geschäftsjahr 2,34 Mio RM erhalten sollte.

Der Reichskanzler wies darauf hin, daß es schwierig gewesen sei, die Sozialdemokratische Fraktion für den Antrag Keil zu gewinnen. Er sei nur mit knapper Mehrheit angenommen worden.

Der Reichsminister der Finanzen äußerte Bedenken wegen der Kürze der Vorlage. Der Haushaltsausschuß wolle gleichzeitig einen Vorschlag über die Deckung. Ob Preußen sich mit einem Drittel an den Unkosten beteilige, stehe noch nicht fest6.

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Der RFM war am 11. 2. überstimmt worden, als er gefordert hatte, die zur Verfügung stehenden Mittel der reichseigenen Kieler Werft zur Verfügung zu stellen, da der Vorschuß der Reichsmarine im März verbraucht sei und für die für Schichau insgesamt benötigten 25 Mio RM eine Deckung fehle.

Der Reichswirtschaftsminister führte hierzu aus, daß sich Vertreter der preußischen Staatsregierung an den Verhandlungen im Reichstagsausschuß beteiligt und gegen den Vorschlag der Reichsregierung wegen der Teilung der Unkosten nicht Stellung genommen hätten7. Besondere Vorschläge für die[448] Deckung der Unkosten zu machen sei nicht möglich. Nach Fühlungnahme mit dem Reichsministerium der Finanzen habe er in der Sitzung die Erklärung abgegeben, daß die Deckungsfrage im Ergänzungsetat erledigt werden würde.

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Das PrStMin. beschloß am 8.5.29, sich mit einem Drittel der entstehenden Kosten an den Elbinger Werken zu beteiligen (R 43 I /2287 , Bl. 236 f.).

Der Reichskanzler stellte auf Grund der Aussprache fest, daß das Kabinett mit dem vorgelegten Gesetzentwurf einverstanden ist. Die Frage der Deckung des Geldbedarfs soll im Etat 1929 erledigt werden. Die Begründung des Gesetzentwurfs ist entsprechend zu ändern. Die Federführung in der Angelegenheit übernimmt der Reichswirtschaftsminister8.

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Siehe RT-Drucks. Nr. 892, Bd. 434 . – Der Haushaltsausschuß nahm den GesEntw. am 27. 4. an und das RT-Plenum am 16.5.29. Das Gesetz wurde veröffentlicht im RGBl. 1929 I, S. 109 .

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