1.142.1 (mu22p): Politische Lage.

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Kabinett Müller II. Band 2 Hermann Müller Bild 102-11412„Blutmai“ 1929 Bild 102-07709Montage  von Gegnern des Young-Planes Bild 102-07184Zweite Reparationskonferenz in Den Haag Bild 102-08968

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Politische Lage.

Der Reichskanzler führte einleitend aus, daß er sich seit zwei Tagen mit der Frage befaßt habe, was eintreten werde, wenn ein Mißtrauensantrag gegen den Reichsminister der Finanzen Dr. Hilferding gestellt werde1. Soweit wie[1298] er unterrichtet sei, würde voraussichtlich sowohl in der Bayerischen Volkspartei wie auch in der Deutschen Volkspartei eine Mehrheit für die Annahme des Antrages stimmen. Der Reichsminister der Finanzen habe ihm sein Amt gestern zur Verfügung gestellt2; er habe aber bisher davon keinen Gebrauch gemacht, da er erst die Ansicht der Kabinettsmitglieder hören wolle. Aus verschiedenen Rücksprachen mit politischen Freunden habe er den Eindruck gewonnen, daß in der Sozialdemokratischen Partei der Wunsch bestehe, Minister Hilferding zu halten. Der Staatssekretär Dr. Popitz habe am 19. Dezember den Antrag auf Versetzung in den einstweiligen Ruhestand gestellt3. Daraufhin habe auch der Reichsminister Dr. Hilferding sein Amt angeboten. Es sei in diesem Zusammenhang auch die Frage zu erörtern, wie es mit den Verhandlungen auf der Haager Schlußkonferenz werde, wenn Minister Hilferding zurücktrete. Es sei auch weiter zu prüfen, ob aus dem Rücktritt des Ministers Hilferding nicht die Gesamtdemission des Kabinetts folge.

1

Der Rücktritt Hilferdings war seit dem 17. 12. erörtert worden (Tagebuch Pünders vom 20.12.29; Politik in der Rkei, S. 33 f. und 36). Moldenhauer berichtet außerdem: „In der [DVP-]Fraktion hatten diejenigen, die wenigstens für das Vertrauensvotum gestimmt hatten, die dringende Forderung an Curtius und mich gerichtet, nun aber dafür zu sorgen, daß Hilferding verschwände. Im Amt war jeden Morgen Trendelenburg in meinem Zimmer erschienen und hatte auf die Notwendigkeit einer Krise hingewiesen. Er war mit Schäffer der Ansicht, daß Popitz nicht zu halten sei, weil, solange er da sei, ein vertrauensvolles Zusammenarbeiten mit der Rbk nicht mehr möglich sei. Ich ging am Mittwoch dieser Woche [18. 12.] zu dem RK und erklärte ihm, daß nach meiner Auffassung Popitz zurücktreten müsse. Er fragte mich, ob dann nicht nach meiner Auffassung auch der Rücktritt Hilferdings die notwendige Folge sei. Ich erklärte ihm, daß ich diesen Rücktritt nicht fordere. In der Sozialdemokratischen Fraktion waren verschiedene Strömungen. Die Mehrheit schien an Hilferding festzuhalten. Das bewog Curtius und mich, am Freitagmorgen [20. 12.] zum RK zu gehen und ihm zu erklären, daß, wenn Hilferding nicht bis zum Abend zurücktrete, wir beide unsere Portefeuilles zur Verfügung stellten. Der Kanzler war von der Notwendigkeit des Rücktritts Hilferdings überzeugt, hätte ihn aber gern bis nach der Haager Konferenz hinausgeschoben, weil er die Schwierigkeiten sah, sofort einen eingearbeiteten Finanzminister zu finden“ (BA: Nachlaß Moldenhauer  3, S. 19 f.).

2

Siehe Dok. Nr. 397.

3

Popitz hatte sein Amt dem RFM am 19. 12. zur Verfügung gestellt, da keine Aussicht mehr bestehe, „ohne Unterwerfung unter die Bedingungen des Herrn RbkPräs. Dr. Schacht die Ultimoschwierigkeiten zu beseitigen“, und da die Steuersenkung damit auf einige Zeit unmöglich sei (R 43 I /1308 , S. 389, hier: S. 389). Nachdem der RFM am gleichen Tag gebeten hatte, auf dieser „Entscheidung noch nicht zu bestehen“ (R 43 I /1308 , S. 391, hier: S. 391), forderte Popitz am 21. 12. die „unverzügliche Versetzung in den einstweiligen Ruhestand“ auf Grund der „Entwicklung der letzten Tage“ (R 43 I /1308 , S. 391, hier: S. 391).

Der Reichsminister des Auswärtigen führte aus, daß der Herr Reichskanzler seine Ministerkollegen vor die Frage stelle, ob Minister Hilferding bleiben oder gehen solle. Wenn wir Minister um einen Rat ersucht würden, so müsse er sich ‹in Übereinstimmung mit Minister Moldenhauer›4 dahin äußern, daß es wohl notwendig sei, das Gesuch anzunehmen5. Entscheidend sei dabei, daß zu der Person des Reichsministers Hilferding das Vertrauen in weiten Volkskreisen zerstört sei, so daß er das Amt des Reichsministers der Finanzen nicht mehr führen könne. Bei einem solchen Mißtrauen gegen die Person des Reichsministers Hilferding werde es auch kaum möglich sein, daß Dr. Hilferding die Regierung im Haag vertrete. Ein Minister, von dem feststehe, daß er zurücktreten werde, besitze nach seiner Auffassung nicht mehr das Vertrauen, um für die Regierung so schwere innen- und außenpolitische Verhandlungen zu führen. Im übrigen müsse das Reichsfinanzministerium sofort von[1299] einem anderen Ministerkollegen vertretungsweise geführt werden. Daneben sei er aber der Auffassung, daß unbedingt einer der vier Minister, die der Sozialdemokratischen Partei angehören, nach dem Haag mitgehen [müsse], um die erforderliche Verbindung mit der Labour-Partei aufrecht zu erhalten. Alles in allem gesehen, sehe er keine Möglichkeit, Minister Hilferding zu halten. Es erschiene ihm auch nicht angängig, das Demissionsgesuch des Ministers Hilferding erst zu einem späteren Zeitpunkt zu akzeptieren.

4

Handschriftlich eingefügt.

5

Danach gestrichen: „Die gleiche Auffassung vertrete auch Minister Moldenhauer. Hierbei spiele die Schuldfrage und die unmöglichen Finanzverhältnisse des Reichs keine Rolle.“ Der folgende Satz begann zunächst: „Anscheinend sei hinsichtlich“.

Der Reichsminister der Justiz führte aus, daß die Zentrumspartei nicht den Rücktritt des Reichsministers Dr. Hilferding gefordert habe6. Da aber ein Demissionsgesuch vorliege, könne Reichsminister Dr. Hilferding wohl kaum im Haag mehr verhandeln.

6

Danach gestrichen: „Im übrigen sehe er große Schwierigkeiten für die Haager Schlußkonferenz“.

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft legte dar, daß in seiner Fraktion über den Rücktritt des Reichsministers Hilferding gesprochen worden sei. Die Fraktion habe den Standpunkt eingenommen, daß sie sich in dieser Angelegenheit größte Zurückhaltung auferlege. Zugegeben werden müsse, daß nicht der Reichsminister der Finanzen allein für die unglückliche Finanzlage verantwortlich sei, sondern auch der Reichstag schwere Fehler gemacht habe. Jedenfalls halte er einen Kompromiß nicht für möglich. Entweder müsse der Reichsminister der Finanzen Dr. Hilferding jetzt sofort zurücktreten oder er müsse überhaupt gehalten werden. Das Demissionsgesuch zu einem späteren Zeitpunkt anzunehmen, sei kein richtiger Ausweg.

Der Reichspostminister schloß sich der Stellungnahme des Reichsministers für Ernährung und Landwirtschaft an und setzte auseinander, daß in seiner Partei leider eine Mehrheit für das Mißtrauensvotum stimmen werde. Nach seiner Meinung sei die Frage zu entscheiden, ob das ganze Kabinett zurücktreten oder ob das Demissionsgesuch Hilferdings ohne Rücktritt des gesamten Kabinetts angenommen werden soll. Jedenfalls halte er, soweit er die Stimmung in seiner Fraktion beurteilen könne, die Stellung des Reichsministers der Finanzen Dr. Hilferding für schwer erschüttert.

Der Reichskanzler betonte, daß er im Kabinett keinen Beschluß über den Rücktritt des Ministers Hilferding fassen lassen wolle. Die Aussprache solle ihm nur die Möglichkeit geben, seine Entscheidung zu treffen.

Der Reichsarbeitsminister legte dar, daß er mit der Finanzpolitik des Reichsministers Dr. Hilferding unzufrieden gewesen sei. Er habe wiederholt im Kabinett die Politik Hilferdings bekämpft. Aber die Politik, die der Reichsminister der Finanzen geführt habe, sei die Politik der Volkspartei gewesen. Die Politik sei in erster Reihe von dem Staatssekretär Dr. Popitz geführt worden, der auch für die unglaubliche Lage verantwortlich sei, die uns jetzt zwinge, dem Reichsbankpräsidenten Dr. Schacht gegenüber zu kapitulieren. Nach seiner Auffassung müsse unbedingt Staatssekretär Dr. Popitz gehen. Den Reichsminister Dr. Hilferding gehen zu lassen, widerstreite seinem Gefühl, da der Staatssekretär Dr. Popitz die Sache verschuldet habe. Im übrigen habe sich der Reichsminister der Finanzen auf dem Reparationsgebiet sehr gut eingearbeitet,[1300] so daß seine Kenntnisse und Erfahrungen auf der Haager Schlußkonferenz schwer entbehrt werden könnten. Aus diesen Erwägungen heraus müsse das Gesuch des Reichsministers Dr. Hilferding abgelehnt werden.

Der Reichsminister für die besetzten Gebiete betonte, daß in seiner Fraktion keine Neigung bestehe, Hilferding fallen zu lassen. Er wolle keinen Zweifel darüber lassen, daß nach seiner Auffassung die Verhandlungen im Haag sehr erschwert würden, wenn man den Reichsminister Dr. Hilferding nicht dabei habe. In diesem Zusammenhang sei auch die Frage zu prüfen, wie sich der Reichsminister des Auswärtigen den Aufmarsch für die Haager Schlußkonferenz denke. Sei der Reichskanzler bereit, mit nach dem Haag zu gehen?

Der Reichskanzler erwiderte, daß nach seiner Meinung ein größeres Revirement im Kabinett zur Zeit nicht möglich sei. Er habe die Absicht, wenn der Rücktritt des Ministers Hilferding vollzogen sei, mit der Führung des Reichsfinanzministeriums den Reichswirtschaftsminister Dr. Moldenhauer zu betrauen. Auch er, der Reichskanzler, sei der Auffassung, daß einer der Minister, die der Sozialdemokratischen Partei angehören, mit nach dem Haag gehen müsse. Er selber sei mit Rücksicht auf seinen Gesundheitszustand und im Hinblick darauf, daß in Berlin in der fraglichen Zeit wichtige Entscheidungen zu treffen sein werden, nicht geneigt, mit nach dem Haag zu reisen. Im übrigen lasse sich zur Zeit noch kein Endurteil über die Zusammensetzung der Delegation bilden. Er schlage, um einen Ausgleich zu schaffen, vor, den Reichsminister Severing mit nach dem Haag zu entsenden.

Der Reichsverkehrsminister schloß sich der Stellungnahme des Reichsministers der Justiz und des Reichsministers für die besetzten Gebiete an. Nach seiner Auffassung müsse jetzt unbedingt eine klare Entscheidung getroffen werden. Ein Hinhalten sei nicht möglich, weil der Reichsminister der Finanzen durch die Vorgänge der letzten Tage in seiner Stellung entwurzelt sei. Es sei schwer, dem Reichskanzler einen Rat zu geben. Er neige dazu, daß man dem Reichskanzler freie Hand in seiner Entscheidung lassen müsse.

Der Reichsminister des Innern führte aus, daß er in ruhigen Zeiten mit dem Reichsminister Dr. Hilferding zurückgetreten wäre. Aber unter den heutigen Verhältnissen müsse man auf seinem Posten bleiben und dem Reichskanzler in seiner Entscheidung freie Hand lassen. Bei der zu treffenden Entscheidung müsse zu erwägen sein, daß sowohl die Bayerische Volkspartei als auch die Deutsche Volkspartei mit einer Mehrheit für den Mißtrauensantrag stimmen würden. Würde ein solcher Antrag angenommen, so hätte das seiner Meinung nach die Gesamtdemission des Kabinetts zur Folge. Prestigegründe müßten zurückgestellt werden. Er empfehle dem Reichskanzler, eine Entscheidung zu treffen, wie es die politische Situation erfordere. Erschwerend komme noch hinzu, daß morgen im Reichsrat eine Protestresolution gegen das Finanzprogramm und gegen das Sofortprogramm angenommen werden solle. Wenn auch die Preußische Regierung nach seiner Ansicht diese Protestresolution nicht decke, so sei doch mit der Möglichkeit der Annahme der Resolution zu rechnen, zumal auch der sächsische Gesandte Dr. Gradnauer sich stark für die Resolution einsetze. Würde die Resolution im Reichsrat angenommen, dann würde es in der Öffentlichkeit heißen, daß auch der Reichsrat gegen Hilferding sei, und[1301] das würde bedeuten, daß die Autorität des Reichsministers der Finanzen weiter erheblich gemindert werde.

Was die Schuldfrage anlange, so stehe er auf dem Standpunkt, daß neben dem Finanzressort auch der Reichstag große Schuld an den gegenwärtigen Zuständen trage. Bei politischen Beamten dürfe man aber die Schuldfrage nicht erörtern, wenn die allgemeine Situation eine klare Entscheidung erfordert.

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft hob nochmals hervor, daß seine Fraktion sich auf den Standpunkt gestellt habe, Zurückhaltung zu üben. Nach seiner Meinung sei ein Kompromiß unmöglich. Seine Fraktion werde nicht ausbrechen, wenn das Kabinett beschließen sollte, Minister Hilferding durchzuschleppen.

Der Reichswirtschaftsminister führte aus, daß man wohl kaum behaupten könne, daß die Finanzpolitik, die Reichsminister Dr. Hilferding betrieben habe, die Politik der Volkspartei sei. Er wolle aber im gegenwärtigen Augenblick diese Frage nicht weiter vertiefen. Bisher sei ein Fraktionsbeschluß verhindert worden, weil die volksparteilichen Minister in der Angelegenheit freie Hand haben wollten. Er müsse aber noch hervorheben, daß in seiner Fraktion das Vertrauen zum Minister Hilferding verloren gegangen sei und daher damit zu rechnen sei, daß die Fraktion, sofern es zur Abstimmung über ein Mißtrauensvotum komme, für den Antrag stimmen werde.

Der Reichsminister für die besetzten Gebiete kam nochmals auf die schweren Probleme zu sprechen, die mit dem Rücktritt des Reichsministers Dr. Hilferding entstehen würden, und betonte, daß die personelle Zusammensetzung der Delegation für die Entscheidung der Frage nicht unwichtig sei.

Der Reichsminister des Auswärtigen führte aus, daß nach seiner Meinung die politische Realität doch die sei, daß die Politik des Reichsministers Dr. Hilferding auf allen Seiten für unhaltbar gehalten werde. Der größte Fehler dieser Politik sei gewesen, daß kein klarer Wein eingeschenkt worden sei. Die Haltung des Reichsfinanzministeriums in der Frage der Aufnahme langfristiger Anleihen sei ihm unbekannt gewesen, diese Stellungnahme habe, wie das Telegramm aus Paris zeige, die auswärtige Politik aufs erheblichste gefährdet. Innenpolitisch sei sogar die Autorität des Herrn Reichspräsidenten gegen den Herrn Reichsbankpräsidenten engagiert worden, und auch in dieser Beziehung sei ein Fehlschlag erfolgt. Daß Staatssekretär Dr. Popitz gehen müsse, halte er für selbstverständlich. Staatssekretär Dr. Popitz habe ein Mißtrauen um sich verbreitet, das es ihm nicht ermöglicht, in seiner Stellung als Staatssekretär im Reichsfinanzministerium weiter tätig zu sein. Die Zusammensetzung der Delegation für den Haag denke er sich so, daß neben ihm der Reichsminister Wirth, der Reichswirtschaftsminister und der Reichsbankpräsident Schacht als Hauptdelegierte nach dem Haag gehen. Selbstverständlich müsse auch der neue Finanzminister mitfahren. Wenn man nun beabsichtige, den Reichswirtschaftsminister Moldenhauer mit der Führung der Geschäfte des Reichsfinanzministeriums zu beauftragen, so erkläre er, daß der Reichswirtschaftsminister Moldenhauer nicht die Absicht habe, sich im Reichsfinanzministerium einzunisten. Im übrigen könne er jedenfalls nicht annehmen, daß sich aus dem[1302] Rücktritt des Reichsministers Hilferding für den Haag Hindernisse ergeben würden.

Der Reichsminister der Justiz führte noch aus, daß er für seine Person nicht gegen den Rücktritt Hilferdings sei. Entscheidend sei für ihn das vorliegende Rücktrittsgesuch, dem wohl unter den gegenwärtigen Verhältnissen stattgegeben werden müsse.

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft betonte noch, daß der Vorstoß im Reichsrat in erster Linie auf den Staatssekretär Dr. Popitz ziele. Im Reichsrat habe sich der Staatssekretär Popitz derart unbeliebt gemacht, daß es unmöglich ist, ihn weiter zu halten.

Der Reichskanzler führte noch aus, daß er gestern mit Staatssekretär Dr. Popitz eine eingehende Aussprache gehabt habe. In dieser Aussprache habe Staatssekretär Popitz wiederholt auf seine Verdienste hingewiesen. Demgegenüber habe er, der Reichskanzler, in der Unterredung hervorgehoben, daß er zwar die Verdienste des Staatssekretärs voll und ganz anerkenne7, daß er aber doch feststellen müsse, daß in der Anleihefrage die Reichsregierung durch die Haltung des Staatss. Popitz in eine unmögliche Situation geraten sei.

7

Ursprüngliche Fassung: „daß er aber in der Anleihefrage die RReg. in eine Situation hineingebracht habe, die es der RReg. unmöglich mache, mit Staatssekretär Popitz weiter zusammenzuarbeiten“.

Der Reichskanzler betonte, daß unter Würdigung der gesamten politischen Lage er sich zu seinem Bedauern genötigt sehen werde, das Rücktrittsgesuch des Reichsministers Hilferding anzunehmen. Der Entschluß falle ihm äußerst schwer, zumal er das umfangreiche Wissen des Ministers Dr. Hilferding auf allen Gebieten sehr geschätzt habe und nur sagen könne, daß Reichsminister Hilferding wiederholt dem Kabinett in schwierigen Fragen mit seinen reichen Erfahrungen beigestanden habe8.

8

Im Anschreiben der Entlassungsurkunde wies der RK auf die Beteiligung Hilferdings an den Reparationsverhandlungen, an der Zollgesetzgebung und an dem dem RT vorliegenden Finanzprogramm hin: „Wer mit Ihnen gemeinsam gearbeitet hat, weiß, daß diese Ihre unermüdliche Tätigkeit dem ernsten Pflichtgefühl und stärkster Hingabe an die schwierige Aufgabe entsprang“ (R 43 I /1308 , S. 405, hier: S. 405).

Gegen die Annahme des Rücktrittsgesuchs des Staatssekretärs Dr. Popitz wurden keine Bedenken geäußert9.

9

Im Dankschreiben, das der Entlassungsurkunde für Popitz beigefügt war, verwies der RK auf die Beteiligung von Popitz an der Steuergesetzgebung 1919 und 1924, an der Finanzreform von 1925 und an der bevorstehenden: „In einer einzigartig dastehenden Weise haben Sie die schweren und umfassenden Probleme des Finanzausgleichs beherrscht und sich auf diesem Gebiet große Verdienste erworben. – Bei aller Ihrer Arbeit, die Sie mit besonderer Entschlußfreudigkeit und Tatkraft durchführten, haben Sie sich stets mit ganzer Kraft für die Staatsidee und und Staatsautorität eingesetzt“ (R 43 I /935 , Bl. 225 f., hier: Bl. 225 f.).

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